Was tun, wenn‘s brennt?

Hitze In Deutschland häufen sich Waldbrände. Die Politik hat es verschlafen, die Feuerwehr darauf vorzubereiten
Auf einsamem Posten
Auf einsamem Posten

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Die deutsche Feuerwehr ist für die Extremwetterlagen der Zukunft nicht ausreichend gewappnet. Bundesinnenminister Seehofer gesteht: „Wir sind noch nicht gut genug. Und da müssen wir uns noch deutlich verbessern." Weil sie im Gegensatz zu vielen anderen die Klimaprognosen ernst nahmen, forderten Expert*innen vom Zentrum für Globale Feuerüberwachung bereits vor Jahren, dass die Feuerwehr für die Löschung von Landschaftsbränden angemessen ausgerüstet werden muss. Angesichts des größten Landschaftsbrandes, den es in Mecklenburg-Vorpommern je gegeben hat, und über 290 Bränden dieses Jahr allein in Brandenburg, wird der Ernst der Lage nun auch der Bundesregierung zunehmend klar. Eine erste Reaktion zeigte Seehofer mit einer kürzlich angekündigten Katastrophen-Task-Force. Einsatzgruppen mit spezieller Ausrüstung sollen bundesweit zur Bekämpfung von Waldbränden ins Leben gerufen werden.

Zu wenig Ausbildung, keine passende Kleidung

An Feuerwehrschulen ist das Löschen von Landschaftsbränden nur ein marginaler Bestandteil der Ausbildung. Bisher liegt der Fokus darauf, Verkehrsunfälle und Überflutungen zu räumen. Das sei ein Problem, sagt Johann Goldammer, Leiter des Zentrums für Globale Feuerüberwachung: „Deutschland ist für die kommenden Landschaftsbrände nicht hinreichend aufgestellt.“ Es fehle den Feuerwehrmännern und -frauen zudem an Erfahrung mit dieser Sorte von Bränden.

Auch die Ausstattung der Einsatzkräfte sei mangelhaft, so Goldammer. Die üblichen schweren Klamotten dienten dazu, für einige Minuten in brennende Gebäude zu gehen. Einen ganzen Tag im brennenden Wald zu verbringen sei damit jedoch nur schwer möglich. Stattdessen bräuchten die Feuerwehrkräfte leichtere Stoffe, um sich freier bewegen zu können und auch so auch an heißen Sommertagen durchzuhalten. Außerdem seien die verfügbaren Feuerwehrwagen zu groß und zu schwer, um auf Wald- und Wiesenböden zu fahren. Kleinere, geländegängigere Fahrzeuge seien da praktischer.

Der Osten ist besonders betroffen

In Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern konnte man beobachten, welchen Herausforderungen sich die Feuerwehr zusätzlich stellen muss: Wegen Kampfmitteln – Munition aus vergangenen Kriegen – waren einige Bereiche während des Feuers zu gefährlich, um dort mit einem herkömmlichen Feuerwehrwagen zu löschen. Einsatzkräfte mussten von diesen gefährlichen Zonen einen Sicherheitsabstand von 1.000 Metern halten. Mit diesen Problem sehen sich vor allem die großflächigen Länder im Osten konfrontiert, die sehr munitionsbelastet sind.

Für diese Fälle bietet sich das Nutzen von Löschpanzern, -flugzeugen oder -hubschraubern an. Von einem geschützten Raum aus können die Einsatzkräfte die Flammen löschen, ohne sich selbst dabei zu gefährden. Allerdings besitzt die Feuerwehr selbst keines dieser Transportmittel. Löschhubschrauber kann sie sich zwar von Bundeswehr und Bundespolizei leihen, Löschflugzeuge und -panzer sind hingegen nicht in Hand des Staates. Er ist hier auf Unternehmen angewiesen, bei denen er diese anmieten kann. Mit der Privatwirtschaft zusammenzuarbeiten müsse im Fokus des neuen Sicherheitskonzepts stehen, fordert Goldammer daher. Das könne sich für die Behörden finanziell mehr lohnen, als eigene Gerätschaften anzuschaffen.

Karl-Heinz Knorr, Vizepräsident des Verbands der Deutschen Feuerwehr, ist da anderer Meinung: „Der Staat darf die Privatisierung nicht vorantreiben.“ In Einzelfällen könne es zwar sinnvoll sein, bei privaten Unternehmen Löschfahrzeuge anzumieten. Aber beispielsweise Löschhubschrauber müsse die Bundespolizei selbst anschaffen, damit der Staat bei Waldbränden schnell handeln könne. In Abhängigkeiten zu geraten sei da der falsche Ansatz. Schließlich seien die Wälder die mächtigste Waffe gegen Kohlenstoffdioxid. Für Knorr ist der Fall eindeutig: „CO2-Vernichtung ist nationale Aufgabe.“

Seehofer muss sich entscheiden – am besten richtig

Eins ist klar: Um die Feuerwehr angemessen auf künftiges Extremwetter vorzubereiten, braucht es einen zentralen Plan, der den Kommunen unter die Arme greift. Seehofers Task-Force soll das bezwecken. Der Wille ist also da, fragt sich nur, ob man auch auf dem richtigen Weg ist. Knorr sähe es kritisch, sollte das Technische Hilfswerk die Aufgabe der direkten Feuerbekämpfung übernehmen: „Wir halten es für sinnvoll, die Hilfen da anzusiedeln, wo sie hingehören – nämlich bei der Feuerwehr.“ Der Bund solle sich lediglich um Finanzierung und Ausbildung kümmern. Momentan ist jedoch noch unklar, wie die Pläne des Innenministers umgesetzt werden sollen. Trotzdem bewege sich vieles in die richtige Richtung – mit Sicherheit auch – oder vor allem – wegen der verheerenden Brände seit letztem Sommer. „Wir spüren die Bereitschaft im Bund, sich konstruktiv mit der Thematik zu befassen“, so Knorr.

Auch Goldammer vom Zentrum für Globale Feuerüberwachung erkennt den Handlungswillen der Politik: „Wir unterstützen die Ankündigung Seehofers. Aber wir empfehlen der Bundesregierung, sich auf Expertenmeinungen zu stützen.“ Zur Beratung einer neuen Strategie sei das Zentrum vom Bund bisher allerdings noch nicht hinzugezogen worden.

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