Nichts zu lachen

Porträt Hazel Brugger gilt als böseste Frau der Schweiz. An der ungerührten Miene des angriffslustigen Comedy-Stars verzweifeln Interviewpartner, ihr Publikum aber freut's
Ausgabe 48/2017

Die ist wirklich witzig, heißt es, wenn der Name Hazel Brugger fällt. Das sieht auch die Branche so. Die 23-jährige schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin hat viele Preise bekommen, 2017 den deutschen Comedy-Preis als beste Newcomerin.

Hazel Brugger: Führen wir das Gespräch auf Schweizerdeutsch?

der Freitag: Ich dachte, auf Hochdeutsch. Sonst muss ich es selbst abtippen.

Das ist jetzt natürlich unnatürlich.

Na gut.

Ich gebe ja auch kurze Antworten.

Wie Rocko Schamoni. Moritz von Uslar hat die schöne Kolumne „Auf ein Frühstücksei“. Da wir uns auch beim Frühstück treffen, habe ich gedacht, nimmst du die als Inspiration. Here we go: „Flapsige Einstiegsfrage an den Crooner. Ist Schreiben ganz einfach?“

Schreiben ist wie Denken. Denken ist an sich einfach. Aber so denken, dass daraus etwas resultiert ... Schreiben ist ja der Übergang vom Mentalen zum Realen. Dann kommt der Gedanke in die Außenwelt. Insofern ist Schreiben natürlich schwierig, wenn man keinen Gedanken hat. Aber wenn man sehr große Gedanken hat, ist Schreiben wie Sortieren der Gedanken. In Ordnung bringen. Also kurz gesagt: Es ist nicht einfach.

„Er grinst lustig“, steht nun hinter der Antwort, das kann man jetzt nicht übernehmen.

Schreiben Sie doch: „Sie grinst nicht.“

Das ist ja Ihr Markenzeichen. ‚Gestern bei der Aufzeichnung der Show im Fernsehstudio: Während Dieter Nuhr Witze macht und die anderen Gäste lachen, Ingo Appelt besonders, bleibt Ihr Mund verschlossen.

Ich wurde ja auch nicht aufgewärmt wie ihr. Gut, ich bin der Meinung, in dem Moment, wo ich Produzent bin, ist es nicht mein Job, andere Dinge zu konsumieren.

Ich habe mir dann gedacht: Ganz große Komiker lachen selbst eben nie. Buster Keaton!

Genau, dann ist der Witz einfach fundierter, vielleicht wahrer.

Ob’s stimmt?

Ich habe neulich ein Video gesehen, das Seth MacFarlane bei der Oscarverleihung von Family Guy zeigt. 2013. Er kritisiert Harvey Weinstein. Und dann lachen alle. Das ist vier Jahre später natürlich nun gar nicht mehr lustig. Deshalb ist man immer on the safe side, wenn man nicht lacht!

Andererseits: Lachen ist einfach auch ansteckend.

Die Leute sind irritiert bei mir. Aber wenn dann der Bann gebrochen ist, dann lachen sie. Sie bilden eine Komplizenschaft, aber nicht mit mir. Sie sind eine Gruppe für sich. Gegen mich, quasi!

Aber es ist doch komplizierter. Man wird bei Ihnen mitgenommen, und dann wieder vor den Kopf gestoßen.

Ja, ich muss einfach hoffen, dass das Publikum die Dynamik der Show erkennt. Wer dagegen 90 Minuten bespaßt werden will, braucht gar nicht erst zu kommen.

Aber das weiß man doch, wenn man in Ihre Show geht.

Na ja, ich bin schon überrascht, wer da manchmal ein Ticket kauft.

Bis unter die Gürtellinie und noch weiter

Hazel Brugger ist laut dem Schweizer Tages-Anzeiger die „böseste Frau der Schweiz“. Sie selbst würde sich als „transsympathisch“ bezeichnen. „Eine sehr nette Person gefangen in dem Körper eines Arschlochs“. Bereits mit 17 Jahren stand Brugger auf den Bühnen der Schweizer Poetry-Slam-Szene. Bei den „Paralympics der Literatur“, wie sie es nennt. Mittlerweile sind ihre Kabaretts bis auf den letzten Platz ausverkauft. Dort thematisiert sie ohne jegliche Scham die Absurditäten aus Alltag, Gesellschaft und Politik. Während sich das Publikum vor Lachen krümmt, zuckt bei Brugger kein einziger Wangenmuskel.

Dieser starre, ausdruckslose Blick ist mittlerweile zu ihrem Markenzeichen geworden. Ab und an hat sie lediglich ein Augenrollen für ihre Gäste und die Kamera übrig. Seit 2016 ist die 24-Jährige Außenreporterin der heute-show und bringt mit ihren kontroversen Interviews so einige Politiker ins Stottern. Für einen ihrer bekanntesten Reporte fuhr sie auf den CDU-Parteitag. Dort fragte sie Julia Klöckner, wie oft denn Angela Merkel noch Kanzlerin werden müsse, damit die Frauenquote in der CDU endlich erfüllt werde.

Mit ihren Witzen geht sie bis an die Grenzen und darüber hinaus. Warum ihr Satire wichtig ist, schreibt sie in einer ihrer Kolumnen: „Wenn ich Glück habe, dann lachen die Leute zu Hause. Wenn ich noch mehr Glück habe, sind sie danach sogar besser informiert.“ Vera Deleja-Hotko

Beim Warm-up zur Show wurde dem Publikum gesagt, wenn es nicht mehr geht, in die Hosen pinkeln, bloß nicht den Platz verlassen. Das Publikum hat gegrölt.

Ja, so funktionieren populistische Strömungen. Man muss die Sendung aber auch im Kontext sehen von Gefühlen, die seit Jahren produziert werden. Manche haben eine Geschichte mit Nuhr.

Sie haben doch auch eine Geschichte. Sie kommen aus der Poetry-Slam-Szene.

Da sagen dann manche vielleicht, ich fand sie noch gut, als sie noch scheiße war.

Gibt es solche?

Ja, klar. Ein bisschen vermisse ich die Poetry-Slam-Szene schon. Das waren so nette Leute, mit denen ich den Plausch hatte. Der Spaßfaktor wird natürlich mit dem Erfolg kleiner. Wo nichts war, konnte man sich auch nichts wegnehmen, aber unter Profis fährt man schon mal die Ellbogen raus. Dennoch: Ich habe immer noch Kontakt mit vielen. Wenn ich mit ihnen zusammen bin, dann ist es wie früher.

Das sagt doch jeder Fußballstar. Wenn ich die Jungs vom Bolzplatz treffe, ist es wieder wie früher …

Es ist ja auch so. Im Übrigen wiederholt sich eh alles. Es sind immer dieselben Schemata und Dynamiken. Ob man jetzt mit Poetry-Slammern zusammen ist und Texte vorträgt, oder mit Leuten im Keller sitzt, die Flieger aus dem Zweiten Weltkrieg basteln. Man sagt dann eben: „Deiner ist schöner als meiner“, anstatt: „Dein Text kam deutlich besser an.“ Aber im Kern ist das doch alles dasselbe.

Es geht jedenfalls bei den Männern immer um den Krieg.

Schweizer Männer: die Abwesenheit des Krieges! Das ist, was die Schweizer Männer, zusammenhält: die Abwesenheit des Krieges, und das Sackmesser.

Nichts gegen das Sackmesser.

Ich habe selbst eines. Am Flughafen Zürich wird es mir nie weggenommen! In Köln immer. In Zürich finden sie das geil.

Wenn Sie für die „heute-show“ deutsche Politiker befragen, spielt aber keine Rolle mehr, dass Sie Schweizerin sind, oder?

Nein, warum auch. Es geht in diesen Interviews ja darum, die Politiker in ihren Stanzen entweder aus dem Konzept zu bringen, und den Bruch offenzulegen, oder halt zu zeigen, dass sie gar nicht zuhören, einfach weiter schwadronieren.

Überraschend wäre, wenn ein Politiker antwortete, da muss ich mal nachdenken, lassen Sie uns einen ruhigen Ort suchen.

Das wäre super. Thomas-Bernhard-Artig. Wenn er mich so ernst nähme, dass ich nicht mehr lustig sein kann.

Ist aber nie passiert?

Nein. Ich habe ja auch mit Politikern gebastelt. Da ging es ein wenig in die Richtung. Aber nicht auf Parteitagen. Da wäre es bei so viel Verpackung auch unsinnig, zu sehr nach Inhalten zu wühlen.

Aber dann sind Sie ja fies. Denn Sie suggerieren, einen Rahmen zu sprengen, der nicht gesprengt werden kann. Und oft trifft es Außenseiter auf dem Parteitag. Nicht nach unten treten!

Finde ich auch, nach unten kann man im Idealfall auch gar keinen Graben ausheben. In dem Moment, wo einer auf einem Parteitag als Parteimitglied agiert, ist er aber nicht unten. Im übrigen müssen die Befragten einer Ausstrahlung des Gesprächs zustimmen. Aber klar, es ist eine Stresssituation. Sie sind nicht vorbereitet.

Man bedient auch ein Klischee. Politiker sind eh alles Idioten.

Ja, das gefällt mir auch nicht, denn es ist ja evident, dass viele Politiker sehr intelligent sind, nehmen Sie Sahra Wagenknecht. Hier wäre es dann an der Zeit, strukturelle Probleme zu benennen. Also nicht sagen: „Die ist blöd“, sondern: „Die Art, wie die Linke Politik macht, ist schwach. Weil sie zu wenig aggressiv den Finanzkapitalismus kritisiert, zum Beispiel.“

Ein Problem des Genres.

Ja, ich finde es ja auch dann erst gelungen, wenn es ein bisschen gaga wird. Wie damals auf dem Parteitag der AfD. Wenn einer einfach mit einem blauen Hemd rumläuft und das selbst nicht mit seiner Gesinnung in Verbindung bringen will, dann wird es abstrus. Das ist aber auch wieder ein Problem. Das Abstruse ist nicht das Politische. Es ist eine Gratwanderung.

Der Typ mit dem blauen Hemd stand vor der Halle, an einer Absperrung. Sie sagen dann: Nun stehen Sie ja auch vor einer Grenze. Er antwortet: Es ist aber eine innere Grenze. Er ist schlagfertig.

Ja, das ist witzig. Aber es zeigt auch, dass Leute in einem gewissen Kontext gar nicht anders antworten können als politisch. Auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ antworten sie automatisch mit der Antwort, wie es der Partei geht. Und da sind wir dann wieder bei der Poetry-Slam-Szene. Man ist im Slam, wenn man performt. Jeder weiß, wie er sich verhalten soll.

Welcher Politiker war in der Begegnung mit Ihnen noch am ehesten fähig, seine Rolle zu durchbrechen?

Claudia Roth fand ich gut. Die nimmt sich nicht so wichtig. Und sie will das dann auch zeigen. Da ist sie natürlich auch wieder Profi, weil sie weiß, ich bin in der heute-show und werde eh verarscht. Da kann ich gleich mitspielen.

Die wollte ständig Wein.

Ja genau, anders hält man es ja nicht aus. Das ist eh ein riesiges Problem in Deutschland. Gerade in Berlin. Gar nicht gut war Björn Höcke. Humorlos auf einer molekularen Ebene. Ganz schlimm, deshalb finde ich auch wichtig, dass Politiker Humor haben.

Aber Peer Steinbrück ist im Wahlkampf 2013 mit seiner Selbstironie auf die Fresse gefallen. Der Stinkefinger – das wollten die Leute dann doch nicht.

Das war zu früh. Von den Chefs will man das nicht. Es ist wie bei den Lehrern. Den Lehrer, der sagt, so, jetzt schauen wir eine DVD, den will man eigentlich nicht. Eigentlich genießt man es, wenn man 45 Minuten lang von einem alten Sack Latein eingepaukt bekommt.

Warum?

Weil man dann auch einen Bruch zur Freizeit machen kann. Dieses Lässige überall ist nicht gut.

Ist die Humorlosigkeit gendermäßig gerecht verteilt?

Ich denke schon. Wenn Männer humorlos sind, sind sie das allerdings oft ganz offen. Frauen kommunizieren ihre Humorlosigkeit nicht so direkt. Wie Frauke Petry.

Im Vergleich zu Beatrix von Storch und Alice Weidel ist die aber eine Humoristin. Sensationell, wie Sie Weidel einen Witz erzählen und sie nicht weiß, wie reagieren. Ich habe ihn vergessen

Kommt die Kanzlerin zum Arzt, sagt der Arzt: Ist aber dreckig hier, ich brauche eine syrische Putzfrau, die schwarz arbeitet. Das Problem bei Frau Weidel ist, dass sie bestimmt irgendwie nett ist, aber vermutlich zu dem einen Prozent der Psychopathen gehört. Nicht negativ gemeint. Es ist halt einfach so, wissenschaftlich erwiesen.

Sie führt ein Doppelleben. Mit ihrer farbigen Freundin und deren Kindern. Und dann lebt sie in Biel. Eine multikulturelle Stadt, für Schweizer Verhältnisse auch arm.

Auch die Kulturszene ist speziell, da kiffen alle, arbeiten aber, so hart es geht, verdienen Schweizer Franken und hauen dann aber für drei Monate im Jahr ab nach Teneriffa. Vielleicht ist Biel das Teneriffa der Frau Weidel. Aber das Problem ist, sobald man das thematisiert, kriegt sie noch mehr Aufmerksamkeit. Und das will man ja nicht, aber ihre glitschige Rhetorik macht’s möglich, wie sie sich windet, wie ein glubschiger Wurm, und alle fallen drauf rein. Bei Trump wird ja auch alles, was man gegen ihn sagt, zu einem „für ihn“. Irre. Sind die Regeln der Logik erst einmal zu Boden geworfen, fällt es leicht, sie zu treten.

Die besten Blätter für den Herbst

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Geschrieben von

Michael Angele

Ressortleiter „Debatte“

Michael Angele, geb. 1964 in der Schweiz, ist promovierter Literaturwissenschaftler. Via FAZ stolperte er mit einem Bein in den Journalismus, mit dem anderen hing er lange noch als akademischer Mitarbeiter in der Uni. Angele war unter anderem Chefredakteur der netzeitung.de und beim Freitag, für den er seit 2010 arbeitet, auch schon vieles: Kulturchef, stellvertretender Chefredakteur, Chefredakteur. Seit Anfang 2020 verantwortet er das neue Debattenressort. Seine Leidenschaft gilt dem Streit, dem Fußball und der Natur, sowohl der menschlichen als auch der natürlichen.

Michael Angele

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