K.I.Z. treffen, so stellte ich es mir vor, ist ein bisschen wie in der Pause mit den coolen Jungs aus der Oberstufe rumhängen, die einen immer verarschen und die man so gern von der eigenen Coolness überzeugen möchte. Auf dem Schulhof hatten wir uns 2007 immer wieder die K.I.Z.-Zeile „Du bist ein Spasst, ich bin kein Spasst“ an den Kopf geworfen, der Fäkalhumor der Texte wurde noch mehr gefeiert als die Gesellschaftskritik, die manch einer nicht sofort verstand.
Maxim, Tarek, Nico und DJ Craft sitzen auf der Terrasse eines Kreuzberger Lofts, tragen kurze Hosen und Sonnenbrillen, die sie zum Gespräch abnehmen. Vorher habe ich mich gefragt, ob ich ein Böhses Mädchen sein muss, um ernsthafte Antworten von den vieren zu bekommen. „’ne echte Schlägerbraut, die von der Schule fliegt, weil sie sich mit Lehrern haut“, wie die Kannibalen in Zivil in einem Song rappen. Dann habe ich zu meinen Nike Air Max doch einen Bleistiftrock kombiniert. Und war selber überrascht, wie schnell wir klären konnten, ob ich das Gespräch mit rotem Kopf verbringen werde. Was sie gern mal von Journalisten gefragt werden würden, beantwortet Nico mit: „Willst du mit mir schlafen?“ Stundenlanges K.I.Z.-Youtube-Video-Schauen hat mich gelehrt, dass so ein Satz irgendwann fallen muss. Nach meinem Nein haben wir den Schulhof hinter uns gelassen.
Topmanager wegsnipern
„Ich bring euch alle um“, heißt es in der ersten Single Boom Boom Boom des neuen K.I.Z.-Albums. Der Song attackiert den Mittelstand, der die gesellschaftlichen Probleme lieber verdrängt, im Video übersetzen sie das in Szenen, die an die Propaganda des IS und des Ku-Klux-Klans erinnern. Sie wollen offensichtlich ein Publikum schockieren, das nichts mehr schocken kann, hantieren mit Maschinengewehren, werden gefoltert und erhängt. „Was ist politische Meinung und was Anstiftung zum Terrorismus?“, kommentierte die Welt das Video. Maxim nervt, dass harte Gewalt ein Tabu ist: „Es gibt Leute, die sagen: ‚Nee, ich will keine Waffe anrühren, ich bin Pazifist̒. Das sind die Gleichen, die unsere Gesellschaft prima finden. Da steckt irgendwie die Illusion dahinter, dass dieses System ohne Gewalt stattfindet. Dabei übersieht man die Gewalt, die immer da ist, in Gestalt von Polizei, Gefängnissen, Richtern.“
Doch die Konfrontation mit Gewalt ist das eine, IS-Foltervideos zu imitieren etwas anderes. In gewisser Weise huldigt es der Medienstrategie der Terrormiliz. Ein Aufruf zum Terrorismus ist das Video sicherlich nicht, eher ein Schrei nach Aufmerksamkeit. Es erzeugt auch bei denen Unbehagen, die sonst sofort nicken würden, wenn sie von den „Partypatrioten“ rappen, die nur „weniger konsequent als die Hakenkreuzidioten“ sind, die „selber noch ein paar Ausländer töten, anstatt jemanden zu bezahlen, um sie vom Schlauchboot zu treten“. Boom Boom Boom war in den 90ern ein Partylied der Vengaboys. Diese Welt kann man nur noch im Rausch nie endender Partys betäuben oder verhöhnen. Die Rapper von K.I.Z. tun jetzt beides.
Gedisst wird weniger und mehr erzählt. „Wenn das Thema ,Ich bin cool, und du bist scheiße̒ wegfällt, fallen auch die Schimpfwörter weg“, sagt Nico. Und Maxim: „Die Absicht war, Themensongs zu machen. In dem Thema Fotze war irgendwie nicht so viel drin.“ Früher, als es noch „it’s raining Fotzen“ hieß, sagte er mal in einem Interview, ihre Texte seien nie menschenfeindlich gemeint, sondern ein Mittel, um verschleiernde Sprache zu illustrieren. Viele Rapper umgingen solche Worte, so käme deren frauenverachtendes Zeug ins Radio.
Am Eingang des Lofts hat jemand eine Kulisse mit Spielzeuggewehren und einem Banner mit ihrem Notenständer-Emblem aufgebaut: Der Penis, auf dem ein Notenschlüssel zu sehen ist, wird jetzt von Palmen gesäumt, über ihm prangt das Auge der Vorsehung, unter ihm sieht man zwei Maschinengewehre. Göttliche Allmacht trifft auf militärische Autorität, und das im Urlaubsmodus. Schwer vorstellbar, dass die „Erfinder von deutschem Humor“, wie sie sich nennen, hier mit ihren Waffen posieren. „Revolution steht erst mal nicht an“, sagt Maxim, „obwohl es gute Gründe gäbe, diese Situation abzuschaffen.“ Kollege Tarek ergänzt: „Wenn wir nicht gerade zu beschäftigt sind, bin ich auch bereit, in den Untergrund zu gehen und den einen oder anderen Topmanager wegzusnipern. Auch ehrenamtlich!“ Wenn alles den Bach runtergeht, bleibt also nur noch die Satire? Für K.I.Z. ist dem so. Das eigene politische Engagement beschränkt sich auf die Mitgliedschaft bei Die Partei, für die Nico und Maxim auf „irgendeiner Liste“ stehen.
Seit dem ersten Album sind zehn Jahre vergangen. Zumindest die Fans sind erwachsen geworden. Sie stehen heute nicht mehr auf dem Schulhof und rufen: „Ich mach Party auf deinem Grab!“ Hurra die Welt geht unter wird dem gerecht. Im Video zum gleichnamigen Song rudern die vier Rapper nach dem Weltuntergang über die Trümmer von Banken und politischen Machtzentren, verbrennen 100-Euro-Scheine im Lagerfeuer und zeigen, wie nach dem Boom Boom Boom eine Utopie naht, in der man alles teilt. Diesen Traum nehmen die vier Rapper irgendwie sehr ernst. Auch wenn sie das so nicht sagen würden.
Info
Hurra die Welt geht unter K.I.Z. Universal 2015
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