Anekdoten, so lasse ich es häufig verlauten, sind keine Daten und wenn es um die wissenschaftliche Bewertung eines Sachverhaltes geht nicht hilfreich. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In der Medizin findet man zum Beispiel viele Anekdoten in Beipackzetteln von Medikamenten. Nicht jede der aufgeführten Nebenwirkungen muss ursächlich mit der Einnahme zusammenhängen aber weil sie könnte, steht sie drin. Anekdoten geben Hinweise auf mögliche Gefahren einer Behandlung, die in klinischen Studien nicht erkannt werden. Wenn in einer Studie 100 Menschen teilnehmen, die Nebenwirkung aber nur bei einem von 1000 Menschen auftritt, wird sie eventuell erst erkannt, wenn das Medikament bereits auf dem Markt ist. Gleiches gilt auch für Behandlungen, zum Beispiel einer chiropraktischen Manipulation des Nackens (Achtung, das Video ist knackig):
Im BMJ wurden kürzlich zwei Beiträge veröffentlicht, die sich eben damit beschäftigen. Vor allem mit den möglichen Risiken. Vielleicht sollte man erst einmal die Gemeinsamkeiten beider Autoren zeigen. Beide geben an, die "neck manipulation" sei kurzfristig bei Nackenschmerzen ähnlich wirksam wie eine medikamentöse Therapie mit Muskeln entspannenden Medikamenten, einer falschen Manipulation ("sham") oder auf der Warteliste zu stehen. Über die langfristige Wirkung geht die Meinung der Autoren auseinander, wobei ich dem Autoren folgen würde, der sich gegen die chiropraktische Manipulation des Nackens ausspricht, weil er auf eine Cochrane Review verweisen kann, die keinen Vorteil gegenüber der Mobilisation sieht. Diese findet deutlich vorsichtiger statt.
Doch eigentlich geht es um ein ganz anderes Problem. Die chiropraktische Manipulation des Nackens steht im Verdacht, einen Schlaganfall auslösen zu können. Das wäre zwar sehr selten der Fall, doch häufig sind jüngere Menschen betroffen, eine Altersgruppe, die sonst von dieser Erkrankung eher verschont bleibt. Ein kausaler Zusammenhang konnte bisher nicht gefunden werden, doch es gibt eine Häufung sogenannter Dissektionen von Arterien bei Patienten, die sich einer Manipulation unterziehen. Bei einer Dissektion reißt die innere Haut eines Gefäßes, so dass Blutgerinsel entstehen können. Wenn dies in den Arterien des Halses geschieht, kann das Gerinsel den Blutfluss zum Hirn unterbrechen und es kommt zu einem Schlaganfall.
Vor allem gefährdet ist die Arteria vertebralis, weil sie anatomisch eng mit der Wirbelsäule verbunden ist:
Die Arterie verläuft durch die Löcher in den Seitenfortsetzen der Wirbel (die kleinen weißen Brücken).
Der Befürworter chiropraktischer Manipulationen im BMJ interpretiert die Zahlen aus den Studien anders, als der ablehnende Autor. Er hält einen Zusammenhang zwischen chiroprakitscher Manipulation am Nacken und Schlaganfällen für wenig wahrscheinlich. Einen der Gründe sieht er in der Tatsache, dass Menschen, die bereits eine Dissektion der Halsarterie haben Nackenschmerzen haben und sich deswegen beim Chiropraktiker vorstellen. Dr. House würde demnach die Manipulation am Hals als diagnostische Maßnahme nutzen. Alle Ärzte mit weniger Genius würden eine Dissektion vor einer Manipulation mit einem Ultraschall ausschließen.
Es ist sicher wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich um eine sehr seltene Komplikation handelt. Viele medizinische Interventionen tragen höhere Risiken in sich. Diese Risiken sind jedoch wegen des ebenfalls höheren Nutzens vertretbar. Im Falle der chiropraktischen Manipulation des Nackens gibt es Alternativen die sicherer sind und gleich gut helfen (abwarten zu Beispiel).
In der Klinik habe ich Patienten oder deren Angehörige das Pflegepersonal oder den Stationsarzt fragen hören: "Wenn es Ihre Mutter wäre, was würden Sie machen."
In Anbetracht der Tatsache, dass die Datenlage für die meisten chiropraktischen Behandlungen zwar dünn ist, jedoch vor allem die Manipulation des Nackens gefährlich sein kann, habe ich meiner Mutter gesagt: "Wenn es Dir gut tut, dann geh hin aber lass ihn nicht an Deinen Nacken."
Und für ganz furchtlose habe ich noch folgendes Video aus dem fernen Japan:
Weiterlesen:
Neck Manipulation: Risk vs. Benefit
Kommentare 24
Mit besten Empfehlungen von Dr. Eisenbart, der zu sagen pflegte:
"Laß Deine luxierten Halswirbel unbesorgt einrenken - oder mach um jeden Chiropraktiker einen großen Bogen: Du wirst es bereuen."
Is ja lustig, nach genau diesem Problem habe ich erst vor ein paar Tagen einen Freund, der Arzt ist, gefragt. Er antwortete ungefähr dasselbe. :))
Mediziner sein´s
sind kreuzbrave Leut
Sie verstehen einzurenken
dass es schwer wird mit dem Denken....
Weil die das so auf die schnelle Durchziehen mit den Wirbeln sind die bei meinereiner in Verruf gekommen.
Ich erinnere mich an Leute die starre Nacken hatten nach chiropraktischer Behandlung, aber es gab auch Leute die echt glücklich mit ihrem Chiropraktiker waren.
Wahrscheinlich sollten die einfach auch die Muskulatur aufwärmen, dann blieb nur nach das Performance Problem.Wenn der Chiropraktiker mal rumpfuscht-Aua! Aber das gilt für viele Tätigkeiten.
Schon als ich in der Grundschule war, pflegte Dr. Eisenbart sich umständlich auszudrücken. In Liedform brachte er mir bei, was ein Klistier ist. Da hätte auch noch ein paar Jahre warten können...
Sei lieber vorsichtig mit diesen Ärzten! Du weißt doch, wie das läuft, die wollen Dir nur irgendwelche Pillen verkaufen, warte mal ab!
Wenn ich Nackenschmerzen habe, melde ich mich also bei Dir? Eigentlich bin ich ja ein "Abwarter" ;)
Soweit ich das von hier aus beurteilen kann, ist Abghoul sehr vertrauenswürdig. Laß Dich getrost von ihm einrenken!
lieber merdeister,
das hauruckverfahren hat ja was für sich, die schnelligkeit zum beispiel. den leuten kann es nie schnell genug gehen. zeit ist geld, und geduld ist selten. patienten sind solche enten, die von berufs wegen vor allem geduld haben.
bin mit meinen halswirbeln nie zum haurucki gegangen, obschon die nicht ganz ohne knacken waren. aber durch abwarten hat sich das problemchen in den letzten jahren vielleicht von selbst erledigt. vielleicht. denn ich liege seit einigen jahren auf kleineren kopfkissen. das könnte auch eine erklärung sein.
vielleicht sind die knackpunkte, die am hals hatte, aber auch durch die neue große arbeitsfreiheit von innen her abgetragen worden. wie weet?
nachtrag: ich
http://cdn4.spiegel.de/images/image-365543-breitwandaufmacher-kjsh.jpg>
Berlin - Die Zahl der bei den Ärztekammern registrierten Medizinerfehler nimmt zu: 99 Menschen sind 2011 an den Folgen der untersuchten Ärztefehler gestorben, 2010 waren es 87 Patienten. Das ist das Ergebnis einer Behandlungsfehler-Statistik, die die Bundesärztekammer am Dienstag in Berlin präsentierte. Demnach waren 2287 Behandlungen oder Diagnosen falsch, oder die Patienten wurden nicht richtig über die Risiken der Behandlung aufgeklärt. Insgesamt hatten sich 11.107 Patienten bei den Gutachterstellen und Schlichtungskommissionen der Ärztekammern beschwert. [...]
Das grundsätzliche Problem der aktuellen Statistik zu Behandlungsfehlern wird deutlich, wenn man die Zahlen ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Behandlungen in Deutschland setzt. "Im ambulanten Bereich waren es im ersten Quartal 2011 allein im hausärztlichen Bereich rund 45 Millionen Behandlungsfälle mit rund 105 Millionen Patientenkontakten und im stationären Bereich mehr als 16 Millionen Behandlungen", sagte der Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Gutachterkommission und Schlichtungsstellen, Andreas Crusius, in Berlin.
Mit Foramenverengung wird das Ganze noch gefährlicher.
Lieber helder,
bei mir hat schon mal einer hauruckt. böse zungen behaupten seit dem tag bin ich so, wie ich bin...
es war aber kein zeitmangel, bei damaliger hausarzt stand hinter mir, sagte ich solle mich entspannen austmeundzack hats geknackt und nicht geholfen. ich bin ein schwieriger patient :-)
ttg, deine reflexe funktionieren tadellos. noch mehr von diesen gruseligen bildern gibt es übrigens hier.
bist du daran interessiert, zu erfahren warum die anzahl der behandlungsfehler in den nächsten jahren noch steigen könnte und es trotzdem nicht weniger sicher beim arzt wird?
und wenn du den inzwischen gereiften mediziner noch einmal aufsuchen würdest, damit er den knacks rückgängig machte mit einem entgegengesetzten hauruck?
Allerwertester Merdeister,
ungnädig teile ich mit, dass Ihr Bemühen, mit einer ollen Kamelle aus Ernsts Dunstkreis Erkenntnisgewinn und Erheiterung zu erzeugen meinen infausten Kritizismus nur in marginaler Weise vermindern konnte. Zwei Experten sind sich uneins über ein Therapieverfahren. Sie würden gerne dem Experten folgen, der sich gegen die Nackenmanipulation und für die Mobilisation ausspricht, weil der statistische Nachweis keinen Vorteil für das riskantere Verfahren zeigt.
Dass jeder Therapeut jedoch im Einzelfall sich entscheiden muss, was er macht, und diejenigen eher in der Minderzahl sind, die nach der Devise “no risk, no fun” verfahren, es also gängige Praxis ist, sich für die risikoärmere Therapie zu entscheiden, nimmt Ihrer Empfehlung das spektakulär-heroische Moment.
Ihre Quelle vermeldet sogar: “There is little doubt that most chiropractors are skillful manipulators.“ Mit anderen Worten: Jeder hat mal einen schlechten Tag, auch ein Merdeister. Warum wollen Sie (anscheinend aus grundsätzlicher Voreingenommenheit) wieder einer Berufsgruppe , diesmal den Chiropraktikern ans Zeug flicken?
Ein knackiger Blogbeitrag mit ebensolcher Diskussion sieht anders aus, wegen einer akut auftretenden obstruktiven Sialopathie muss ich schließen, es bleibt mir nur das Adjektiv: Beknackt.
Allerwertester Merdeister,
ungnädig teile ich mit, dass Ihr Bemühen, mit einer ollen Kamelle aus Ernsts Dunstkreis Erkenntnisgewinn und Erheiterung zu erzeugen meinen infausten Kritizismus nur in marginaler Weise vermindern konnte. Zwei Experten sind sich uneins über ein Therapieverfahren. Sie würden gerne dem Experten folgen, der sich gegen die Nackenmanipulation und für die Mobilisation ausspricht, weil der statistische Nachweis keinen Vorteil für das riskantere Verfahren zeigt.
Dass jeder Therapeut jedoch im Einzelfall sich entscheiden muss, was er macht, und diejenigen eher in der Minderzahl sind, die nach der Devise “no risk, no fun” verfahren, es also gängige Praxis ist, sich für die risikoärmere Therapie zu entscheiden, nimmt Ihrer Empfehlung das spektakulär-heroische Moment.
Ihre Quelle vermeldet sogar: “There is little doubt that most chiropractors are skillful manipulators.“ Mit anderen Worten: Jeder hat mal einen schlechten Tag, auch ein Merdeister. Warum wollen Sie (anscheinend aus grundsätzlicher Voreingenommenheit) wieder einer Berufsgruppe , diesmal den Chiropraktikern ans Zeug flicken?
Ein knackiger Blogbeitrag mit ebensolcher Diskussion sieht anders aus, wegen einer akut auftretenden obstruktiven Sialopathie muss ich schließen, es bleibt mir nur das Adjektiv: Beknackt.
.. das Doppelposting bitte ich zu entschuldigen.
Doc, lass knacken!
Sie sollten sich freuen! Wenn Sie Recht haben und ich einer ganzen "Berufsgruppe ans Zeug flicke" habe ich doch noch etwas von Ihnen gelernt.
Nimm ein "n" weg und wir sind beim Gastroenterologen.
Lieber helder, das könnte ich doch der Community nicht antun ;)
@ merdeister22.06.2012 18:13
Nee, das konnten sie schon ohne mich. Über die Verschränkung von Selbst- und Fremdkritik bei Ihnen wäre aber noch von Ihnen zu reflektieren.
... so einfach kann es gehen!
Die DORN – Methode ist Erfahrungs-Heilkunde, nur sehr wenig Wissen ist notwendig. Das empfindsame Gefühl des Therapeuten entscheidet über den hervorragenden Erfolg der Behandlung und der Mut es einfach zu tun! Das gefühlvolle Abtasten an den Dornfortsätzen und das mitfühlende Verschieben der Wirbel und Gelenke ist entscheidend.
http://www.dorntherapeuten.de/
puh... und zu diesem "Bauer" wurden wir als Kinder geschickt, wenn der "Doktor" keine Zeit hatte. Geh' mal mit ihm/ihr zum "Einrenken". Dass ich das überlebt habe...
Bei Abnutzung ist das Knacken vollkommen normal. Wichtig bei der Sache ist, das Muskelgewebe diesbezüglich zu stärken. Und das bekommt man mit einer ausgezeichneten Rückenschule hin, ich habe es gerade hinter mir.
Gewalt durch Ärzte ist hier fehl am Platz. Wie gesagt, sich bei einer Rückenschule anmelden. Sich vorher allerdings erkundigen, wie ihr Ruf ist.