Wie lautete gleich noch mal die Kritik des ARD-Programmbeirats an Günther Jauch? Er hake selten nach, folge einem vorgefertigten Konzept und diskutiere nicht ergebnisoffen. Daran gemessen war Volker Panzer der Anti-Jauch. Der Moderator des Nachtstudio (ZDF) fragte nach, ließ seine Gäste ausreden und hatte zwar ein Thema und einen Faden, aber kein enges Korsett, in das er seine Gäste zwängte. Respektive, das Korsett war natürlich die Zeit selbst: Eine Stunde dauerte das Nachtstudio (was zu so später Stunde immer noch arg lang sein konnte, manchmal ist man halt doch während der Sendung eingeschlafen). Was die Kritik des Programmbeirats an den Gästen der Talkshows betrifft, lässt sie sich auf das bekannte Lamento bringen: Ein Tross von etwa 50 Mann, der sich wechselseitig die Sessel in den Shows warmhält. Sieht man einmal von Norbert Bolz und Peter Schneider ab, denen man häufiger begegnete, war das Nachtstudio auch in diesem Punkt die Anti-These. Wo anders konnte man Friedrich Kittler und Martin Semmelrogge in einer Sendung sehen, wo anders Jean Ziegler mit Sahra Wagenknecht und, ja, Peter Schneider angeregt über Che Guevara diskutieren?
Ganz zu schwiegen von den medienkritischen Runden mit dem unmöglichen Titel „Fernsehen II“, die Rainald Goetz Volker Panzer untergejubelt hatte (Freitag vom 22. 12. 2011). Im Öffentlich-Rechtlichen gab es das sonst nirgends. Aber solche Runden sind dort eben auch nach Mitternacht nicht erwünscht. Letzten Sonntag wurde das Nachtstudio zum letzten Mal ausgestrahlt, 15 Jahre wurde es alt. Der Rückzug von Volker Panzer bedeutet zugleich das Ende der Sendung, ein Nachfolger wurde nicht gesucht. Nun wandere das Nachtstudio ins „Archiv“, wie Panzer trocken meinte.
Es ist immer das gleiche: Die Talkshows, die man hat, befriedigen nicht, die Alternativen will man aber auch nicht. Einerseits erwartet man von Talkshows viel zu viel, will mehr als nur gute Unterhaltung (und die leistet Jauch), andererseits fürchtet man sich panisch vor Gesprächsrunden, in dem ein paar Fremdworte fallen könnten. Wie das ja auch im Philosophischen Quartett (ZDF) der Fall sein konnte, auch wenn man sich bei der Wahl der Gäste immer größere Mühe gab, die Programmverantwortlichen nicht zu verschrecken; sogar Hans-Olaf Henkel musste zur Senkung des Niveaus herhalten. Aber Peter Sloterdijk (mehr als sein Partner Rüdiger Safranksi) blieb eben doch zu elitär, zu vernuschelt-formulierungsverliebt, das Haar zwar lang, aber schütter. Alles in allem nicht das, was Frauen an den Lippen eines Philosophen hängen lässt. Der designierte Nachfolger Richard David Precht garantiert da bessere Werte, so viel kann man sagen, ohne in das etwas billige Precht-Bashing einzustimmen.
Und so bieten also das Ende des Nachtstudios und des Philosophischen Quartetts, wie wir es kennen, wieder einmal eine günstige Gelegenheit, sich über die Dummheit des Öffentlich-Rechtlichen aufzuregen. Man kann lang und breit den Kulturverlust beklagen, warum auch nicht, man kann aber auch abgeklärt sagen: Schau ich halt, ob’s woanders was gibt. Das muss vielleicht gar nicht im Fernsehen sein, so prickelnd war das künstliche Kaminfeuer des Nachtstudios nun auch nicht, und die rein optische Verschröderisierung von Peter Schneider über die Jahre zu beobachten, war zwar interessant, aber doch entbehrlich. Beim Deutschlandfunk gibt es zum Beispiel das Kultur-gespräch. Jeden Freitag um 19.15. Thema und Gäste der nächsten Sendung waren bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Man kann davon ausgehen, dass der eine oder andere Professor mitreden wird.
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