Kinderkram

Hasskommentare Ein Versuch, den aktuellen Twitterskandal um Don Alphonso meinen Söhnen zu erklären
Ausgabe 48/2019
Kinderkram

Foto: [m.]: Hoffmann/Imago Images

Von Don Alphonso habt Ihr noch nie gehört. Aber über den sprechen jetzt gerade viele, vor allem Journalisten. Der hat 33.800 Follower auf Twitter, ist jetzt nicht so viel wie die Youtuber, die Ihr kennt, aber schon okay für Twitter. Es gibt zwei Gruppen von Followern. Die einen finden super, was er twittert, die anderen finden es scheiße und wollen schauen, ob er wieder jemanden beleidigt hat. Vor ein paar Tagen hat er wieder jemanden beleidigt. Er hat einer Bloggerin, die er nicht mag, geschrieben, sie könne ja bei den Leuten bleiben, die „bald die Quittung bekommen“. Das hat diese Leute zur Weißglut gebracht. Kann ich verstehen, Ihr kennt ja Björn Höcke, der spricht ein wenig ähnlich. Der droht. Aber so, dass man nicht genau weiß, wie man es zu verstehen hat. „Die Quittung bekommen“ könnte heißen: gibt eins auf die Fresse, aber es könnte auch ein Schreiben von einem Anwalt bedeuten. Beides ist unangenehm.

Da fühlt man sich nicht mehr wohl. Und genau das will der, der so etwas schreibt, auch. Wenn man auf Twitter gegen Rechte postet, passiert es oft, dass man bedroht wird. Oder sich zumindest bedroht fühlt. Weil einem Leute damit drohen, dass sie wissen, wo man wohnt oder wo die Kinder zur Schule gehen. Dazu braucht es nicht viel Mut. Aber es braucht ganz schön viel Mut, dann nicht mit dem Twittern gegen Rechte aufzuhören. Könnt Ihr Euch ja vorstellen. Wie damals, als Euch dieser Typ den Ball auf der Straße geraubt und Ihr ihn später im Fußballkäfig wiedererkannt habt. Wir haben ihn zur Rede gestellt, und er hat uns gesagt, dass er weiß, wo wir wohnen. War kein gutes Gefühl. Wir haben dann einfach alle, die auf dem Platz waren, auf den aufmerksam gemacht. Er ist auch nicht wiedergekommen.

Erwachsenenpsychologie

Leider gibt es aber einen einfachen Unterschied zwischen einem Fußballkäfig und Twitter. Auf Twitter sind sehr, sehr viel mehr Leute. Das ist gut, aber es ist auch schlecht. Wenn man die nämlich darauf aufmerksam macht, was dieser Don Alphonso für ein schlimmer Finger ist, der andere bedroht, dann hat der ganz schnell einen Shitstorm an der Backe. Der fühlt sich jetzt selbst bedroht. Findet es jedenfalls stressig – und reagiert dann, wie er es gelernt hat. Beißt zurück.

So wie Ihr, wenn wir Eltern Euch in die Ecke drängen. Dann findet Ihr uns gemein und ungerecht. Die Eltern – das ist für Euch nicht zu verstehen, Erwachsenenpsychologie halt –, die Eltern also sind für den die „Mainstreammedien“, die doof sind und nicht sehen, dass es welche gibt, denen es richtig Spaß macht, es ihm mal zu zeigen. Und weil das eher Menschen sind, die gegen Rassismus und Gewalt sind, wird er noch wütender. Wie können die so verlogen sein, denkt der dann. Zum Beispiel hat einer von denen jetzt alte Postings ausgegraben, in denen Don Alphonso gegen die Zeitung wütet, für die er jetzt schreibt. „Ich sage dem rechtsreaktionären Drecksblatt, dass ich von denen nicht verlinkt werden will. Zum Kotzen, dieses Pack.“ Ist natürlich fies, so was zu posten, oder so was zu schreiben, hat er aber nicht anders verdient, denken die.

„Nationalsozialistische Elite“

Wenn du jetzt der Kumpel bist von dem Don Alphonso, musst du dem natürlich zu Hilfe kommen, würdet Ihr auch machen. Sein Kumpel Ulf Poschardt ist ihm also zu Hilfe gekommen. Der ist der Chef der Zeitung, für die er schreibt. „Alle gegen einen“, hat der getwittert. Nein, nicht ganz so. „Alle Anständigen gegen einen“. Wieso schreibt der „Anständige“, wo er doch denkt, dass die nicht anständig sind? Muss ich erklären. Das ist Ironie, kennt Ihr ja. In Wahrheit denkt der, dass die anderen sich nur als Anständige fühlen und es gar nicht sind. Dass die selbstgerecht sind. Manche sagen zu solchen Menschen „Gutmenschen“. Nicht der Poschardt oder der Don Alphonso, die sagen „nationalmoralistische Elite“, das klingt ein bisschen wie „nationalsozialistische Elite“, also irgendwie wie Nazi, wisst Ihr ja, böses Wort, und triggert heftig.

Es sind die Follower von dem Don, die „Gutmenschen“ schreiben. Gutmenschen sind für die zum Beispiel Leute, die gegen SUVs sind, aber selbst mit dem Flugzeug in tolle Städte reisen. Damit schaden sie ja der Umwelt auch, aber das vergessen sie leicht. Die fühlen sich einfach gut, wenn sie gegen SUVs sind. Da ist sie wieder: die Selbstgerechtigkeit. Und dann gibt es die anderen, die sich gut fühlen, wenn sie diese Selbstgerechtigkeit entlarven. Das Gefühl kennt Ihr nicht, da müsst Ihr schon erwachsen und Schriftsteller oder Journalisten sein, die kennen das Gefühl meist sehr gut. Wenn man jetzt also einen Tweet schreibt, in dem steht „Alle Anständigen gegen einen“, dann triggert das ganz schön. Weil es eben nicht anständig ist, dass alle gegen einen sind.

Keine Hufeisentheorie

Die Debatte um Hasskommentare im Nezt wird durch den Blogger Rainer Meyer alias Don Alphonso befeuert. Meyer, der auch freier Autor der Welt ist, wird vorgeworfen, dass er Kritiker bewusst dem Hass seiner teilweise rechtsradikalen Follower auf Twitter ausliefert. Umgekehrt beklagt Welt-Chef Ulf Poschardt einen Shitstorm gegen Meyer. Ein spezifisches Problem will er nicht erkennen. Es gebe eine neue Unkultur im Netz, die „rechts wie links“ identisch sei, sagte er im Deutschlandfunk Kultur. Dagegen stehen neue Zahlen zu Hasskommentaren. „Ein Großteil davon (77 Prozent) lässt sich dem rechtsextremen Spektrum zuordnen, knapp neun Prozent der Kommentare sind linksextrem, die verbleibenden 14 Prozent sind ausländischen oder religiösen Ideologien beziehungsweise keiner konkreten politischen Motivation zuzuordnen.“ Quelle: Bundeskriminalamt

Dass er damit triggert, weiß der Kumpel von dem Don ganz genau, der hat früher viel getwittert, dann aber damit aufgehört, weil da so viel Hass ist, wie er geschrieben hat. Aber der kommt nur schwer davon los. Ist ja auch irgendwie spaßig, andere zu triezen, Ihr macht es ja ständig.

Aber Ihr seht jetzt, wohin das führt und dass das nicht nur Brüder machen, worunter die Eltern dann leiden, sondern zum Beispiel auch erwachsene Chefredakteure von Zeitungen, worunter viele zu leiden haben. Alle, die irgendwie noch „vernünftig“ sein wollen.

Zahnärzte finden den cool

Ich glaube, ich war auch schon unvernünftig und habe getriezt. Aber weil ich nicht bei Twitter bin, bin ich nicht so ein erfolgreicher Triezer. Bei Twitter gilt das Triezen was. Wer gut im Triezen ist, hat viele Follower. Der Don Alphonso ist gut im Triezen, aber nicht nur darin, der schreibt auch lange Artikel für seinen Kumpel bei der Zeitung. Und auch da lesen ihn verdammt viele. Ich lese ihn jetzt nicht so oft, aber wenn ich ihn mal lese, dann fährt er mit seinem schicken Rennrad gefühlt immer über die Alpen nach Italien. Der ist kein Umweltschützer oder einer von den Grünen, auch wenn er so viel Rad fährt und Vegetarier ist. Ganz im Gegenteil. Er hasst die Grünen und fährt trotzdem viel Rad und isst trotzdem kein Fleisch.

Scheint irgendwie schräg, braucht Ihr hier noch nicht zu verstehen, aber ich kann Euch sagen, dass viele Menschen das cool finden, viel cooler als Greta Thunberg oder die Fridays-for-Future-Bewegung. Die Menschen, die so eine komische Sache mögen, schreiben dann unter die Artikel, „wenn es den Don nicht geben würde, würde ich die Zeitung nicht mehr lesen“. Die sind nicht einfach Follower, die sind fast religiös, für die ist dieser Don eine Art Heiliger. Das ist fast wie bei einer Sekte.

Dabei ist das doch nur eine Kunstfigur. Der Mensch, der das schreibt, heißt gar nicht Don Alphonso, das ist sein Pseudonym, wie es das bei den Youtubern auch gibt. Wenn du einem Heiligen bedingungslos folgst, dann wirst du selbst uncool, finde ich. Ich frage mich immer, was das für Leute sind, die ihm folgen. Klar ist, dass das praktisch nur Männer sind, das kann man ihren Pseudonymen und den Klarnamen entnehmen, Frauen finden den Don irgendwie nicht so toll. Ich denke immer, mein Zahnarzt ist ein Follower von Don Alphonso, ich denke sowieso, dass ihm viele Zahnärzte folgen, ist aber nur so ein Gefühl von mir.

Ihr merkt schon, es ist total schwierig, bei diesem Thema cool zu bleiben. Ziemlich cool fand ich, was die Leute vom Volksverpetzer gemacht haben. Das ist eine Website, die gegen Nazis schreibt. Verpetzer meinen die ironisch. Der Name passt zum Thema. Die Leute vom Volksverpetzer haben ein bisschen was über die Follower von Don Alphonso herausgefunden. Von denen, die ihm bei Twitter folgen. Bei Twitter kannst du re-tweeten, wenn du einem folgst, kannst also seinen Tweet an die eigenen Follower weiterleiten. Fast die Hälfte dieser Re-Tweets kam von Leuten, die auch den „Identitären“ folgen. Die Identitären sind eine Gruppe von Rechten, die glauben, dass es Deutschland besser ginge, wenn hier keine Muslime lebten und solcher Unsinn. Sie werden von der Regierung beobachtet.

Freundliche Menschen

Der Don hat also viele schlimmen Finger, die ihm folgen. Auf der anderen Seite hat er den Volksverpetzer blockiert. Die können ihm nicht folgen. Die haben ihm nun aber einen „offenen Brief“ geschrieben, das ist ein Brief, den jeder lesen kann. „Ein aktiver Teil Deiner Community ist rechtsextrem.“ schreiben sie an den Don. „Die Rechten verbreiten Deinen Hass. Das kannst Du doch nicht wollen. Und wenn Du das nicht willst, warum hast Du dann denn Volksverpetzer blockiert, aber nicht den Chef der Identitären, den Martin Sellner?“ Sie stellen Fragen. Es sind Fragen nach der Verantwortung für das, was einer auf Twitter tut. Man könnte sagen: Wenn sich viele Erwachsene auf Twitter schon wie auf dem Schulhof verhalten, dann sollen sie wenigstens so erwachsen sein, dass sie die Verantwortung für ihr Tun überdenken. Versteht Ihr, oder?

Die Fragen sind freundlich formuliert. Ich habe die Leute vom Volksverpetzer gefragt, warum sie so freundlich geschrieben haben. Weil wir „fair und differenziert“ sein wollten, haben sie mir geschrieben, und weil sie glauben, dass auch Don Alphonso fair sein kann. Was denkt Ihr, hat er den Brief beantwortet?

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Michael Angele

Ressortleiter „Debatte“

Michael Angele, geb. 1964 in der Schweiz, ist promovierter Literaturwissenschaftler. Via FAZ stolperte er mit einem Bein in den Journalismus, mit dem anderen hing er lange noch als akademischer Mitarbeiter in der Uni. Angele war unter anderem Chefredakteur der netzeitung.de und beim Freitag, für den er seit 2010 arbeitet, auch schon vieles: Kulturchef, stellvertretender Chefredakteur, Chefredakteur. Seit Anfang 2020 verantwortet er das neue Debattenressort. Seine Leidenschaft gilt dem Streit, dem Fußball und der Natur, sowohl der menschlichen als auch der natürlichen.

Michael Angele

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