„Europas größtes Nachrichtenmagazin zerlegt sich selbst“, schrieb die Süddeutsche Zeitung neulich auf ihrer Seite Drei. Die Überschrift war nur wenig übertrieben. Der designierte Chefredakteur Wolfgang Büchner hatte vor Kurzem, obwohl selber noch gar nicht im Amt, der Redaktion ausgerechnet den Bild-Mann Nikolaus Blome als künftigen Stellvertreter genannt.
Bild bei Spiegel? Das schlug ein wie eine Bombe. Seitdem herrscht in Hamburg ein redaktioneller Bürgerkrieg, der durch die etwas alberne Umbenennung zum bloßen „Mitglied der Chefredaktion“ leicht entschärft wurde (wie irre eitel unsere Branche doch ist!). Aber geht es im Kern um Blome? Oder nicht eher um die Modernisierung des in die Jahre gekommenen Magazins und, schwieriger noch, das Verhältnis von Print zu Online? Es sieht so aus, als fechte man im Spiegel jetzt den Kulturkampf aus, den die Branche vor sich hat.
Sonderbare Ironie: Der Spiegel hat mit seiner Website SPON das wichtigste deutschsprachige Online-Medium etabliert. Dennoch tut er sichmit dem Übergang ins digitale Zeitalter so schwer wie die anderen. Die früheren Chef-redakteure Mascolo und Blumencron waren abgelöst worden, weil sie ein Nebeneinander von Print und Online pflegten, anstatt an der Fusion zu arbeiten. Wolfgang Büchner, der die Nachrichtenagentur dpa erfolgreich umgebaut hat, war geholt worden, diesen Job zu erledigen. Die Operation soll dem Spiegel nutzen – es ist unbekannt, wie sie aussehen wird, aber man kann sich denken, dass Gewinne und Verluste in der Redaktion ungleich verteilt sein werden. Online wird profitieren, Print wird sich anpassen müssen. Kein Wunder, dass die selbstbewussten und sehr gut bezahlten Spiegel-Journalisten, die ein immer noch erfolgreiches Blatt machen, auf die Barrikaden gehen.
Die vom Wandel Erfassten sind in der Regel die letzten, die den Wandel begrüßen. Da unterscheiden sich Journalisten nicht von anderen Berufsgruppen und verdienen unser Mitleid. Um in den Jargon der Sozialpsychologie zu verfallen: Die Angst vor der Entwertung der eigenen Lebensleistung ist typisch für vom Strukturwandel bedrohte Branchen. Das hat die neue Spiegel-Führung offenbar unterschätzt – wie auch die Brisanz der Personalie Blome. Am Bild-Mann hat sich der Unmut der Redaktion über die befürchteten Zu-mutungen dann entladen. Blome, Chef des Bild-Parlamentsbüros, ist das freundliche Gesicht der Zeitung. In den Talk-Shows der Republik agierte er, milde lächelnd und cordjackenbewehrt, als Außenminister von Bild-Chef Kai Diekmann. Seine journalistische Bilanz ist gemischt: Blome war vorne mit dabei, als Bild die Kundus-Affäre aufdeckte und den Bundespräsidenten Wulff erledigte. Aber eben auch, als das Blatt den unsäglichen Guttenberg deckte und in der Euro-Krise über die Griechen herfiel.
Es ist keine Überraschung, dass die Personalie in Hamburg für Aufregung sorgte. Vielleicht hätte die Spiegel-Führung ihrer Redaktion rechtzeitig mitteilen sollen, was die SZ nebenbei enthüllte: Blomes Vater war der erste Bonner Büroleiter des Magazins. Er arbeitete in den fünfziger Jahren mit Leuten wie Claus Jacobi oder Johannes K. Engel zusammen, die im Spiegel immer noch einen guten Namen haben.
Und noch etwas: Nikolaus Blome hat mit Freitag-Chef Jakob Augstein eine wöchentliche Sendung auf Phoenix. Das hat aber, wie Augstein glaubhaft versichert, mit der Geschichte nichts zu tun und taugt darum hier nur als Fußnote.
Kommentare 6
Gratulation an Familie Blome für die gelungene soziale Reproduktion und mein Beileid an unsere (Medien)Gesellschaft für die stete Fortführung ebendieser.
Dass sich an der Personalie Blome eine grundsätzliche Auseinandersetzung entzündet, halte ich für genauso wünschenswert wie illusorisch. Wo kämen wir denn hin, wenn wir wirklich über Journalismus und Macht- bzw. Geschäftsmodelle, die sich lediglich als Journalismus ausgeben, diskutieren würden? Zur Diskussionswürdigkeit dieser grundsätzlichen Frage, wo Journalismus anfängt und wo er aufhört, äußert sich Wolfgang Storz sehr einleuchtend hier. Aber wer der (wenigen) Damen und (vielen) Herren, die zwar die mediale Reichweite und den nötigen Einfluss vorzuweisen haben, diese Debatte anzustoßen und zu führen, hätte ein ernsthaftes Interesse an diesem Diskurs? Es sägt nun mal kaum einer gerne an dem Ast, auf dem er sitzt.- Womit ich bei den angeblichen Profiten der Onliner im Hause Spiegel wäre. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Spiegel heute dort stünde, wo er immer noch steht, wenn sich zum wöchentlichen Printprodukt nicht Spiegel Online als tages- oder sogar stundenaktuelles Medium etabliert hätte. Insofern scheint es mir eher um nachholen statt um profitieren, wie es im obigen Text heißt, zu gehen. Das ist ein großer Unterschied. Denn leider lässt sich oft mit viel Wichtigem weniger Geld verdienen als umgekehrt, aber der Reputation, dem Image nutzt das Wichtige dann doch.
Und last but not least fällt mir zum läppischen Discloser am Ende nur ein: Wer’s glaubt, wird selig.
In der heutigen Ausgabe des Medienmagazins Töne, Texte, Bilder auf WDR5 heißt es: „Wir wissen von einzelnen Verlagen, dass beispielsweise Berichterstattung über andere Zeitungen und über andere Verlage der Chefredaktion zunächst einmal vorgelegt werden muss. Meist mit dem Ergebnis, sich in Zurückhaltung zu üben, um nicht selbst ins Visier von Kritikern bei anderen Verlagshäusern zu geraten.“ – Vielleicht liegt es ja daran, dass dieser Artikel hier so enttäuschend handzahm geraten ist, schließlich ist hiesiger Chefredakteur Augstein nicht nur Blomes Phoenix-Buddy, der sich für Blome beim Spiegel einsetzt, sondern auch noch Spiegel-Gesellschafter. Und justament Augstein stellt morgen gemeinsam mit Blome sein neues Buch vor. So schließt sich der Kreis, schließlich bin ich wieder dort gelandet, wo ich oben angefangen habe: bei der Medienkonzentration und ihrer stetigen Reproduktion.
Vielleicht liegt es ja daran, dass dieser Artikel hier so enttäuschend handzahm geraten ist, schließlich ist hiesiger Chefredakteur Augstein nicht nur Blomes Phoenix-Buddy, der sich für Blome beim Spiegel einsetzt, sondern auch noch Spiegel-Gesellschafter.
Ach, ich denke, das ist, weil die Luft - zumindest vorübergehend - erstmal raus ist, aus der Geschichte. Da kömmt dann nich mehr so viel. Die Einladung zur Buchvorstellung fand ich auch interessant. Vielleicht eine Integrations-Übung. :-))))
Die Luft ist raus? Nö. Büchner spricht Blome doch gerade öffentlich sein Vertrauen aus. Klaus Raab dazu hier.
„Gratulation an Familie Blome für die gelungene soziale Reproduktion und mein Beileid an unsere (Medien)Gesellschaft für die stete Fortführung ebendieser.“
Leider ist das bei anderen Blättern oder Rundfunkanstalten längst auch so incl. des Gegenseitgen sich Hochjazzens.
Ich teile Ihre Draufsicht, kenne den Raab-Artikel, finde allerdings das mit dem „handsam“ ungerecht. Da steht doch einiges zwischen den Zeilen!
Zu Blome: Der Spiegel war nie ein linkes Blatt, aber ist/war weltweit anerkannt für Top-Journalismus.
Nun ist es ja – youtube sei es gedankt- auch für alle mit schlechtem Gedächtnis möglich sich die poltischen Statements Nikolaus Blomes aufzururfen: Sein Runterspielen der NSA-Affäre, seine Verachtung für Hartz-IV Empfänger, seine "Un"kenntnis über die dramatischen Situation in Griechenland etc. .
Gegen dies Qualität von Journalismus wehren sich die Spiegelmitarbeiter- jedenfalls die vom Print!
Bei der Buchpräsentation „Sabotage“ in der Volksbühne rief ein Zuhörer : „Der Freitag sei einfach zu kompliziert“. Für Spiegelleser hingegen besteht nu eine reele Chance von der Schwere des Gedankens befreit zu werden. Ganz unzynisch: Nikolaus Blome das Talent dazu. Mal sehen, wie sich das auf die Zahlen resp. Rendite auswirkt, von der bekanntermaßen auch dFreitag abhängt.
LG am
nun eine reelle Chance, NB hat
Lieber Michael Angele, die letzten Tage vor der BT-Wahl sind tatsächlich eine gute Zeit, die man gelassen dazu nutzen kann Selbstbetrachtungen und rätselhafte soziale Verknüpfungen zu analysieren, die im Alltag der letzten Wahl-Schmuddelwoche, die man getrost auch ignorieren kann, so durchrutschen.
Vielleicht hilft hier, im konkreten "Fall Blome", dessen Wechsel von BILD zu SPIEGEL, vom einen Blockzeichen zur anderen Blockschrift, vom Klatsch für alle, zum Klatsch für Apotheker, Ärzte und sonstige Freiberufler, die Analyse einer Veränderung die der von Ihnen geschätzte Niklaus Meienberg immer wieder in selbstanalytischen Texten umkreiste, die aber sehr offensichtlich schon aus längst vergangenen Zeiten stammt und durch die normative Macht des Faktischen einfach überwölbt wurde.
Journalismus als einigermaßen definierter Beruf (idealiter ist er frei zugänglich), ist in den Augen der Mehrzahl ganzer Generationen neuer , an den Medienhochschulen und Privatschulen der Branche ausgebildeten Absolventen, eine Dienstleistungsfunktion, in der ein gut ausgebildeter, nicht ganz verblödeter Berufsmensch jede Rolle, vom Sammeln, Verwerten, Bewerten und Verwalten, bis zur Unterhaltung ausfüllen kann.
Ich denke, so dachten nicht nur die mittlerweile verflossenen Doppel-Chefredakteure des Spiegel-Verlags, so sehen es auch der Neue von der dpa und sein "Stellvertreter", auf den er sich ja verlassen können muss. So denken auch die Verleger und Herausgeber als Unternehmer.
Bestehen die Inhaber gar aus einer Multitude, die immer für sich selbst abstimmt, aber durchaus nicht immer günstig, sorgen sie sich um die Haltbarkeit der persönlichen Zukunft.
So suchen sie alle nach Menschen, die auf der Leitungsebene den ökonomisch angegriffenen Presseorganen zumindest den wirtschaftlichen Erfolg sicher stellen.
Ich sage das nicht mit der Absicht böse zu sein oder einem Menschen der seinen Beruf trotzdem ernst nimmt, etwas zu unterstellen. Ich glaube aber, um ´mal ein Beispiel zu bringen, dass es dieser Art bestens ausgebildeten, zur Leitung befähigten Journalisten, wie z.B. dem nun wie ein kleiner König in der Zeit regierenden G. DiLorenzo, völlig Wurst ist, ob er z.B. in einem Artikel über die türkischen Frührentner, die nach seinem Dafürhalten unsere Sozialkassen belasten, den Unterschied zwischen einer Berufs-/Altersrente und einer Erwerbsunfähigkeitsrente überhaupt definieren kann.
Diese Art Journalisten machen aber sehr erfolgreich Medien und sorgen dafür, dass weder die Print-Medien, noch die Online-Medien für die Geldgeber dieser Untenehmungen auf Dauer zum Zuschussgeschäft werden.
Genau aus diesem Grund wird nicht ein Florian Klenk oder ein Heribert Prantl oder ein Ulrich Ladurner Chef einer großen Zeitung oder eines Großmagazins oder einer digitalen Medieneinheit mit Reichweite oder gar beim politischen TV was Entscheidendes, sondern eben Leute, die entweder die Meinungspuppen tanzen lassen oder den Laden effizient managen und schwarze Zahlen produzieren.
Der Rest des Geschehens interessiert Idealisten, und die Funktionalisten, die das längst kämpferisch vertreten, rufen ihnen zu: "Ihr könnt doch froh sein, dass wir euch Dreimalreflektierte, innenverspiegelte und dampfscheue Brut an Besserwissern überhaupt durchschleppen! Schaut euch mal eure Klickzahlen, eure Feedbacks und eure Verkaufszahlen an. - Scheiße, ihr ruiniert den Laden!"
Ich denke, ich bin in den Calmen des Wahlvortags, sprachlich etwas zu deutlich geworden.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Nachtrag: Wenn ich mittlerweile die ewiggleichen Formeln der Parteien und deren Gekeife in den Medien satt habe, so entwickelte sich, gerade in den letzten Wochen, auch eine ausgeprägte Aversion gegen die am häufigsten in Erscheinung tretenden politischen und sonstwie, eigentlich zu allem, ihre Meinung sülzenden Vertreter ihrer Branche, lieber Herr Angele.
Es sind auffällig viele, gut aussehende, gut alternde Herrschaften und noch ein paar Dauerknärbel aus den Zeiten in denen noch der Bayernkurier und die Rheinische Post als wichtige Presseorgane galten, die aus jedem Sachverhalt eine Aufregung produzieren können, aber schon durch die Vielzahl der Meinungsbeiträge bekunden, wie wenig es ihnen um die verwursteten Inhalte geht.
Sie sind leider häufig nur Echos, Impressarios und Hohlspiegel, teilweise sogar mit neckischem Brennglaseffekt, der auf den Hund gekommenen, politischen Diskurse.