Bei diesem Wetter habe ich Schuhe mit sehr viel Profil angezogen, Profil ist ja häufig Mangelware dieser Tage. Es regnet gerade nicht, allerdings ist es auch nicht trocken, in Herbst und Winter gibt es in Aachen nur 1 und 0,5.
Ich bin unterwegs um Esskastanien zu suchen. Das Wort "Maronen" gefällt mir allerdings besser es erinnert mich an die Geschichte der kleinen Hexe, die ich als Kind häufig auf einer LP hörte. Mit jedem Schritt in Richtung des Baumes entkomme ich dem Alltag eines Erwachsenden ein wenig mehr.
Maronen haben eine andere Hülle als gewöhnliche Kastanien. Das Prinzip ist zwar dasselbe, doch die Stachel sind dichter zusammen und spitzer und pieken wirklich. So als wüssten sie, welcher Schatz in ihnen wohnt.
Die ersten stacheligen Hüllen entdecke ich etwas 5m unter mir und muss einen kleinen Abhang herunter. Dabei hilft das Profil mir, standhaft zu bleiben.
Unten warten eine kleine Enttäuschung, hier war schon Mensch oder Tier und hat fast alles weggesammelt.
Es beginnt zu regnen. Als ich den nächsten Baum erreiche ist meine Hose an den Beinen bereits feucht, die Schuhe auch, Profil hilft nicht dagegen, nass zu werden.
Hier liegt alles voll. Der Regen wird stärker als ich anfange mich zu bücken.
Die Maronen sind hier recht klein und ich frage mich, ob jemand mehr wusste als ich und sie deshalb liegen ließ. Vielleicht schmecken die Kleinen nicht. Ich sammle also möglichst Große, davon gibt es aber weniger. Meine Hose ist nass, meine Schuhe auch, der Regen wird stärker.
Meine Tüte füllt sich und ich frage mich, wie viele ich sammeln sollte. Vor zwei Jahren hatte ich soviel, dass mir alle verschimmelt sind. Jetzt denke ich das erste mal, die Tüte sei voll genug, außerdem kann ich ja wiederkommen, ich wohne in der Nähe, nur was ist wenn dann alle weg sind. Nun entdecke ich, dass zwischen den sterbenden Brennnesseln die dicken Dinger liegen. Ich sammle weiter, der Regen dringt durch meine wasserdichte Jacke, die nun eine "wasserdichte" Jacke ist.
Während meine Hand zwischen den Brennnesseln nach Maronen tastet, frage ich mich: Bin ich nicht genauso wie die Börsenfuzis? Kann ich nicht genug bekommen, bin gierig? Bin ich Kapitalist?
Meine Hose ist schmutzig, meine Hände kalt und ich bin nass. Und Kapitalist mit Profil.
Meine Tüte ist doppelt so voll, wie zum ersten mal, als ich dachte, ich sollte gehen. Ich gehe. Noch einige Griffe zum Boden und ich bin auf dem Weg nach Hause.
Als ich den Baum hinter mir lasse, hört es auf zu regnen. Der Liebe Gott mag keine Kapitalisten.
PS. Die kleine schmecken sehr gut, man kann sie ruhig sammeln, trotz schlechterer Rendite pro Griff.
Geschrieben von
merdeister

Kommentare 13
Das Schlimme an der Geschichte: Wir alle sind tatsächlich Kapitalisten. Alles um uns und in uns hat seinen Preis (bekommen) und wird nur noch berechnet: Griff-Gewinn-Verhältnis; Aufwand (Schuhe!) gegen Ertrag (kleine und weniger kleine Maronen) gestellt; die Ökonomisierung des Lebens in all seinen Bereichen...
Von wegen "Wir sind Pabst", wir sind alle Kapitalismus!
Und für den Kapitalismus sind wir die Maronen: Wir werden aufgesammelt und aufgefressen...
Das Gute an der Geschichte: Maronen!!!
Danke
Maronen habe ich noch nie gesammelt, auch noch nicht am Baum gesehen.
Dieses Jahr wäre ein voller Sack übrigens angemessen;-)
Weil es im Frühjahr so warm war und im Sommer relativ feucht, haben alle Bäume übermäßig viel Früchte angesetzt. Also Eicheln, Kastanien, Bucheckern und Maronen satt. Weil die Früchte dieses Jahr so optimal sind, sondiert die Fortwirtschaft verstärkt Saatgut in den Wäldern.
Kochst du irgendwas Spezielles aus den Maronen? Maronencreme und dergleichen kenne ich nur aus der französischen Küche.
Die Weicheier sammeln ja bei Sonnenschein...
...es muss PAPST heißen...
Von Marone zu Marone: Gern.
...und drehen dann einen Maronen-Porno...
Pabst passt zu Obst, passt zu hohler Frucht.
Bisher noch nicht, doch ich halte Dich auf dem Laufenden.
Ich kenne die Maronen nur als Angebot auf dem Weihnachtsmarkt, als Maroni. Bei uns sind Maronen die braunen Pilze. Wir haben gerade welche gegessen.
"Bin ich nicht genauso wie die Börsenfuzis? Kann ich nicht genug bekommen, bin gierig? Bin ich Kapitalist?"
Ach was, Kapitalist bist Du erst, wenn Du die verschimmelten Maronen an der Warenterminbörse verscherbelst oder so. Dass der Mensch sich bevorratet ist ein Urtrieb, der auch nicht immer vernünftig ist, aber Gier ist das nicht.
:-)
Meines Wissens gibt's ein Bier namens 'Pabst'.
Damit wären wir ja wiederum alle Pabst.
lass sie dir schmecken :-)
bei uns werden sie geröstet, ich wusste gar nicht, dass man daraus auch creme herstellen kann. bloggen bildet.