Der Saft der Sehnsucht

Im Gespräch Der ­ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch über die Zerrissenheit seines Landes zwischen Europa und Russland und die Architektur der europäischen Stadt
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Der Freitag: Herr Andrucho­wytsch, erinnern Sie sich daran, dass Sie 1992 von einer Reise in ihre Heimat Ukraine zurückgekehrt sind und sich beklagt haben, dass man in Lemberg nachts keine Kondome kaufen kann?

Juri Andruchowytsch:

Wenn ich heute meine Texte aus der damaligen Zeit lese, ist mir peinlich, wie naiv ich war. Andererseits war es wirklich dramatisch: als ich damals aus München zurückkehrte, dachte ich, dass die drei Monate im paradiesischen Garten Europa eine Erfahrung waren, die sich nicht wiederholen würde. Dass die Mauer wieder an der Grenze hochgezogen wird, dass ich für immer zu einem Leben ohne Abendkondome und Zigarettenautomaten verurteilt bin. Damals dachte ich, dass es ein Ende war. Aus heutiger Sicht war es ein Anfang.

Was heißt naiv?