Nein, es ist nicht von allen schon alles zur Affäre Boris Palmer vs. Deutsche Bahn gesagt worden. Von mir zum Beispiel nicht. Was ich erst nicht ganz verstanden habe bei dieser Werbung: Warum zeigt man nicht einfach ausschließlich Bahnfahrer of colour? Das hätte ich stimmiger gefunden. Als Konzept eine runde Sache. Und auch Boris Palmer hätte dann nicht mehr so leicht fragen können, welche „Gesellschaft“ das „abbilden“ soll, weil es dann noch deutlicher nicht um Repräsentation gegangen wäre, sondern um ein Bild, ein Image. Aber es ist nun einmal dieser Weiße dabei. Der Grund ist banal: Der ehemalige Formel- 1-Weltmeister Nico Rosberg ist seit 2017 „Markenbotschafter“ der Deutschen Bahn. „Nico Rosberg ist einer der größten Sympathieträger Deutschlands. Er steht für Geschwindigkeit und Dynamik und ist trotz des enormen Erfolgs Bodenständig geblieben“, kann man in der damaligen Pressemitteilung nachlesen. Übersetzt in die Sprache des Freitag: Rosberg ist Kosmopolit und Traditionalist zugleich. Ein Sowohl-als-auch-Mensch. Natürlich ist er unfassbar reich, bei Mercedes hat er zuletzt 15,2 Millionen Euro verdient, aber mit seinem überraschenden Rücktritt 2016 hat er auf etliche Millionen verzichtet. Natürlich steht er auf schnelle Wagen, ist aber dafür, dass die Formel 1 künftig mit Elektroautos gefahren wird. Auf Twitter findet er warme Worte für „Fridays for Future“, und wohl hat er seinen Wohnsitz in Monte Carlo, man könnte ihn also einfach als Steuerflüchtling bezeichnen, wäre er nicht auch in Monte Carlo aufgewachsen (neben Wiesbaden und Ibiza). Als er für die Bahn neulich die Bambi-Pokale von München zur Verleihung nach Berlin fuhr, sprach er von den vielen Bodyguards „nicht für mich, für die Bambis“. Kurzum, er ist jener Typ Erfolgsmensch, der mich mit einer bleiernen Müdigkeit überzieht, jeder Einwand wird weggelächelt.
Da wünsch ich mir Günter Netzer zurück. Der hat auch mal Werbung für die Bahn gemacht. Netzer war genauso fragwürdig wie Rosberg. Stand einerseits für den kreativen, „linken“ Fußball der 70er Jahre, war aber andererseits mit seinem Vermarktungs-Unternehmen Infront Sports einer der Pioniere der Hyperkommerzialisierung im Fußball. Aber anders als Rosberg hat er etwas Kauziges und konnte renitent werden. Damit kann man arbeiten.
Am besten gefällt mir eh die ganz alte Bahnwerbung. Als es noch keine „Markenbotschafter“ gab. Als man zum Beispiel für den Trans-Europ-Express warb, der den Kontinent verbindet. Oder diese legendäre DB-Werbung: ein Zug, der elegant die Schneemassen teilt. „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Die Frage, welche Gesellschaft das abbildet, stellt sich nicht – was nicht heißt, dass diese Werbung nicht genau davon spricht: der Gesellschaft.
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