Pharmaconcern - Homöopathie II

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Zu Teil I

Homöopathie ist nach allem, was wir bis heute wissen wirkungslos. Klinische Studien und Metaanalysen vieler Studien ergaben keinen signifikanten Unterschied zu Placebos. Mit der Kritik, die Studien sein nicht für Homöopathie geeignet versuchen Anhänger der Homöopathie diese Hinweise entkräften. Es werden sich auch in Zukunft Gründe finden lassen, die ein unerwünschtes Abschneiden der Homöopathie erklären lassen. Man könnte ketzerisch sagen, dass seien ähnliche Methoden, welcher sich die viel gescholtene Pharmaindustrie bedient: unerwünschte Ergebnisse werden irgendwie unter den Tisch fallen gelassen.

Ist Homöopathie nach allem was wir wissen nutzlos? Nein, denn obwohl sie nicht wirkt, nutzt sie. Nach dem Verständnis, den Patienten als Partner zu sehen und ihn in die Behandlung mit einzubeziehen, ist es für einen Arzt ethisch nicht vertretbar einem Patienten ohne sein Wissen ein Placebo zu geben. Also sind Placebos von der Behandlung ausgeschlossen, könnte man meinen. An dieser Stelle kann die Homöopathie eine Brücke sein und langfristig für eine menschlichere Medizin, wie sie sich Samuel Hahnemann und wahrscheinlich viele von uns wünschen, sorgen.

Um das zu verstehen müssen Placebos erst mal ihren schlechten Ruf verlieren. In den letzten Jahren haben sich viele Forscher mit der Wirkung von Placebos beschäftigt und erstaunliche Dinge zu Tage befördert. Placebos wirken nicht alle gleich, es hat wie bei echten Medikamenten mit der Erwartungshaltung zu tun. Teure Placebos wirken besser als billige, große Pillen wirken besser als kleine Pillen und Pillen unterschiedlicher Farbe wirken ebenfalls unterschiedlich. Placebos wirken sogar, wenn man weiß, dass man ein Placebo nimmt. Dazu bekommen Versuchspersonen eine Pille mit der Information: "In dieser Tablette ist kein Wirkstoff enthalten, es ist aber bekannt, dass einige Menschen trotzdem von der Einnahme profitieren." Bei Menschen die regelmäßig Schmerzmittel benötigen werden mit deren Wissen Tabletten gegen Placebos ausgetauscht, sie wissen nicht, welche Tabletten das konkret sind. Die Schmerzen werden trotz geringerer Dosis (wegen weniger Tabletten) nicht mehr. Dabei profitiert man von der Konditionierung, nach der auf eine Tablette eine Schmerzlinderung einsetzt.

Den Placebo-Effekt gibt es auch bei Kindern und Tieren. Das wird von Homöopathen zum Teil bestritten und dann als Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie angeführt.

In einem Kommentar zur Homöopathie regt Edzard Ernst, Professor für Alternativmedizin, an, eine klinische Studie zur Homöopathie durchzuführen, die sowohl von Homöopathen, als auch von klinischen Forschen entworfen ist. Damit sollt die Frage ein für alle mal beantwortet sein. So eine Studie schreibt er weiter, gibt es bereits. Oder man sollte sagen, sie wurde bereits durchgeführt, denn die Studienergebnisse sind verschwunden. Im dritten Reich ließ das Reichsgesundheitsamt ein Studie durchführen, welche die Wirksamkeit der Homöopathie nachweisen sollte. Die Nationalsozialisten waren Alternativen Heilmethoden gegenüber durchaus aufgeschlossen. Das Ergebnis der Studie war eine Katastrophe aus Sicht der Homöopathen. Im Bericht eines beteiligten Arztes (Donner Bericht) kann man einiges nachlesen.

In einem Interview zu seinem Buch "Trick or Treatment" sagte Ernst:

"Von der Homöopathie war ich als Kliniker ja mal ganz beeindruckt. Und als ich dann zur Wissenschaft gewechselt bin, war das Bild für mich zunächst auch nicht schwarz oder weiß. Dann aber hat sich in den letzten zehn Jahren sehr eindeutig herausgestellt: Homöopathika sind Placebos. Für mich war das kein Aha-Erlebnis, sondern ein langer, mühsamer Weg der Erkenntnisgewinnung."

Zur Zeit deutet einiges darauf hin, dass die Homöopathie auch deshalb so großen Zulauf hat, weil homöopathisch behandelnde Ärzte sich mehr Zeit für ihre Patienten nehmen. Denn eine homöopathische Anamnese (Gespräch über die Erkrankung i.w.s.) braucht Zeit und das ist etwas, was viele Ärzte nicht mehr haben. Davon profitiert die Arzt Patienten-Beziehung. Über die Arzt-Patient-Beziehung schrieb Thure von Uexküll (einer der Begründer der Psychosomatik):

"(...) das bei weitem am häufigsten verwendete Medikament in der Praxis des niedergelassenen Arztes (ist) der Arzt selbst (...)."

Weiter schreibt er über die Möglichkeiten des Arztes/ der Ärztin im Anamnesegespräch:

"Jetzt gilt es wahrzunehmen, wie der Patient auf Bemerkungen des Interviewers reagiert, zum Beispiel, ob er ein Angebot macht, etwas über sich zu berichten, oder ob er sich zurückzieht und nur noch einsilbige Antworten gibt. Das ist nicht nur für die Fortführung des Gesprächs von entscheidender Wichtigkeit - es ist auch der Weg zu einem Verständnis der Tatsache, daß die Interaktion des Arztes mit dem Patienten auf geheimnisvolle Weise heilende oder schädigende Wirkungen entfaltet."

Die Homöopathie kann einen Arzt in die Lage versetzen, mit seinem Patienten zusammen zu entscheiden, ob ein Placebo eingesetzt wird und trotzdem eine hohe Erwartungshaltung zu erzeugen, wichtig für die Wirkung ist. Homöopathie kann eine Brücke sein, die uns zu einer die Selbstheilungskräfte des Menschen verstehenden und schätzenden Medizin verhilft. Diese Selbstheilungskräfte müssen naturwissenschaftlich verstanden werden, damit man sie gezielt fördern kann. Die Placeboforschung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der Sozialwissenschaftler Aaron Antonovski entwickelt in seinem Buch "zur Entmystifizierung der Gesundheit" das Konzept der Salutogenese, damit ist die Lehre von der Erhaltung der Gesundheit gemeint.

Ich vermute, lebte Samuele Hahnemann heute, wäre er Familienarzt mit einem großen Wissen über Psychosomatik und würde sich mit der Salutogenese beschäftigen. Ein paar Globuli hätte er sicher auch.

Links:

Stiftung Warentest zu homooepathischen Medikamenten.

Blog zu Homöopathie in der Notaufnahme.

Homöopathie und Verschwörungstheorie.

Ein nicht verblindete (die Leute wußten, dass sie ein Placebo nehmen) Placebostudie von 1965.

Studien, welche den Nutzen von Homöpathie nachweisen findet man hier:

ADHS

Chronische Erkrankungen

Kritik an einer Metaanalyse im Lancet.

Diese Links hat thinktankgirl herausgesucht und in einem anderen Blog eingestellt.

Ein Interview mit George Vithoulkas kann man hier finden.

Ausschließlich Homöopathie bei Krebs zu benutzen vertritt diese Seite (wenn ich das richtig verstanden habe. Wohingegen hier für eine Kooperation von konventioneller Medizin und Homoöpathie plädiert wird.

Weitere Links werden folgen.

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Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

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