Valie Export inszeniert auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie: Zigarette cool im Mundwinkel, das Haar auftoupiert, den linken Arm an die Hüfte gelegt, während der rechte wie in der Reklame eine Zigarettenschachtel, entgegenstreckt: Die bis heute im Design unverändert gebliebene österreichische Prolmarke Smart EXPORT - »semper et ubique« »immer und überall« in der Losung. Da und überall ist hier jedoch VALIE EXPORT; ihr Schriftzug überschreibt den der Marke Smart, ihr Porträt ersetzt den Globus im misè en abîme der Verpackung. Die Marke, der Fetisch transformiert zum individuellen Logo der Künstlerin, die gleichwohl hinter ihrem Produkt ambivalent und verborgen bleibt.
Das Selbstporträt der 1940 im oberöste
im oberösterreichischen Linz geborenen Medien- und Performancekünstlerin, Filmemacherin und Theoretikern Valie Export - ein Akronym auf den Taufnamen und die Verheißung auf Abenteuer, Entdeckung und große Welt - führt paradigmatisch die subversiven Strategien medialer Um- und Überschreibung vor, die Vorgefundenes aufnehmen und zu einem eigenen Ausdruck transformieren.Sie steht programmatisch am Auftakt der umfangreichen Werkschau, die von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in der Berliner Akademie der Künste kuratiert wird.Valie Export immer und überall: Noch nie wurden, wie jetzt geschehen, an diesem Ort einer Künstlerin alle Ausstellungssäle eingeräumt, - allein schon darin würde sich die Bedeutung ihrer Kunst zeigen, die sich immer als gesellschaftlich-politisch motivierte verstand, als Kritik an gemeinhin für selbstverständlich hingenommene Repräsentations- und Codierungsweisen der gesellschaftlichen Felder.Dabei legen die Arbeiten der Absolventin einer Linzer Hochschule für Design von Anbeginn ihr Augenmerk auf die Schnitte, Brüche und Übergänge, zwischen Innen und Außen, Realem und Symbolischem, dem Körper und dem Bild. In Bezug auf das im Kontext der Wiener Aktionisten Ende der sechziger Jahre entstandene Projekt des Expanded Cinema beschrieb Valie Export ihr Verfahren als ein »Aufbrechen der Naht« zwischen Film, Leinwand und Betrachter: »In den Zwischenräumen findet das Ereignis statt, in den Schnittstellen - in den Schnitten erkunden sich die Medien, erkunden sich die Bilder.«Der Riss im Text- und Sprachgewebe, zerschnittene Texturen, das Schneiden, der Schnitt als Ort des Realen zeigen sich als zentrales Themenfeld und Ferment ihrer Arbeit. So erscheint das »reale« Gesicht auf dem Schwarz-Weiß-Porträt nicht als »ganzes«, sondern wird durch die Nahsichtigkeit von Arm und Zigarettenschachtel angeschnitten, während das Foto im Label einem Totem gleicht, der entgegenruft: Ich bin es nicht, die sich da zeigt!Exports Verfahren unterwandern die mediale Konstruktion patriarchaler Machtverhätnisse insbesondere deren Bilder vom weiblichen Körper, den männlichen Blick. Ihre Aktion Tap und Tastkino, bei der der zum Publikum der Kunst erklärte Passant über einen Kasten Exports Brüste fühlen durfte, während er ihr in ihre Augen blicken musste, gehört ebenso zur medienkritischen Ikone wie ihr Poster Aktionshose: Genitalpanik von 1968: direkter Blick, Wuschelhaar und Uzi im Anschlag scheint sie die gesamte RAF-Ästhetik zu amalgamieren und zugleich zu konterkarieren, denn die Jeans der breitbeinig Sitzenden ist im Schritt so aufgeschnitten, dass sie deren pralle Schamhaarpracht präsentiert.Exports Schnitte in Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster zeigen sich meist spielerisch, nie belehrend und halten den Betrachter ironisch auf Distanz oder fordern ihn zur aktiven Rezeption auf, in dem Maß wie sich die Künstlerin als Subjekt zurückzieht und ihren Körper zum (Untersuchungs-) Material erklärt. In ihrer Arbeit Adjungierte Dislokationen von 1973 schnallt sich Valie Export zwei Kameras auf Rücken und Bauch und lässt sich dabei filmen. Die gedrehten Filme werden zugleich auf eine Wand projiziert und obwohl sie selbst im Zentrum der Aktion steht, gibt keine der drei Einstellungen ihren subjektiven Standpunkt wieder.Um die starre Ordnung von passivem Publikum hier und Filmleinwand dort zu markieren und zu überwinden, dreht Valie Export 1968 den Film mit dem Titel Ping Pong. Zu sehen sind nur wechselnde schwarze Punkte. Dem Publikum wird mit zwei Tischtennisschlägern die Handlungsanweisung gegeben, die zur Verfügung gestellten Bälle an die Leinwand auf die erscheinenden Punkte zu spielen.Der aggressivste Schnitt in Exports Arbeiten stellt der Schnitt ins eigene Fleisch dar: In der Arbeit Remote Remote von 1973 schneidet sie sich mit einem Stanleymesser in die Nagelhaut bis Blut auf die Kameralinse spritzt. Doch der hier übertragene Schmerz - so will ein Polizeifoto misshandelter Kinder im Hintergrund der Szene zeigen - ist nichts im Vergleich mit dem »realen« Schmerz, den Kinder täglich ertragen müssen, und der weder öffentliches Bild noch Stimme besitzt.Wie hier den Sprachlosen im künstlerischen Statement Stimme verliehen wird, setzen Valie Exports Arbeiten an Phänomene und Handlungen an, denen die Möglichkeit des Ausdrucks weitgehend entzogen bleiben. Die Arbeit Der Schrei von 1994 visualisiert drei Ebenen der Sprachbehinderung in einer Videoinstallation - buddhistische Schriftzeichen verfolgter Mönche, die Glossolalie psychisch Kranker und das Japsen der am Schrei gehinderten Künstlerin.Wie in der Aktion Asemie in der die Künstlerin sich und einen Vogel mit flüssigem Wachs fixiert und schließlich mit dem Messer im Mund aus der Starre befreit, entziehen sich die Arbeiten Exports einer direkten Übersetzung, sondern setzen auf eine Öffnung des Materials, in seinen Ausdrucksmöglichkeiten. So werden in der Ausstellung zu ihren Aktionen keine überkommenen Relikte präsentiert, die das vergangene Ereignis in einem auratisch besetzten Werk präsent werden lassen. Vielmehr wird dem Betrachter die Mühe abverlangt die Aktion aus den Videomitschnitten, Fotos und Beschreibungen in ihrem Dazwischen zu rekonstruieren. Dass die Ausstellung das Werk weder chronologisch noch nach Werkgruppen, sondern in sechs Themenkreise ordnet, machen die Schnitte und Übergänge im Werk der Valie Export zum Ereignis, immer und überall.Valie Exports mediale Anagramme. Akademie der Künste, Berlin, noch bis zum 9. März 2003, Katalog: 24 EUR