Seitdem ich 14 bin, höre ich gerne Rap. Meist deutschen Rap, phasenweise auch US-amerikanischen. Der Rhythmus, die Texte, das Gefühl – die Musik gefällt mir einfach. Das sollte eigentlich reichen. Das Problem ist nur: Ich bin weiblich. Als Frau kann man die Texte auswendig lernen, so sehr man will: Oft bleibt das Gefühl, man sei nicht die Adressatin. Besonders spürbar ist das auf Konzerten. Kann man die anwesenden Geschlechtsgenossinnen an einer Hand abzählen, fühlt man sich schnell wie eine Ausnahme. Als Frau darf man schon Deutschrap hören – nur hat man dann leider keine Ahnung, so die Botschaft zwischen den Zeilen. Jeder dahergelaufene Stefan, der gestern das Genre entdeckt hat, scheint berechtigter, sich als Fan zu bezeichnen.
Dass Fra
ls Fan zu bezeichnen.Dass Frauen im Rap unterrepräsentiert sind, ist Fakt. Auf den Hip-Hop-Festivals diesen Sommer zeigt sich das erneut. Beim Hype-Festival werden voraussichtlich nur fünf der 41 Auftritte von Frauen sein, auf dem schweizerischen Open-Air Frauenfeld waren es fünf von 61. Daneben sieht das Splash-Festival mit 21 weiblichen Acts beinahe gut aus. Allerdings traten dort auch insgesamt 121 Rapper*innen und DJs auf. Tatsächlich sind die Zahlen sogar besser als in den Jahren zuvor, und sicherlich geben sich die Veranstalter Mühe, ihre Frauenquote zu erhöhen. Nur ist die Auswahl an weiblichen Rapperinnen mager. Es gibt einfach wenige Frauen, die rappen. Das hat viele Gründe. Ein fundamentaler ist, dass Frauen sich in der Szene nicht willkommen fühlen.Ein Riesenwitz?Angefangen hat Deutschrap recht harmlos: Blumentopf und die Fantastischen Vier fielen nicht durch sexistische Texte auf, sondern durch Wortwitz und Innovation. Doch schnell läuft vieles falsch. Nicht nur, dass Rap meistens von Männern kommt, sondern dass sie Frauen oft nur erwähnen, um sie zu degradieren. Mal unterschwellig, mal offensichtlich, mal nebenbei. Dieses Phänomen ist keinesfalls nur auf den Gangsta-Rap reduzierbar. So erwägt der Gute-Laune-Rapper Cro – einer, der nicht gerade für Sexismus bekannt ist – in seinem Hit Easy seine schwangere Freundin zu erschießen, entscheidet sich dann aber doch dazu, sie sitzen zu lassen. Stumpfer offenbart der Rapper King Orgasmus One im Jahr 2003 sein Frauenbild: „Hass, Frau, du nichts, ich Mann. Fick mich und halt dein Maul.“ In den restlichen Zeilen wird es nicht schöner. Vielleicht ist das alles ein Riesenwitz, den niemand rafft. Aber egal, wie lässig und ironisch es verpackt ist: Es bleibt Misogynie. Die war vor 16 Jahren vielleicht offensichtlicher, versteckt sich aber auch heute noch in zahlreichen Tracks.Wenn Frauen dann mal selbst rappen, fällt das unter den hässlichen Begriff „Frauen-Rap.“ Klingt ein bisschen wie ein Produkt von Frauen für Frauen, in denen sie ihre Menstruation besprechen. Tatsächlich wirft man unter diesem Oberbegriff einfach sämtliche Rapperinnen weiblichen Geschlechts in einen Topf. Egal worüber sie rappen, gelten sie also erstmal als Frauen-Rapperinnen.Wollen sie sich aber nicht länger über andere definieren lassen und thematisieren ihr Verständnis von Weiblichkeit in ihren Liedern, ist das für manche auch falsch. So schrieb ein Nutzer auf hiphop.de im Jahr 2013 dazu: „Nicht, dass ich jetzt so Schmink-Rap erwarte. Aber es tut weh, dass Frauen entweder als starke Emanzen oder Sexsymbole auf sich aufmerksam machen müssen, um als Rapperin richtig durchzustarten.“ Dass Frauen rappen ist also ok – aber bitte nicht über ihr Dasein als Frau. Dieser Kommentar spiegelt die Meinung einiger Rapfans wider.Kein Wunder, dass so viele Frauen sich von Deutschrap weder angesprochen fühlen, noch Lust haben, sich den Extra-Hürden zu stellen, um ins Geschäft einzusteigen. Wenn der Eindruck entsteht, eine Szene nimmt dich nicht ernst, erübrigt sich für viele die Frage, ob man Teil davon werden will. Trotzdem gibt es Rapperinnen, die sich ihre Leidenschaft davon nicht kaputt machen lassen, beispielsweise Schwesta Ewa, Haiyti oder Juju. Sie haben sich von den Klischees emanzipiert und pflegen ihren eigenen Umgang mit ihrem Geschlecht. Oder blenden es einfach aus, was wiederum auch ein Umgang damit ist. Der Kampf hat erst angefangenBlickt man von den Kunstschaffenden zu denen, die sich mit Rap beschäftigen, kann man auch hier erfreuliche Entwicklungen entdecken. Das splash! Mag, ein deutsches Hip-Hop-Format, wurde seit 2017 bis vor kurzem von der DJ Miriam Davoudvandi geleitet. Und die prominente Hip-Hop-Journalistin Visa Vie verarbeitet in ihrem Hörbuch Das allerletzte Interview ihre Erfahrungen mit Sexismus in der Szene. Der Kurs hat sich geändert. Der Chefredakteur von rap.de, Oliver Marquart, forderte im Mai ein #metoo im Deutschrap. Künstler, die Frauen ganz selbstverständlich beleidigen, werden zunehmend zur Ausnahme. Nur sind einige dieser Ausnahmen noch sehr einflussreich in der Szene. Die Rapperin Sookee antwortete mal auf die Frage, warum so wenige Frauen rappen würden: „Ich glaube das liegt daran, dass wir in einer Gesellschaft leben, die Frauen einredet, dass sie keine Wut haben dürfen. Und für Rap braucht man schon 'n bisschen Wut.“ Trotz Besserungen – Gründe zur Wut gibt es allemal. Höchste Zeit sie zum Anlass für guten Rap zu nehmen.