Bordetella pertussis* hört sich an, wie eine gut gewürzte Kinderwurst, ist jedoch der Erreger von Pertussis. Im Deutschen heißt die Erkrankung auch Keuchhusten. Im Englischen findet man den wohl treffendsten Namen: Whooping cough. Der Name resultiert aus dem charakteristischen Geräusch, welches entsteht, wenn Betroffene nach einer Hustenattacke einatmen. Es beginnt direkt nach dem einatmen eine weitere Attacke, so dass die Betroffenen z.T. schwere Atemnot bekommen. Keuchhusten ist mittlerweile eine seltene Erkrankung, weil man gegen den Keim, der sich anhört wie eine Wurst, impfen kann.
Nicht alle Impfungen bieten einen lebenslangen Schutz, so auch die Impfung gegen Keuchhusten. Das führt zu einem mangelnden Impschutz bei vielen Erwachsenen. Das ist natürlich kein großes Problem, immerhin handelt es sich um eine Kinderkrankheit! Falsch. Masern zum Beispiel können bei ungeimpften Erwachsenen schwerer verlaufen als bei Kindern und Masern sind, entgegen vieler Legenden, auch bei Kindern kein Spaß. Keuchhusten verläuft jedoch bei Erwachsenen meist milder als bei Kindern, was wahrscheinlich auch mit den anatomischen Gegebenheiten im Kehlkopf zu tun hat. Bei Erwachsenen ist einfach etwas mehr Platz für die Luft, auch wenn die Atemwege zuschwellen.
Keuchhusten bei Erwachsenen ist vor allem ein Problem, wenn sie Kinder, die noch zu jung für eine Impfung sind, anstecken. So kommt es immer wieder zu Ausbrüchen weil Erwachsene, deren Impfschutz, meist aus Unwissenheit, nicht mehr ausreicht, ungeimpfte Kinder anstecken. In England und Wales sind dieses Jahr zum Beispiel bereits drei Kinder daran gestorben. Vor dem nächsten Besuch beim frisch geborenen Enkel oder Patenkind wäre also ein Blick in den Impfpass und eventuell ein Besuch beim Hausarzt angebracht. Sonst schenkt man dem Nachwuchs vielleicht etwas, was man selber nicht haben möchte und das ist sehr unhöflich.
Ein weiterer Name für Pertussis in den USA ist der "100 Tage Husten", weil die Erkrankung lange benötigt um auszuheilen. Außer eine symptomatischen Therapie kann man nicht viel machen, Antibiotika sorgen vor allem dafür, dass die Betroffenen weniger ansteckend sind, haben jedoch wenig Auswirkung auf den Verlauf. Im New Englang Journal of Medicine wurde kürzlich über einen 64 Jahre alten Herren berichtet, der an Keuchhusten erkrankt war. Beeindruckend ist vor allem das Video von einer seiner Hustenattacken, man möchte nicht in seiner Haut stecken.
Wo Keuchhusten sich meist aus Unachtsamkeit oder Unwissenheit ausbreitet, wird die Verbreitung von Masern bewusst propagiert. Mystische Vorstellungen über "Entwicklungsschritte", die Kinder während einer Erkrankung machen sollen sind offenbar Grund genug, das Risiko von Komplikationen bis hin zum Tod in Kauf zu nehmen. So berichtet der Standard gerade über eine steigende Zahl von Masern in Europa:
"Die Experten des Departments für Virologie der MedUni Wien stellen in eine "Masernrenaissance" fest. "Um es kurz zu machen: Die Masernsituation in Europa im Jahr 2011 war mit über 35.700 Fällen katastrophal". In ihrer Virusepidemiologischen Information wiesen die Experten vor einigen Tagen vehement darauf hin, dass es offenbar in Europa zu einer Rückkehr der potenziell ausrottbaren Erkrankung kommt."
Die grausamste Komplikation der Masern ist die SSPE, die Subsklerosiernde Panensephalitis, ein Zustand, der mehrere Jahre nach der Masernerkrankung auftreten und immer zum Tod führt. Die Kinder verlernen sehr schnell Fähigkeiten, leiden an schweren Behinderungen und sterben nach einigen Monaten. Ein Beispiel für einen solchen Fall ist Micha.
Häufiger sind Lungenentzündungen oder sogenannte Superinfektionen. Dabei besiedeln Bakterien die von der Maserinfektion angeschlagene Oberfläche der Atemwege oder nutzen die Zeitweilige, durch das Masernvirus verursachte Schwächung des Immunssystems.
Ein Blick über den europäischen Tellerrand zeigt vielleicht besser den Zynismus auf, der hinter der Glorifizierung einer Infektion mit einem Virus stecken mag. Seit 10 Jahren ist Europa frei von Polio oder Kinderlähmung. Während sich Ältere vielleicht noch an große Hallen voller "Eiserner Lungen" um zu verhindern, dass an Polio erkrankte Kinder ersticken. Die meisten überstanden die Erkrankung mit dieser technischen Hilfe ohne Folgen, doch einige behielten lebenslang Lähmungen zurück, zum Beispiel Franklin D. Roosevelt.
Polio ist noch in drei Ländern endemisch, also immer vorhanden: Afghanistan, Pakistan und Nigeria. Nachdem die Ausrottung von Polio bereits einmal kurz bevorstand, wird nun ein weiteres Mal die Chance gesehen, diese Erkrankung verschwinden zu lassen. Leider sorgte die weltweite Finanzkrise für einen Mangel an Geld, so dass auch diese Chance unter Umständen ungenutzt verstreicht und Polio sich wieder ausbreitet. Doch vielleicht kann Herr Gates es doch noch richten.
Auch andere “Kinderkrankheiten” wie Diphterie treten weltweit wieder häufiger auf. Da ist es doch gut zu wissen, dass man mit einer Auffrischimpfung nicht nur gegen Pertussis, sondern auch gegen Diphterie und Tetanus geschützt wird. Die Solidargemeinschaft zahlt hier, was die Solidargemeinschaft schützt.
*Update 1.7.12: Wenn es nach mir ginge, sollte es "Mordatella" "Bortetella" heißen, das würde auch irgendwie zum Beitrag passen, natürlich ist es umgekehrt und stand zeitweise falsch in diesem Beitrag.
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