Konjunktivmedizin- 2 Ärzte, 3 Meinungen

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Nachdem ich im 1. Teil ein bisschen etwas zum Virus selbst erzählt habe, kommt nun etwas zu seiner Wirkung auf den Menschen. Allerdings mehr um seine indirekte Wirkung, Mediziner würden sagen: sekundär.

Im Spiegel gab der Epidemeologe Tom Jefferson ein Interview und sprach über die Schweinegrippe. Tom Jefferson wurde auch im Wochenthema des Freitag erwähnt, so wie die Organisation für die er arbeitet, die Cochrane Collaboration. Dabei handelt es sich um einer Non-Profit Organisation die medizinische Studien analysiert. War die Durchführung richtig, sind die Ergebnisse verwertbar.

In diesem Interview hat sich Jefferson kritisch zum Umgang mit der Schweinegrippe geäußert.

Jefferson ist der Meinung, das es im Moment keinen Anhalt dafür gibt, das vom H1N1 eine Gefahr ausgeht, die die einer normalen Influenza übersteigt. Im Moment sieht es sogar eher danach aus, das der Verlauf milder ist, als bei der saisonalen Influnza. Die Anzahl der Todesopfer, welche die saisonale Grippe in Deutschland jedes Jahr kostet wird mit bis zu 30000 angegeben (50000 habe ich auch schon gehört). Jefferson gibt zu bedenken, das viele dieser Menschen mit einem anderen Virus welches die Atemorgane angreift. Man hat dann einen grippalen Infekt. Einen grippalen Infekt können eine ganze Reihe von Viren auslösen, das Influenza-Virus ist eines von Ihnen. Aber nur gegen das Influenza-Virus wird geimpft und nur gegen das Influenza -Virus hilft Tamiflu*. Die anderen Viren finden in den Medien und in der Forschung kaum Beachtung, obwohl sie viel Schaden anrichten. (Dazu gibt es eine Graphik im Spiegel-Interview.)

Pandemie

Unter einer Pandemie versteht man die weltweite oder kontinentale Ausbreitung einer Krankheit. Die WHO hat noch eine etwas engere Definition. Diese wurde laut Jefferson geändert, damit die Schweinegrippe nach WHO Definition zur Pandemie wird. Laut WHO musste eine Pandemie eine Krankheit mit hoher Sterblichkeit sein, dieses Kriterium wurde angeblich gestrichen. Belege lassen sich nicht dafür finden, Widersprochen wird dem jedoch auch von keiner Seite.

Spanische Grippe

Einen Ursprung hat die aktuelle Debatte sicherlich in der Tatsache, dass H1N1 die spanische Gripper verursacht hat und somit 18mio Tote. Jefferson gibt jedoch zu bedenken, das auch andere Faktoren damals eine Rolle gespielt haben können. Bakterielle Superinfektionen zum Beispiel. So nennt man es, wenn ein durch Viren infiziertes Gewebe zusätzlich noch von Bakterien besiedelt wird. Diese Superinfektionen waren in früheren Tagen gefährlicher als die Grippe. Heute sind sie meist mit Antibiotika beherrschbar.

Impfung

Auch zu den Impfungen finden sich viele kritische Stimmen. Dabei geht es um verschiedene Aspekte. Der eine ist die angeblich mangelnde Testung des Impfstoffs, Menschen würden so zu Versuchskaninchen gemacht, schlimmer als Bloggerr beim Freitag. Es handelt sich allerings um ein ähnliches Prozedere wie es jedes Jahr für die Impfung der saisonalen Grippe verwendet wird. Allerdings ist nicht klar, ob die Impfung überhaubt etwas gegen das Virus bringt, oder ob es sich durch Antigendrift zu sehr verändert haben wird. In diesem Fall wären die Antikörper, die durch die Impfung entstehen wirkungslos.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob Wirkungslose Antikörper so ein großes Problem darstellen, denn der Verlauf der Schweinegrippe ist bisher meist sehr mild. Tamiflu und die Impfung sollten vielleicht als Teil des Konjunkturpakets der Bundesregierung angesehen werden. Das Geld wird nicht ganz sinnlos verbrannt, wenn es die Binnenkonjunktur ankurbelt. Aber wahrscheinlich geht es als Dividende in Rauch auf.

Test

Der Schnelltest (andere sind zu teuer und dauern zu lange), den man benutzt um die Schweinegrippe zu diagnostizieren liegt in 10-70% der Fälle richtig (ja 10%-70%, mit solchen Angaben werden Ärzte versorgt). Das liegt wahrscheinlich auch daran, wie gut der Test durchgeführt wird. Einige, viele oder die meisten Kranken werden also gar nicht erkannt. Interessant wäre auch zu erfahren wieviele eigentlich Gesunde der Test als Kranke deklariert (die Spezifität). Zahlen dazu habe ich nicht finden können.

2 Ärzte, 3 Meinungen

Es herrscht also viel Unsicherheit und wenig Grund zur Panik. Die Philosophie der Medizin ist aber immer mehr in Richtung maximale Sicherheit gegangen. Was helfen könnte wird benutzt, allein schon aus forensischen Gründen. Man denkt an den Richter, vor dem man eines Tages stehen könnte, und beantwortet seine Fragen bereits im voraus. Konsequente Lobbyarbeit hat dazu geführt, das eine relativ harmlose Erkrankung so verzerrt dargestellt wurde, das wir alle uns Fragen:

Wann bin ich dran?

Die Antwort lautet wohl:

Das weiß kein Schwein.

* Tamiflu (Olsetamivir) ist ein Neuraminiadeshemmer (siehe 1.Teil) und verkürzt die Erkrankung um einen Tag. Mittlerweile tauchen jedoch immer mehr Viren auf, die gegen Tamiflu resistent sind.


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

merdeister

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