Wir sind Zeuge eines Machtkampfs in der AfD, und wenn nicht alles täuscht, dürfte der „Flügel“ um Björn Höcke den Sieg davontragen. Ein prominenter deutscher Philosoph geht sogar noch einen Schritt weiter: „Wenn mein Eindruck richtig ist, dann hat der sogenannte harte oder radikale Flügel gesiegt.“ Kleiner Scherz am Rande, das Zitat stammt aus einem Vortrag von Theodor W. Adorno, den jener 1967 gehalten hat. Der „Flügel“ gehörte damals der rechtsextremen NPD an. Aber Adorno machte klar, dass derartige Flügelkämpfe in rechten Gruppierungen eine verblüffende Konstanz haben und sich in den Machtkämpfen innerhalb der NPD etwas von dem wiederholte, was sich vor 1933 in den Machtkämpfen zwischen Deutschnationalen und Nationalsozialisten gezeigt hatte. Rechts gilt: Das Radikale siegt immer.
Es ist ein Glücksfall für die deutsche Öffentlichkeit, dass der Suhrkamp Verlag diesen vermeintlich verstaubten, über ein halbes Jahrhundert alten Vortrag des legendären Sozialphilosophen nun als Büchlein herausgebracht hat. Was Adorno an Aspekten des neuen Rechtsradikalismus aufzeigt, ist nicht nur von einer verblüffenden Aktualität, sondern auch von einer Subtilität in den Beobachtungen, die man in vielen aktuellen Publikationen zur Rechten dann doch vermisst. Es ist eine jener Schriften, hinter deren Sätze man ständig ein Ausrufezeichen setzen möchte. Das fängt an mit Beobachtungen zur eigentümlichen Zahlenfixiertheit der rechten „Propaganda“ (wie Adorno es nannte), führt über die „Wut“, die sich primär im „kulturellen Sektor“ austoben kann, weil etwa außenpolitisch dann doch die Macht fehlt, bis hin zum Gedanken, in der Rechten zeige sich eine „Antizipierung des Schreckens“, die eine leider pervertierte hohe Sensibilität für eine drohende soziale und ökonomische Katastrophe verrate.
Untergangsphantasie
Die entscheidende Differenz zur marxistischen Zusammenbruchstheorie besteht in den Augen Adornos darin, dass der Rechtsradikale das Unheil unbewusst herbeiwünscht. Wem das zu viel psychoanalytische Deutelei ist, der sei gefragt, wie man dasberüchtigte Höcke-Zitat „Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp“ eigentlich anders deuten soll als mit einer Untergangsfantasie, die im Übrigen für eine frühere Phase des Rechtsextremismus ja sehr gut dokumentiert ist.
Was vermag hier der Appell an die Vernunft? Nichts, das wusste schon Adorno, der auf die Konfrontation mit den „Konsequenzen“ setzte: Man muss den Verführbaren ihre eigene Auslöschung vor Augen führen. Aber vielleicht kommen wir noch einmal glimpflich davon. Vielleicht sind einem durchschlagenden Erfolg des „Flügels“ Grenzen gesetzt, die wiederum mit einem von Adorno betonten Grundprinzip rechtsradikaler Politik zu tun haben: Alles sei hier an das „Schema der autoritätsgebundenen Persönlichkeit gebunden“. Auf gut Deutsch: Ohne Führer geht nichts. Nun liest man zwar, dass auf dem „Kyffhäuser-Treffen“ des „Flügels“ der Personenkult gefeiert wurde und Rufe wie „Du bist unser Anführer, dem wir gern bereit sind zu folgen“ laut wurden. Aber es bleibt zu hoffen, dass der Anspruch auf Führerschaft in der Rechten abermals verfehlt wird. Anders gesagt, Höcke könnte sich rasch als ein weiterer Tile Kolup erweisen, der sich als neuer Kaiser Barbarossa (der im Kyffhäuser schläft) ja bloß ausgab. Aber um so zu enden, müsste man an diesen Deutschland-du wirst-erwachen-Budenzauber ja überhaupt erst glauben.
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