Deutsche Fiktion II

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Die Scheißhitze machte ihn fertig. An der Reling konnte er fast bis zur Küste sehen, von der Brücke war der Blick besser, aber der Kapitän machte ihn ebenfalls fertig, mit seinen dummen Witzen. Es gab auch keinen Grund, besser zu sehen. Die Satellitenaufnahmen hatten ihnen alles gezeigt und Tunesien war nun wahrlich kein Neuland. Vor langer Zeit hatte er dort Urlaub gemacht, vor sehr langer Zeit.
Seit seit 29 Jahren war Philipp Groten bei der Bundeswehr, eigentlich hätte er schon nicht mehr hier sein sollen. Ein Junger Soldat ging an ihm vorbei und grüßte, er nickte nur müde, es war zu heiß für eine Hirachie. Gerade jetzt flogen über seinem Kopf Kampfflugzeuge in Richtung des afrikanischen Kontinents und sollten die dritte Angriffswelle beginnen. Der sollte die Landung in der Bucht von Hammamet folgen, in vier Stunden.


V
iel war nicht zu erwarten, über jeglichen Widerstand würde er sich wundern. An den Mittelmeerküsten Nordafrikas war nicht mehr viel los, er musste lachen, eigentlich hatte Frontex die Küste schon seit Jahren sturmreif "geschossen". Die offiziell für den Schutz der EU-Außengrenzen bestimmte Agentur, schützte seit einem Jahrzehnt auch europäische Schiffe im Mittelmeer. In Präventivaktionen wurden außerdem seit 8 Jahren Schiffe, die Flüchtlinge transportieren konnten und sich mehr als 50 Seemeilen vor der Küste befanden versenkt. Drohnen erledigten das.


Der Fischfang war in der Hand der Europäer, Tourismus gab es immer weniger, der Weg über das Meer aussichtslos.
Die Hoffnungslosigkeit hatte den einen Teil der Bevölkerung in kleine Boote, den anderen Teil ins Landesinnere getrieben. Die Orte in denen es Tourismus gab waren im Grunde Freizeitparks, mit den Einwohnern als Statisten. Traurig.
Das Schiff erzitterte unter seinen Füßen, es ging los.

Sigmar Gabriel wollte nach der Pressekonferenz nur noch seine Ruhe und ein Glas Wein mit Gabriela trinken. Die musste schon oben warten in der Kanzlerwohnung, hoffentlich. Der Wohnbereich war mit Teppich ausgelegt, der die Schritte dämpfte und doch erschrak Gabriela nicht als er ihre Schultern berührte. Er stand einfach nur hinter ihr und beruhigte sich zusehends.


Die beiden hatten sich vor 8 Jahren kennen gelernt, auf seinem Wahlkampf für die erste Amtszeit. Es hatte einen "Lauf mit Sigmar" gegeben, den er auf anraten Joschka Fischers eingeführt hatte, so wie er auch auf anraten Joschkas mit dem laufen begonnen hatte, ein Jahr nachdem ihm das Magenband eingesetzt worden war. Damals war Gabriela 27 Jahre alt gewesen und war bei den Grünen aktiv. Sie hatten sich gut verstanden und da er nach sich nach seinem Herzinfarkt geschworen hatte, keine Zeit mehr zu verlieren, war Gabriela ein halbes Jahr später nach Berlin gezogen. Zum Glück war es möglich gewesen, die Reaktion der Presse etwas zu lenken, so das sich der Spot über die Namensgleichheit, den Altersunterschied und Gabrielas Parteizugehörigkeit in Grenzen gehalten hatte.


Der Kanzler wurde jäh aus seinen Gedanken herausgerissen, sein Telefon vibrierte, das Hauptquartier des Militärs war dran. Der Kanzler meldete sich knapp, hörte kurz zu und wurde blass. Er legte auf und hielt sich mit beiden Händen am Sofa fest.

"Was ist passiert?"

Sigmar war sich der Brisanz dieser Information bewusst und hätte eigentlich alle Kabinettsmitglieder umgehend benachrichtigen müssen, doch er konnte nicht mehr, langsam sank er auf den Boden hinter dem Sofa zusammen und Tränen rannen über sein Gesicht.

Das Fax piepte.

"Mitteilung des Hauptquartiers der Vereinigten Europäischen Truppen (VET)
Im Rahmen der Explosivstoffbelastung der Städte mit rebellischen Umtrieben im Norden Afrikas wurde um 2:43 Uhr 4.09.2029 ein unrichtiges Gebäude getroffen. Bei diesem Kollateralschaden handelte es sich um eine Einrichtung zur Krankenversorgung Minderjähriger mit angeschlossenem Ausbildungszentrum. Über die Anzahl der Betroffenen Individuen lässt sich zu dieser Zeit nichts sagen.
Bodycount VET: 0 (Null)
"

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Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

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