1. Mai, Berlin und das MyFest: Lieber Party und Geschäfte als Politik

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Die Kreuzberger hatten die Gewalt satt. Schon seit einigen Jahren gibt es also am 1. Mai zwischen Mariannen- und Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg das sogenannte MyFest. Zuerst eine Präventionsmaßnahme. Würstchenbraten, Dürüm, Bier in Plastebechern und unbeschwerter Multikulti-Sound gegen brennende Autos, zerdroschene Fensterscheiben und nächtewährende 'reclaim-the-street' - Spiele im Gefolge einer suspekten "Revolutionären 1. Mai Demonstration".

Nun, man kann mit allem Recht die Ziel- und Schlagrichtung der alljährlichen Randale infrage stellen. Politischer Protest, der aus Sicht radikaler Linker freilich nicht handzahm daher kommen kann, verkam offenbar zu einer Tradition lustig-abenteuerlichen Straßenkampfes. Motive mussten nicht mehr her - die Klopperei mit der Staatsgewalt war die notwendige Ergänzung eines 1. Mai-Abends in Berlin.

Nun hat Kreuzberg also eine Gegenmacht geschaffen. "Mein Fest" ist das Bekenntnis der Anständigen.

Doch Moment - haben wir nicht eigentlich den 1. Mai? Nicht einen Kampf- und Feiertag der Arbeitenden oder derer, die gerne arbeiten würden?

Nichts gegen ein Bekenntnis gegen sinnlose Gewalt. Aber ein Gegen-Fest, dass jede politische Äußerung, die einem 1. Mai zustünde, beiseite wischt? Sozusagen ein beliebiges Volksfest nach Berliner Art? Gute Geschäfte gibt es obendrein - und wenn es ein erhöhter Aussichtspunkt für Fotografen ist, den man für 1 € an Schnappschußwillige vermietet. (im letzten Jahr habe der findige Geschäftetreiber damit gut 200 € gemacht)

Nun muss man den 1. Mai freilich nicht ausschließlich als Aufforderung zu strenger Demonstration verstehen. Nichts spricht gegen den Würstchenstand und Musikbühnen. Das MyFest aber hat gar nichts von der Tradition des 1. Mai. Es ist genaugenommen ein Affront gegen den politischen Charakter dieses Feiertags. Es wird von Politikern und Medien als gelungene Demonstration gegen Gewalt gepriesen. Der dort nun "anständig und friedlich" Feiernde ist für den Moment bequem, apolitisch und versprüht und verspürt die leichte Berliner Frühlingsluft der noch kommenden Strassenfeste. - Die bürgerlichen Kreuzberger können dann ja wieder ihre Bürgerversammlungen gegen lärmende Touristen im nahezu vollständig gentrifizierten Wrangelkiez abhalten.

Die Medien, zunächst der lokale RBB, haben jedenfalls ihren Spaß daran - so läßt sich wieder ein schönes Bild vom hippen und sexy Berlin zeichnen. Vorausgesetzt, die "Störer kommen nachher nicht noch hier rüber" (so Reporter Ulli Zelle live vom MyFest in der RBB-Abendschau).

Immerhin fegte heute, einem Pflug gleich, ein kleiner Demonstrationszug gegen Mietwucher und Gentrifizierung durch das dolce vita und das Business des MyFests.

Dieser Blog mag nicht höchsten Ansprüchen genügen und allzu subjektiv klingen. Er wurde aus 'dem Handgelenk' und einer leichten Wut geschrieben. Auf dem letzten Stand der Dinge heute in Kreuzberg bin ich auch noch nicht. All das möge man mir nachsehen!

Aus Berlin, miauxx

Ach so, noch einen Link zur Berichterstattung des RBB:

tinyurl.com/429pm9j


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Geschrieben von

miauxx

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