In den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts ließ sich im bundesdeutschen Südwesten noch sorgenfrei träumen: Schwaben sollte zum Hightechländle ausgebaut werden. Und damit die Badener und die Kunst nicht zu kurz kämen, gewährte der damalige Landesvater Lothar Späth, das am Ende über Vetternwirtschaft gefallene „Cleverle“, den Karlsruhern kurzerhand ein wohlbestalltes Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Das meist kurz ZKM genannte Haus feiert an diesem Wochenende seinen zwanzigsten Geburtstag.
Es ist eine nicht nur spannende sondern auch wichtige Frage, wie es mit so einer innovativen Institution eigentlich weitergeht. In den Konzepten ihres Gründungsvaters Heinrich Klotz sollte das ZKM als ein Bauhaus des 21. Jahrhunderts
ngsvaters Heinrich Klotz sollte das ZKM als ein Bauhaus des 21. Jahrhunderts firmieren, internationales Avantgardelabor und kreative Plattform zur Auseinandersetzung mit neuen und alten, digitalen und analogen Medien sein. Bis heute besitzt es als solches in der Medienszene einen guten Ruf. Es gab einige spektakuläre Ausstellungen und Veranstaltungen mit internationaler Resonanz: Die „MultiMediale“-Festivals vor der Eröffnung des Standorts in den ehemaligen Munitionsfabrikhallen sind legendär, ebenso die Ausstellung „Mediascape“ im New Yorker Guggenheimmuseum 1996, oder „Iconoclash“ 2001.Doch die Mehrzahl der Unternehmungen sackten ab, Ausstellungen des ZKM blieben in der Provinz – so fand nicht nur die ambitionierte Schau "Vertrautes Terrain" zur bundesdeutschen Kunst seit 1945 im Jahr 2008 keinen Kooperationspartner. Wichtige Medienkünstler fanden in Karlsruhe keinen Platz, so zum Beispiel dokumentaristische Kunst von Hito Steyerl, Ursula Biemann oder Jeremy Deller. Aber auch im Kerngeschäft, die kreative Entwicklung und Reflexion neuer Medien auf ihre ästhetische wie gesellschaftliche Relevanz, klaffen Anspruch und Wirklichkeit, Inhalt und Form auseinander.Digitale MedienMan hat in der Weiterentwicklung digitaler und softwarebasierter Medien einiges geleistet und gezeigt, was Staunen macht. Interaktive 360°-Panoramaprojektionen der Wooster Group oder von Robert Darroll und Sean Reed, verblüffend auch die interaktiven Installationen wie Beyond Pages 1995 von Masaki Fujihata.Der zum User erklärte Betrachter konnte sich dabei oft die Frage stellen, ob sein Erlebnisgewinn den ganzen Aufwand rechnet. Der australische Künstler, Kurator und langjährige Leiter des Instituts für Bildmedien Jeffrey Shaw installierte 1995 in „The Golden Calf“, einen LED-Monitor auf einem Sockel, den der Betrachter in die Hand konnte. Durch seine Bewegungen war es ihm möglich ein virtuelles goldenes Kalb von allen Seiten auf dem Bildschirm zu betrachten, als wäre es real auf dem Sockel. Shaws Installation ist ein geglücktes Beispiel dafür, wie technischer Aufwand und Aussage korrelieren, eine Korrelation, die man bei vielen der in Karlsruhe entwickelten Arbeiten vermisst.Man mag sich darüber freuen, dass man die eine oder andere Software zur Unterstützung eines Eye-Catcher auf High-Tech-Messen wieder sieht. Doch auf die Frage warum alles Kunst sein soll, wo ZKM draufsteht, bleibt man in Karlsruhe die Antwort meist schuldig. Technikverliebt und auf poststrukturalistische Diskurse der 1990er Jahre versessen, hat man sich in den letzten Jahren kaum mehr um inhaltliche Fragen und Profilierungen gekümmert.Und für das Konzept des Hauses wiegt dazu entscheidend und nachhaltig: Die postulierte Zusammenarbeit mit der parallel zum ZKM eingerichteten Hochschule für Gestaltung und die erwarteten Synergieeffekte sind in Ansätzen stecken geblieben. Verjüngung und neue Debatten könnten von hier kommen. Doch stattdessen schmort man im eigenen Saft. Von einem neuen Bauhaus ist das ZKM weit entfernt geblieben.Bewahrung der ZukunftUnd auch auf kreativer Ebene hakt es gewaltig. Zwar gibt es ein Artist-In-Residence-Programm. Aber zu welchen Bedingungen und Voraussetzungen Gastkünstler an das ZKM geladen werden, ist undurchsichtig. Genaue Informationen zur Bewerbung sucht man auf der ZKM-Web-Site seit Jahren, mit der Notiz vertröstet „Nähere Hinweise finden Sie in Kürze an dieser Stelle“, vergeblich.Zur Institutionskritik ist man in Karlsruhe – wohl nicht nur aus lauter Feierlaune – vorerst nicht in Stimmung. Nicht nur bei der Informationspolitik zur Vergabe von Arbeitsstipendien zeigt sich das ZKM lax: Bis zur gestrigen Pressekonferenz fehlten Werk- und Künstlerlisten. Und der Text zur Jubiläumsausstellung – ganz im Geist es Hauses wird eine Vorstellung der Vorstellung, „imagining media“, angekündigt –, raunt zur Aufgabe des ZKM etwas von „Bewahrung der Zukunft“. Museal Bewahren lässt sich die Vergangenheit. Das ist auch seine Aufgabe. Doch die Institute und Laboratorien haben Zukunft zu gestalten, einen produktiven Rahmen herzustellen. Sonst gehen hier die Lichter aus.Also erstmal Hoch-die-Tassen mit Bürgerfest bei freiem Eintritt. Bei allem Bohai macht sich die Prominenz aus Medienkunstszene und Politik allerdings verdächtig rar. Als ob dieser Mangel gleich dreifach ausgeglichen werden müsste, tritt an diesem Abend einer gleich dreifach ins Rampenlicht, ans Rednerpult und auf die Bühne: der Vorstand und Leiter des ZKM, Peter Weibel.Vor der Eröffnung bekommt er einen Preis, dann spricht er zur Eröffnung und dann macht er Musik und Licht in einem Klangdom. Nach dem frühen Tod des Gründungsdirektors Heinrich Klotz 1999 leitet Weibel das ZKM bis heute und nach einer Vertragsverlängerung im vergangenen Jahr auch noch bis 2014. Weibel wird dann siebzig und man kann sicher sein, dass zu diesem Anlass auch ein viertel Jahrhundert ZKM gefeiert wird. Ob es sich allerdings lohnt, dann nach Karlsruhe zu fahren, wird sich zeigen.