Natur hat nichts mit Harmonie zu tun

Zoo Abseits klassischer musealer Instiututionen: Ein Naturkundemuseum auf Kampnagel gedenkt ausgestorbener Tierarten auf einer Gesamtfläche von 400 qm

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Natur hat nichts mit Harmonie zu tun

Foto: MHMK

Jozef Wouters meint, dass unsere bildliche Vorstellung von dem komplexen Ganzen, was wir Ökologie nennen, problematisch ist. Naturhistorische Museen und Zoos präsentieren uns Bilder voller Harmonie. Harmonie, die wir durch die Art wie wir leben und die Dinge die wir tun, zerstören. Wir nehmen das an. Dabei hat die Natur weder was mit Harmonie, noch mit Schuld zu tun. Das wird im zoologischen Institut für kürzlich ausgestorbene Tierarten gezeigt. Es ist ein Vorschlag an naturhistorische Museen, indem Schuld mit Zweifel ersetzt wird. Und eine Kritik an Entscheidungen die getroffen werden, ohne die Konsequenzen zu kennen.

In der Ausstellung wird das Beispielsweise mit einer Tafel gezeigt, die voller Bilder von Vögeln ist. Sie erzählt uns von dem Moment in der Geschichte, als ein englischer Mann in New York die schöne Geste machte Amerika alle die Vögel vorzustellen, die Shakespeare in seinen Werken beschreibt. Am 27. November 1847 ließ er 60 Stare im Central Park frei. Heute gibt es 200 Millionen Stare in Amerika und sie stellen eine riesige ökologische Krise dar. Aber der Mann, der den Wunsch hatte Amerika diese Vögel zu zeigen, weil er meinte, dass sie ohne diese Vögel nicht leben könnten, hat er Schuld? Es war eine Entscheidung, bei denen er die Konsequenzen nicht kannte.

Genau so funktioniert das Institut für kürzlich ausgestorbene Tiere am Theater Kampnagel. Einzelne Momente in der Geschichte des Menschen und des Tieres werden zum Symbol für eine riesige Problematik, die für die meisten Menschen nicht nur immer noch unverständlich ist, sondern auch immer unverständlicher wird: Ökologie. Im Museum am Kampnagel werden diese Momente mit einzelnen Gegenständen dargestellt, die mit Geschichten, Fotos, kleinen Filmen und Audio-Beilagen ergänzt werden. So findet man beispielsweise eine Statue von einem Wolf, die Augen einer besonderen Ziegen-Spezies und eine kleine Figur eines Wals und eines Kanus. Während in den meisten Museen Erklärungen gebraucht werden, um den Kontext auch sicher zu verstehen, ist bei diesem möglichen naturhistorischen Museum ein besonderer Einblick in den Kopf des Kurators nötig, um 34 ausgestellten Momente, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, Mensch und Spezies und die Aufforderung zu verstehen, die das Institut an die naturhistorischen Museen macht.

Früher schickten die Museen Jäger aus, die unbekannte Tierarten jagen sollten, um sie auszustopfen und mit ins Museum zu nehmen. Auf diese Weise konnten Menschen in die Augen eines Tieren schauen, dass ihnen unbekannt war. Jetzt dürfen die Museen nicht mehr jagen gehen, aber das zoologische Institut für kürzlich ausgestorbene Tierarten fordert sie dennoch dazu auf: „Right now I cannot understand ecology, really, I cannot get my head around this whole complex problem which I don’t see, which I hear of. I think the natural history museum should send out hunters again to hunt for images of ecology right now.”

Jozef Wouters, der Kurator des zoologischen Instituts für kürzlich ausgestorbene Tierarten bietet kurze Führungen an, in denen er ausgewählte Geschichten aus dem Museum erzählt und erklärt. Wenn man sich einen Augenblick damit auseinandersetzt, den Gedanken, die Kritik und vor allem den Gegenvorschlag erkennt, dann verlässt man das Institut mit angeregten Gedanken und möglicherweise einer neuen Sicht auf Ökologie, Harmonie und Schuld.

Mehr zum Thema: Interview mit Jozef Wouters http://liveartfestival.wordpress.com/2013/06/07/34-exact-moments-our-natural-history-as-a-series-of-doubt/

Dieser Beitrag entstand im Rahmen eines Studentenprojektes derMacromedia Hochschule für Medien und Kommunikation unter der Leitung von Dozentin Simone Jung. Sechs Studentinnen des Studiengangs Kulturjournalismus bloggen noch bis zum 15. Juni über das Live Art Festival"ZOO 3000: Occupy Species" auf Kampnagel aufliveartfestival.wordpress

Kim Bowman
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Geschrieben von

MHMK Kulturjournalismus

Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) Studiengang Kulturjournalismus, Seminarleitung Simone Jung

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