Weltskeptikerkonferenz - Kreationismus II

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Nachdem Eugenie Scott den Kreationismus, vor allem in seiner Ausprägung in den USA beschrieben hat, widmeten sich die nächsten Vortragenden dem Kreationismus in Europa und in islamisch geprägten Staaten.

Den Unterschied von Auffassungen zum Kreationismus zwischen türkischen und deutschen Lehramtsstudenten untersuchte Dr. Dittmar Graf von der Universität in Dortmund. Über die Details spricht er unter anderem in diesem Video und ein Text des Humanistischen Pressedienstes fasst die Ergebnisse zusammen. Insgesamt zeigte sich, dass türkische Studenten kreationistischen Ideen eher näher stehen als deutsche Studenten, wo es noch ca. 10% waren. Das ist immer noch eine ganze Menge, wenn man sich überlegt, dass es sich um zukünftige Lehrer handelt. Die deutschen Studenten stehen dafür jedoch interessanterweise Wissenschaft und Technik kritischer gegenüberstanden als die türkischen.

Wie Menschen ihren islamischen Glauben und Kreationismus zusammenbringen, stellte Dr. Anila Asghar von der McGill University in den USA vor. Die Idee des Kreationismus wurde von den Evangelikalen aus den USA in islamisch geprägte Staaten importiert und dem islamischen Glauben angepasst. Man könnte es ironisch nennen, dass sich die ausgesprochenen Feinde gegenseitig befruchten, wenn man an Ironie glaubte. Konkret untersucht wurde von Dr. Asghar und ihren Arbeitsgruppe Ägypten, Pakistan, Marokko, Palästina, Iran, Indonesien, und die Türkei.

Muslimische Kreationisten haben kein Problem mit dem echten Alter der Erde und sind von vorne herein Old Earth Creationists. In pakistanischen Biologiebüchern gibt es vor dem Kapitel über Evolution eines über diese aus islamischer Sicht. Dabei haben es die Autoren geschafft, einige Suren des Koran so zu interpretieren, dass sie moderne Ideen der Evolution bestätigen. Schaut man unter diesem Aspekt in die USA könnte man das fast als Fortschritt bezeichnen.

Die Daten zu bekomme, so Asghar sei nicht trivial gewesen, weil viele der in den Ländern Kontaktierten die Befürchtung hatten, die Daten würden für das FBI gesammelt. Dr. Asghar musste um das Vertrauen der Beteiligten werben, um diese zur Mitarbeit zu bewegen.

Dieses Misstrauen begegnet auch Johan Braeckman wenn er mit jungen Muslimen über Kreationismus diskutiert. Als Philosoph lehrt er an der Universität in Ghent und verfasste seine Dissertation zum Einfluss der Evolutionstheorie auf die Philosophie. Er wird unter anderem von Lehrern kontaktiert, weil es diesen nicht gelingt, ihren muslimischen Schülern die Evolution näher zu bringen. "Evolution ist kein Glaubenssystem sondern ein Fakt"*, doch das ändert nichts an der Ablehnung junger Muslime, weil die Evolution ihrem Glauben widerspricht.

Daran hat Harun Yahya, der bei vielen jungen Muslimen in Europa sehr beliebt ist, einen nicht unerheblichen Anteil. Yahya vertreibt den "Atlas des Kreationismus", in dem, wunderschön illustriert, gezeigt wird, warum es die Evolution nicht geben kann. Die Evolution ist sozusagen der tote Paul McCartney der Kreationisten. Der Atlas wird als Serie herausgegeben, die am Ende 12 Teile haben soll. Bisher weiß niemand woher das Geld für dieses nicht billige Projekt stammt.

In den Diskussionen mit jungen Muslimen in den Niederlanden merkte Breackman schnell, dass es weniger um die Fakten ging, sondern es sich vielmehr um ein gesellschaftspolitisches Problem zu handeln schien. In vielen Staaten Europas, wenn nicht in allen, sehen Muslime sich mit Diskriminierung unterschiedlichen Ausmaßes konfrontiert. Für einen jugendlichen Moslem gehört der Kreationismus u.U. zum Islam (auch wenn er von fundamentalen Christen erfunden wurde) und damit zur eigenen Identität. Zweifelt ein Wissenschaftler wie Breackman am Kreationismus, so greift er nicht einfach ein falsches Lehrgebäude an, sondern die Identität dieser jungen Menschen. Die wissenschaftliche "Debatte"** wird so zur Fortsetzung der gesellschaftlichen Diskriminierung.

Das deckt sich mit den Aussagen Asghars, wonach die Evolution in vielen islamisch geprägten Staaten als westliche Idee abgelehnt wird. Auch hier greifen wissenschaftlich etablierte Fakten die nationale oder persönliche Identität an. Werden Menschen mit Fakten konfrontiert, die den eigenen Ansichten widersprechen reagieren diese mit kognitiver Dissonanz. Das, wie Breackman bemerkte, führt dazu, dass die Jugendlichen sich umso tiefer in ihr Glaubensgebäude zurückziehen, je mehr man versucht auf sie einzuwirken. Sie werden in den Glauben gezwungen, um das eigene Selbstbild intakt zu halten. Breackman wirkte mit Frage, wie man damit umgehen könne etwas hilflos und äußerte die Ansicht, es bleibe nur übrig, Zweifel zu säen in der Hoffnung, die Empfänger kommen von alleine auf die richtige Lösung.

In niederländischen Abschlussexamen könnten sie mit dieser Lösung allerdings wenig anfangen. Im Jahre 2005 schlug die niederländische Ministerin für Bildung Maria van der Hoeven vor, eine "Debatte***" über Intelligent Design und Evolution zu führen. Vielleicht wollte sie am Ende der Debatte endlich Fragen zum Thema Evolution, respektive Intelligent Design im niederländischen Abschlussexamen zulassen. Bisher kommt Evolution dort nämlich nicht vor. ID zum Glück auch (noch) nicht.

Das Letzte zum Schluss

Falls im Rahmen der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London ein großes Holzschiff, auf der Themse dümpelnd gezeigt werden sollte, so wird es sich wahrscheinlich um den Nachbau der Arche Noah des Niederländers Johan Huibers handeln. Sollte er panisch über das Schiffsdeck laufen, ist vielleicht eines der Tiere ausgebrochen. Breackman hat Huibers getroffen und sich mit ihm unterhalten. Zwar fand er ihn intelligent und sympatisch, konnte seinen Ideen jedoch trotzdem nicht viel abgewinnen. Er sagte, man müsse intelligent sein, um sich jeden Tag selbst von einer Idee zu überzeugen, die von Fakten eindeutig widerlegt wird.

* Wörtlich: Evolution is not a believe system, it is a fact.

** Es ist eigentlich keine Debatte, denn dafür müsste es ernsthafte Argumente der Gegenseite geben, über die man debattieren könnte. Hier geht es darum, falsche Annahmen richtig zu stellen.

*** Meine Anführungszeichen, Frau van der Hoeven meinte es vermutlich ernst.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

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