Der wahre Grund der Zeitungskrise

Steilhang Viele Gründe für die gegenwärtige Krise wurden schon genannt, fehlt nur noch einer

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Schadenfreude ist doch die schönste Freude! Eben noch war ich sehr zerknirscht, als ich sah, dass ich den Namen des hochverehrten Helmut Lethen auf S. 13 unserer Zeitung falsch geschrieben habe, da schlage ich die neue Zeit auf, genauer den Wirtschaftsteil, weil da "Deutschlands wichtigste Medienmacher" Auskunft zur Zeitungskrise erteilen. Man ist ja doch sehr neugierig und lästert dann gerne auch ein wenig, und siehe da:

Kai Dieckmann steht da groß, mit CK. Peinlich. Sooo peinlich.

Aber eigentlich wäre es gar nicht peinlich, wenn sich die "wichtigsten Medienmacher" auf diesen Seiten nicht einmal mehr so unheimlich wichtig nähmen. Ach, wie wohltuend wäre gewesen, hätte einer auf die Frage, was die "Branche falsch gemacht" hat, geantwortet: "Vielleicht nehmen wir uns einfach viel zu wichtig."

Sicher, es gibt ein paar Ausnahmen, etwa die ungemein erfolgreiche Chefredakteurin von Landlust, Ute Frieling-Huchzermeyer, die die Frage so beantwortet: "Die Branche unterschätzt den Leser".

Wie kann das sein? Wo doch in vielen Statements das hohe Lied auf den Leser gesungen wird, der so unendlich viel "klüger, anspruchsvoller, interessanter" (Götz Hamann und Bernd Ulrich) geworden sei. Dem man nur noch auf Augenhöhe begegnen und mit noch mehr Überzeugungskraft kommen will und mit dem qualitativ hochwertigsten Hochqualitätsjournalismus ever sowieso, denn nichts anderes will er.

Man muss an diesem Leserlob leider ein wenig zweifeln. Denn die Bewunderung für "den Leser" hört immer dann auf, wenn man ihm mit etwas Witz oder Ironie kommen will – mit dem also, was man als kluger, anspruchsvoller und interessanter Medienmacher in einer Zeitung selbst am liebsten lesen möchte.

Dann heißt es in fast jeder Redaktion: Schwierig, versteht er nicht, der Leser. Besser nicht.

Man darf ihn auch nie kritisieren, die Leserbeschimpfung ist das verpönteste Genre in der Zeitung überhaupt. Man behandelt ihn wie ein Kind, dem man nur "erklären" darf, damit er es "versteht".

Deshalb sei nun auch noch diese These in die Welt gesetzt: Der wahre Grund der Zeitungskrise liegt in der Angst vor dem Leser. Man hält ihn öfter doch für etwas beschränkt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Angele

Ressortleiter „Debatte“

Michael Angele, geb. 1964 in der Schweiz, ist promovierter Literaturwissenschaftler. Via FAZ stolperte er mit einem Bein in den Journalismus, mit dem anderen hing er lange noch als akademischer Mitarbeiter in der Uni. Angele war unter anderem Chefredakteur der netzeitung.de und beim Freitag, für den er seit 2010 arbeitet, auch schon vieles: Kulturchef, stellvertretender Chefredakteur, Chefredakteur. Seit Anfang 2020 verantwortet er das neue Debattenressort. Seine Leidenschaft gilt dem Streit, dem Fußball und der Natur, sowohl der menschlichen als auch der natürlichen.

Michael Angele

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden