Nichts ist verloren, nur alles nicht da

Ausstellung Das neue Athener Akropolismuseum ist atemberaubend, auch ohne die "Elgin Marbles". Oder vielleicht gerade deswegen.

Seit Jahren glänzt der schwarze Kubus des Neuen Akropolismuseums in der Athener Sonne. Dass der modernistische Bau am südlichen Fuß des Akropolisfelsens in Sichtweite zum Parthenon-Tempel jemals eröffnet werden würde, daran glaubten irgendwann selbst die berufsbedingt optimistischen Souvenirhändler an der Dionysiou-Areopagitou-Straße nicht mehr.

Nun ist es soweit. Am 20. Juni findet der offizielle Festakt zur Eröffnung statt. Tags darauf dürfen die Ersten für einen Euro Eintritt über ein Museum staunen, das schon von der Lage und Architektur seines Gleichen sucht. Damit wird eine lange Planungsphase mit insgesamt vier Architekturwettbewerben seit 1976 und, nachdem 1999 Bernhard Tschumi den letzten Wettbewerb gewonnen hatte, eine zehnjährige Bauzeit abgeschlossen.

Eigentlich ein Grund zum Feiern. Der Direktor des Neuen Akropolismuseums, Dimitrios Pandermalis, gibt sich aber zurückhaltend: „Es ist nichts verloren. Es ist nur nicht anwesend.“ Gemeint sind die weltberühmten Elgin Marbles, für die man das Haus eigentlich errichtet hat. Die osmanische Regierung gestattete 1801 dem britischen Gesandten, Thomas Earl of Elgin, die klassischen Giebelfiguren und einen Großteil des Cellafrieses vom Parthenon zu demontieren. Auch eine Kore des Erechtheions tourte durch das Königreich, bevor die Antiken 1816 – damals auch in England umstritten – dem British Museum übergeben wurden. Dort bilden die Elgin Marbles bis heute einen Höhepunkt der Schau. Mit der Errichtung des Neuen Akropolismuseums verband sich unmittelbar die Forderung nach Rückgabe der Stücke. Doch weder diplomatische Bemühungen, Hinweise auf das vereinigte Europa, noch das Athener Bauwerk brachten Erfolg.

Das Neue Akropolismuseum ist dennoch atemberaubend. Das im Sockel abweisend wirkende Museum erhebt sich auf durch Bodenfenster sichtbaren Resten eines antiken Handwerkerviertels. Sokrates soll hier philosophiert haben. Wenn man vom Foyer hinauf über die Rampe wie auf einem Prozessionsweg in die erste Halle schreitet, begegnen einem frühklassische und archaische Skulpturen, monumentale Löwenfiguren, Knaben und Priesterinnen, Weihgeschenke aus dem so genannten Perserschutt, von den Invasoren Xerxes zerstörte und von den Griechen verbaute Figuren, die lange nach Lord Elgin aus dem Akropolisboden geholt wurden.

Schon in dem 1874 auf der Akropolis eröffneten Museum, waren die in Athen verbliebenen Reste des Cellafrieses und einige Metopen ausgestellt. Mit neueren Funden wurde es rasch zu voll und schließlich geschlossen. Nun sieht man im rundum verglasten vierten Obergeschoß, das den Grundriss des Parthenon eins zu eins aufnimmt, wieder den gesamten Fries und die Metopen. Die Reproduktionen der Londoner Stücke sind mit hellem Komposit-Marmor gegen die Originale abgehoben, samt Giebelfiguren, so dass der Eindruck entstehen kann, es seien hier die Originale zu sehen.

Wie immer man zu Restitutionsfragen stehen will, hier haben sie zu einem bemerkenswerten Museumsbau geführt, dem es nicht schadet, dass die Originale in London verbleiben. Verzichtete man noch auf die Präsentation ihrer Kopien, wäre mit den vorhandenen Altertümern gegen jede Sensationslust ein idealer Geistraum der Antike geschaffen. Max Glauner

Neues Akropolismuseum. Athen. Ab 20. Juni. http://www.newacropolismuseum.gr

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