Vanity Fair war nicht der letzte Versuch, in Deutschland eine neue Gesellschaftszeitschrift zu lancieren. Seit Mai gibt es Adel aktuell aus der Verlagsgruppe Klambt, und anders als bei Vanity Fair hat man nicht das Gefühl, dass Adel aktuell so bald wieder eingestellt wird. Während die Zielgruppe der „movers and shakers“, von denen Vanity-Fair-Chefredakteur Ulf Poschardt sprach, nur in Berlin-Mitte eine Macht bildet, sind die Schwiegermütter, Omas und Tanten, die am Leben der Royals teilhaben wollen, bekanntlich landauf, landab Legion.
Aber wenn man unter Kollegen darüber diskutiert, welches Magazin hierzulande fehlt, und früher oder später diskutiert man unter Kollegen immer darüber, kommt die Rede auf ein Kulturmagazin ("wie der New Yorker, nur ganz anders"), ein Magazin voller Reportagen ("Spiegel Reporter war nur schlecht gemacht“), ein Magazin, das die besten Artikel syndiziert et cetera. Nie kommt die Rede auf die Adelszeitschriften. Dabei kann es prinzipiell nie genug von ihnen geben, wer eine kennt, will sie alle. Adel aktuell nennt sich zwar „Deutschlands erstes Adelsmagazin“, das einzige ist es natürlich nicht. 7 Tage, Neue Post, Adel exklusiv und wie sie alle heißen, ähneln sich zwar, sind sich aber nicht gleich. Während Adel aktuell den klingenden Namen auf seiner Seite hat, besticht Adel exklusiv durch seinen Preis: 69 Cent. Zudem findet man hier Beiträge, nach denen man in Adel aktuell vermutlich noch in 100 Jahren vergeblich suchen wird. In der August-Nummer ist es ein „exklusives“ Stück über Farah Diba, das, unter leicht veränderten Vorzeichen, auch dem Kulturteil dieser Zeitung gut angestanden hätte („Die Bibliothek ist Farah Dibas Rückzugsort“).
Andererseits betont Adel exklusiv schon sehr die Schattenseiten – Mette im Dauerstress, Harry vaterlos, Letizia magersüchtig –, während Freud und Leid bei Adel aktuell gut austariert scheint: „Die Kronzprinzessin hatte es nicht immer leicht. Doch sie wurde stets liebevoll begleitet.“ Natürlich kann man sich über Victoria von Schweden auch im Internet informieren, aber die Zielgruppe kann und will das nicht. Zu Recht: Im Internet kämen die schönen Script-Schreibschriften, in denen die Headlines gesetzt sind, doch gar nicht zur Geltung, und wer will schon Kreuzworträtsel online lösen? Es geht also längst nicht mehr „nur“ um die Adelspresse, im Raum steht die Frage, was Print kann, was online niemals können wird. Anders gesagt, der Adel setzt der Holzpresse die Krone aufs vermaledeite Haupt. Kann man das so sagen? Ich denke, man kann.
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