Letzte Woche durfte man an dieser Stelle eine beherzte Meditation über Hegel lesen, die in einem flammenden Bekenntnis zur Freiheit der Menschheit mündete, als das nicht nur Hegel das Endziel der Geschichte begriff, aus dem auch der Freitag seinen Ethos schöpft. Inspiriert wurde die Kolumne natürlich durch unsere exklusive Adresse – den Hegelplatz 1. Vielleicht ist an dieser Stelle interessant zu erfahren, dass der Freitag zwar am Hegelplatz 1 sitzt, aber nicht im Hegelhaus. Sondern im Hufelandhaus. Leider fällt mir zu Hufeland nichts ein.
Es wird nicht gerne gesehen, wenn einem Journalisten nichts einfällt. Man muss schon eine überragende Ausnahme sein und zur richtigen Zeit wirken, um unter Beifall sagen zu können: Dazu fällt mir nichts ein. Eine solche Ausnahme war Karl Kraus, dem der Spruch zugeschrieben wird „Zu Hitler fällt mir nichts ein“. Der Satz gilt als einer der tiefsten über Reich und Führer, ersetzt ganze Bibliotheken. Aber er ist nicht beliebig reproduzierbar. Der Satz „zu Trump fällt mir nichts ein“ zum Beispiel empfände man zu Recht als vermessen. Andererseits würde ein Satz wie „Zu John Major fällt mir nichts ein“ als banal empfunden – Major gilt als der langweiligste englische Politiker ever – oder vielleicht auch als läppisch, weil: Gibt es irgend einen Anlass gerade jetzt über John Major nachzudenken?
Nein. Darum eine paar Einblicke in unseren Redaktionsalltag. In den Konferenzen diskutieren wir die relevanten Themen, die wir gerne beackert hätten. Oft kommt es vor, dass jemandem ein Thema unter den Nägeln brennt, und dann sprudeln die Ideen. Aber manchmal fällt uns auch nichts ein. Dann legt sich eine große Melancholie über das Hufelandhaus, ein Grauschleier liegt über der Stadt, den meine Mutter noch nicht weggewischt hat (Fehlfarben), um dann aber, wie aus dem Nichts!, die befreiende Idee zu empfangen.
Zu Hufeland fällt mir jetzt doch etwas ein. Ein Satz über Berlin. Ein wunderbarer Satz. „Vorläufig stinkt es hier noch.“ Das nun ist nicht mehr das zentrale Problem dieser Stadt. Man muss sogar sagen, ein bisschen Gestank täte ihr ganz gut. Christoph Wilhelm Hufeland wohnte von 1804 bis 1836 in dem Haus. Also ein halbes Leben lang. Nachdem ich mich ein wenig in Hufeland eigenarbeitet habe, stelle ich fest, dass er überhaupt eine faszinierende Person war. Mediziner, Gelehrter und Praktiker. Königlicher Leibarzt und verliebt in Luise (oder bilde ich mir das nur ein?), aber die Verbesserung der Lage der Ärmsten war sein eigentliches Anliegen. Er arbeitete sogar als Armenarzt und gründete ein Poliklinikum für die Armen, auch forderte er sehr früh die Sozialversicherung vom Staat. Alles in allem: der perfekte Namensgeber für das schöne Haus, in dem wir nun auch schon seit fast zehn Jahren arbeiten.
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