Auch wenn Sie sich nicht für Fußball interessieren, bitte kurz herhören. Da ist Max Kruse. Kruse spielt bei Union Berlin, nach langer Verletzung saß er am Samstag gegen Freiburg wieder auf der Bank. Ein Spieler, von dem die Kommentatoren sagen, dass seine Siegermentalität der Mannschaft schon hilft, wenn er nur am Spielrand sitzt, ein Spieler, der über Prostituierte gerappt hat und Boliden fährt, ein Spieler also mit einer brachialen, an hohe Testosteronwerte gebundenen Männlichkeit, und dieser Spieler ist nun der Kopf einer Kampagne gegen Homophobie im Fußball. Max Kruse ziert das Cover der neuen Ausgabe von 11 Freunde, dem Magazin für Fußballkultur. In der Hand hält Kruse ein Plakat: „Ihr könnt auf uns zählen!“ Über 800 Spieler und Spielerinnen haben einen Aufruf unterschrieben, der Homosexuellen ihre Unterstützung versichert – falls sie sich outen wollen. Es geht darum, das Klima für ein Outing zu bereiten, und zwar in der fußballaffinen, archaischen Sprache von Instinkt und Clan: Wir schützen dich, wenn du uns brauchst. Das erinnert etwas an die Kampagne „Mach meinen Kumpel nicht an!“ und ist natürlich okay.
Ein solches Pathos dürfte einem Philipp Lahm trotzdem eher fremd sein. Man kann Lahm als das Gegenstück zu Kruse bezeichnen. Auch Lahm war Nationalspieler, blieb aber skandalfrei und gilt als berechnend. Eine Karriere beim FC Bayern, wo er fast sein Leben lang spielte, oder sogar in der CSU wurde ihm vorausgesagt. Dieser Philipp Lahm mag ein Streber sein, aber er hat auf Homophobie im Fußball hingewiesen, als das noch nicht en vogue war, und diesen Hinweis stets mit dem zu hohen Druck für ein Outing versehen.
Nun hat er ein Buch geschrieben, aus dem die Bild-Zeitung eine Passage vorabgedruckt hat, die seine Position wiederholt. „Gegenwärtig schienen mir die Chancen gering, so einen Versuch in der Bundesliga mit Erfolg zu wagen und nur halbwegs unbeschadet davonzukommen.“ Auch wegen der Zuschauer, vor allem bei Auswärtsspielen.
Nun scheint er aber vom Zeitgeist überholt zu werden. Das weltbekannte Magazin für Minderheitenschutz und Diversität, der Focus, wirft ihm vor, eine Chance verpasst zu haben. Auch die SZ fordert Ermunterung statt Ermahnung. Bei so viel Easy Going darf man schon mal erinnern: Der einzige deutsche Profifußballer, der sich geoutet hat, ist und bleibt Thomas Hitzlsperger, und auch er erst nach seinem Karriereende 2014. Heute ist Hitzlsperger Sportvorstand beim VfB Stuttgart und in einen Machtkampf im Verein verstrickt. Man weiß nicht so recht, wer in diesem Kampf gut und wer böse ist. Die Fans, deren Liebling er lange war, rücken von Hitzlsperger jedenfalls ab, sie sehen in ihm keinen Teamplayer mehr. Seine sexuelle Orientierung spielt dabei keine Rolle, wenn ich einem Kenner des VfB Glauben schenken darf. So soll es sein, nämlich: egal. Aber es ist ein weiter Weg dahin.
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