Ein Zucken im Gesicht

1945 Ralf Rothmann gelingt mit „Im Frühling sterben“ ein großartig geschriebener Antikriegsroman, der keine Kunst sein will
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 27/2015

Es gibt viele Gründe, warum ein Schriftsteller fabulieren und ausmalen muss, wenn er aus seiner Familiengeschichte erzählen will. Ralf Rothmann hat einen besonders triftigen Grund: Die Kladde, die er seinem Vater mit der Bitte geschenkt hat, er möge ihm darin sein Leben skizzieren, blieb bis auf ein paar Stichworte leer. Auch dem Wunsch, doch wenigstens „jene Wochen im Frühjahr 1945 genauer zu beschreiben“, kam der Vater nicht nach.

Nun ist dieses Schweigen sprichwörtlich für dessen Generation, und die Geschichte, die sein Sohn erzählt, zwar nicht autobiografisch, aber repräsentativ. Es ist eine Geschichte, die jedem passieren konnte, der in den letzten Monaten des Kriegs als Halbwüchsiger von der Wehrmacht oder der SS zwangsrekrutier