Keine Schwäche zeigen
Für den Chefredakteur der Welt, Ulf Poschardt, scheint das größte Problem des Westens seine „furchtbare Gerechtigkeitskultur“ (die „die Stärksten und Leistungswilligsten“ traktiert). Welcher Affekt lässt die Sprache so verrutschen?
Lügen
Auf Zeit Online schreibt Nils Markwardt, dass Putins Lügen gar nicht geglaubt werden sollen, sondern seine Getreuen zu „partners in crime machen“. Wir lesen in diesen Tagen viel über Strategie und Taktik. So wichtig das ist, so sehr verliert die Lüge dadurch ihr Skandalon. Ich war froh, dass sich Annalena Baerbock einfach empört hat, dass Putin die Bundesregierung angelogen hat.
Der Angstmacher
Als Wladimir Putin seinen Geheimdienstchef vor laufenden Kameras abkanzelte, tat er das mit einem süffisanten Lächeln, wie ich es von einem sadistischen Lehrer aus meiner Grundschule kannte. Dieses Lächeln zeigt, dass Putin mit seinem Demütigen nicht nur einen Zweck erfüllt – „Du kannst mir gar nichts, ich habe die Macht“ –, sondern dass es vielleicht das Einzige ist, was ihm am Regieren Spaß macht. Man fühlt sich erinnert an eine Szene, in der Putin bei einem Besuch von Angela Merkel seinen riesigen Labradorhund ins Zimmer holte und Angela Merkel erstarrte. Es heißt, dass Putin um die großen Hundeangst von Merkel wusste und den Labrador absichtlich reingeholt hat. Diese Theorie wird bestritten, lese ich nun. Aber selbst wenn sie nicht stimmt, so kann jeder sehen, dass Putin genüsslich beobachtet, wie Merkel Angst hat. Es gibt solche, denen imponiert, wie Putin seine Macht ausspielt, und solche, die davon angewidert sind.
Jetzt spielt Putin mit der Angst der Welt vor dem Atomkrieg. Was löst das in denen aus, die ihn bewundern?
Sentimentalität
Es heißt, dass Putin aus einer großen Kränkung heraus agiert. Er kann nicht verwinden, dass das russische Imperium als „Regionalmacht“ verhöhnt wird. Der Gekränkte will sich rächen. Aber bevor er sich furchtbar rächt, ist er sentimental. Über Putins Sentimentalität liest man in den Medien nichts. Aber ich glaube, dass es sie gibt. Als er mit seinem Amtsantritt als russischer Präsident die sowjetische Hymne, mit neuem Text, wieder einführte, war dies ein sentimentaler Akt. Die Hymne ist überwältigend. Man kann sich ihrer Großartigkeit kaum entziehen.
Liebe
„Du wirst dich fügen müssen, meine Schöne“, verhöhnt Putin die Ukraine. Seine Libido liegt im Dunkeln. Seit er sich von seiner Frau getrennt hat, sieht man ihn alleine oder im Kreise von Männern. Auch hier ist Putin frühes 20. Jahrhundert: Der charismatische Führer muss „ehelos“ sein. So eine populäre Theorie damals. Man könnte meinen, der Konflikt drehe sich um ein „postheroisches demokratisches Prinzip wie in Deutschland und ein heroisch-diktatorisches wie in Russland“, schreibt der Spiegel-Journalist Tobias Rapp auf Facebook und fügt hinzu: „Das stimmt nur bedingt: Es gibt eben auch demokratische Helden.“ Auf einem Foto sieht man Wolodymyr Selenkskyj mit Frau und Kindern. Zum Scherz hat er sich das Superman-Zeichen ins Gesicht gemalt.
Überforderung
Stefan Niggemeier schreibt bei Übermedien: „Mich überfordert dieser Krieg. Ich weiß, das ist ein fast frivoler Satz, denn: Wen denn nicht? Und vor allem: Was für ein Luxus.“
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