Keynote zur Tagung "Wir müssen sprechen" (Sa. 21.1.)

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Liebe Freitag-Blogger und Bloggerinnen

zu fragen, was die Community des FREITAG ist und was sie sein sollte oder nicht sein sollte, ist unbestreitbar wichtig. Ich möchte allerdings noch auf eine andere Bedeutung im Namen "FREITAG" hinweisen. Auf die Zeitung. Gestatten Sie mir die etwas bissige Bemerkung, dass wohl nicht wenige Community-Mitglieder überrascht sein dürften, zu erfahren, dass der FREITAG auch eine Zeitung ist. Ja, man darf vermuten, dass sich das eine oder andere Mitglied neulich erst mit der Vorstellung vertraut machen musste, dass diese Zeitung vier Herausgeber hatte, bevor er dann lautstark auf FREITAG.DE deren Verlust beklagen musste.

Das Bewusstsein für die Zeitung der FREITAG zu schärfen, liegt in meinem ureigenen Interesse: Der Verkauf selbiger, am besten im Abo, sichert meinen Job. Mit der Zeitung machen wir Geld, (bisher) nicht mit der Community. Ausserdem macht Zeitungsmachen und -schreiben Spass. Und ich möchte, dass viele Menschen die Zeitungstexte lesen.

Auch, aber naürlich nicht nur deswegen, war ich sehr glücklich über das Bekenntnis des Bloggers Goedzak. Er schreibt in einem Kommentar zu seinem Blog:

"Der Freitag ist eine Zeitung. Mehr nicht und nicht weniger. Ich bin Abonnent und blogge auf der dazugehörigen Plattform."

Ich lese daraus eine erfreulich abgeklärte Haltung, die dennoch Engagement zulässt. Vor allem aber kann ich mir hier sicher sein, dass ein Gefühl für unsere Arbeit vorhanden ist. Denn wir machen in erster Linie diese Zeitung, und in zweiter Linie kommunizieren wir mit unseren Lesern, die aber nicht unbedingt die Leser der Zeitung sind.

Eine Zeitung zu machen, ist etwas anderes, als in und mit einer Community zu kommunizieren. Es ist auch etwas anderes, als zu bloggen. Ich schreibe Zeitungstexte bewusst in einer anderen Tonlage als einen Blogeintrag. Papier lässt Nuancen zu, die man sich im Blog schenken kann.

Wenn ich dann einen solchen Text online lese, wirkt er auf mich schal, und ich verfluche mich dafür, dass es mir in den über zwei Jahren, die ich nun beim FREITAG bin, immer noch nicht gelungen ist, meine Vorgesetzten von dem, meiner Meinung nach, unsäglichen Alles-aus-dem-Heft-kommt-online-und-möglichst-bald-Prinzip abzubringen.

Eine Zeitung ist eben viel mehr als eine Ansammlung von Texten. Sie ist eine Komposition, und sie wird von Fachleuten gemacht. Diese Fachleute wären dumm, wenn sie den Rat von klugen Lesern nicht ernst nehmen würden. Aber so wie die deutsche Fußballnationalmannschaft nicht wirklich von 80 Millionen Menschen trainiert werden kann, so kann es umgekehrt eine Zeitung wie der FREITAG nicht ohne Menschen geben, deren Glück sich darin erschöpft, ihre Dauerkarte auszukosten. Was ich meine: Es wäre gut, über Möglichkeiten UND Grenzen der gewünschten Partizipation der Community zu sprechen. Und das bedeutete eben auch: über die Zeitung zu sprechen.

Liebe Tagungsteilnehmer und Tagungsteilnehmerinnen, wer sie noch nie in den Händen gehalten hat - im Ständer hier bei uns im Eingangsbereich kann man sich die drei letzten Ausgaben greifen.

Wie gesagt, darüber nachzudenken, was die Community ist, nicht ist und sein sollte, ist unbestreitbar wichtig. Und dass man sich dabei gerne im Kreise dreht, ist auch nur eine Bemerkung, die die Spirale weiterdreht. Als Ausbruchsversuch würde ich also vorschlagen, dass während dieser Tagung auch über die Zeitung namens DER FREITAG gesprochen wird. Danke. Habe fertig.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Angele

Ressortleiter „Debatte“

Michael Angele, geb. 1964 in der Schweiz, ist promovierter Literaturwissenschaftler. Via FAZ stolperte er mit einem Bein in den Journalismus, mit dem anderen hing er lange noch als akademischer Mitarbeiter in der Uni. Angele war unter anderem Chefredakteur der netzeitung.de und beim Freitag, für den er seit 2010 arbeitet, auch schon vieles: Kulturchef, stellvertretender Chefredakteur, Chefredakteur. Seit Anfang 2020 verantwortet er das neue Debattenressort. Seine Leidenschaft gilt dem Streit, dem Fußball und der Natur, sowohl der menschlichen als auch der natürlichen.

Michael Angele

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