Bei mir war es schon vor der Panzerdebatte so weit: Ich habe meinen Lieblingsradiosender, den Deutschlandfunk (DLF), nicht mehr ausgehalten und werde einstweilen nicht mehr durch ihn geweckt. Dem ging ein zähes Ringen voraus. „Noch ein solcher Kommentar von der Dornblüth und es reicht“, steht in meinen Tagebuchnotizen, oder: „Das Buch von Sabine Adler wird vom eigenen Sender in geradezu hofschranzartiger Manier ‚besprochen‘.“
Es war ein schmerzvoller Abschied. Ich hatte sogar mal eine Hommage an den Deutschlandfunk im Freitag geschrieben. Der DLF sei das letzte Medium des „gesellschaftlichen Zusammenhalts“ steht da. Das kann ich nicht mehr behaupten. Ein Kollege berichtete nun, dass er den DLF ebenfalls von seinem Radiowecker verbannt habe. Ich bin nicht alleine.
Ja, es scheint ein wichtiger Aspekt der Medienkritik tangiert, der allerdings noch unterbelichtet ist, weil sich die Kritik meist auf Zeitungen und Fernsehen beschränkt. Klar, dass man überhaupt durch ein festes Radiogramm geweckt wird, ist jungen Menschen nicht mehr zu vermitteln. Dieser Umstand drückt sich im Gedächtnisprotokoll aus, um das ich den Kollegen gebeten habe:
„6.30 Uhr, Radiowecker, Deutschlandfunk: Erste Meldung: Panzer. 7.00 Uhr, Frühstück, Deutschlandfunk: Panzer – Wechsel zu Deutschlandfunk Kultur: Panzer – Wechsel zu Radio Eins: Panzer – Wechsel zu einem Privatsender, es läuft Pop. Dort geblieben. Tochter einverstanden, hatte noch vorgeschlagen: „Wir können ja auch Spotify anmachen.“
Sprachorgan der Grünen
Ich selbst wechselte zu Cosmo. Der Sound der Welt. Mir gefällt die Musik, die dort läuft, die Art der Moderation empfinde ich als erfrischend. So lässt sich wach werden! Es war ein kurzes Gastspiel. Tagebuch, 6. Januar: „Nachrichten auf Cosmo. Es wird informiert, dass Deutschland nun doch Schützenpanzer liefert. Folgt Statement von Hofreiter. H. glaubt nicht, dass ‚dadurch der Krieg eskaliert‘. Ende der Durchsage. Keine Gegenposition.“
Es stimmt einfach: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist weitgehend ein Sprachorgan der Grünen geworden. Selbst wenn ich deren Anhänger wäre, könnte mir das als Staatsbürger nicht gefallen. Dafür zahle ich doch keine ... Aber da kommt man in trübes Gewässer! Lieber am Radioweckerrad weitergedreht.
Zurück zu Radio Eins. Diesen berlin-brandenburgischen Sender hatte ich zuletzt im Lockdown ein- und wieder ausgeschaltet. Es war damals weniger die politische Haltung zu Corona als mehr der Umstand, dass eine „Morgenshow“ mit zwei „witzigen“ Moderatorinnen oder Moderatoren an sich schon eine grenzwertige Sache ist, mir in der angespannten Lage aber den letzten Nerv raubte.
Nachdem vergangenen Sonntag in einer dieser Morgenshows das Thema Panzer auf allen Ebenen (Körperpanzer!) durchgenudelt wurde, bin ich auch bei Radio Eins wieder raus.
Lieber Podcast hören
Ich bin nicht grundsätzlich gegen die Lieferung von Waffen an ein bedrängtes Land. Aber gegen eine hysterische Debatte, in der so getan wird, als wäre „der Leo“ die Wunderwaffe und nicht auch eine weitere Stufe auf dem Weg in eine möglicherweise unbeherrschbare Eskalation eines Krieges. Wenn man es anders sieht: okay. Aber ich will von meinem Sender in meinen Befürchtungen ernst genommen werden. Das ist beim DLF nicht der Fall.
Ich kann es ihm noch nicht einmal übel nehmen. „Wenn man damit einverstanden ist, wie über ein Thema berichtet wird, nimmt man keinen ‚Mainstream‘ wahr, dann findet man ja alles richtig. Ein Gefühl von Dissonanz gibt es nur, wenn man selbst anderer Meinung ist. Beim Thema Ukraine-Krieg ist das jetzt noch einmal schlimmer“, sagt Juli Zeh im Interview mit der NZZ.
Das trifft nicht nur auf Hörer zu, sondern auch auf Redaktionen mit starker Überzeugung. Fragt sich, was das für den Radiokonsum der Schriftstellerin bedeutet. Ich frage bei Juli Zeh nach. Sie höre in letzter Zeit sowieso fast nur noch Podcasts, schreibt sie mir. Ihre Begründung: „Weil die Menschen dort ausführlicher zu Wort kommen, so dass die Positionen nicht auf skandalträchtige Schlagworte verkürzt werden, sondern sich wirklich so entfalten, dass man versteht, was gemeint ist. Die Pluralität ist einfach so wichtig – buchstäblich für die seelische Gesundheit.“
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