Wir spüren den Klimawandel sehr direkt. Unsere Räume sind lichtdurchflutet und liegen unter dem Dach. Die Arbeitsplätze anderer, vergleichbarer Medienunternehmen – ich denke an den Axel Springer Verlag – sind klimatisiert. Am Hegelplatz verzichten wir auf den Einbau von Klimaanlagen. Sie stoßen selbst viel CO₂ aus, fast alle Kältemittel sind schädlich; es hieße den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Wir setzen auf den klassischen linksliberalen Mix, den aus Arbeitnehmerrechten, Kreativität, Vernunft und Leidensfähigkeit also. Die Arbeitsstättenverordnung besagt, dass ein „Raum nicht mehr als Arbeitsraum zu gebrauchen“ ist, wenn die Raumtemperatur 35 Grad überschritten hat. Über 30 Grad ist aber auch schon extrem, wir behelfen uns mit Angeboten zu „Homeoffice“, Speiseeis, Lockerung der Bekleidungsvorschriften – sowie Schwitzkuren. Letzteres macht mir nichts aus, ein Artikel, auf den der Schweiß tropft, hat eine höhere Dringlichkeit, scheint mir.
Außerdem bin ich der Journalist, der aus der Kälte kam. Unseren Urlaub verbrachten wir auf einer der Friesischen Inseln. Für sie gilt wettermäßig: Nichts steht fest, außer dass es fünf Grad kühler ist als im Rest der Republik. Obwohl ich diese Faustregel kenne, wollte ich mich mit dem Gegebenen nicht abfinden. Wir schauten also ständig auf die Wetter-App. Genauer, wir verglichen rastlos die verschiedenen Apps. Besonders häufig war ich auf Wetter.com, die kurzfristigen Prognosen waren hier positiver als anderswo. Half auch das nichts mehr, ging ich auf Donnerwetter.de. Dieser Anbieter ist besonders gnadenlos, was die kurzfristige Prognose anbelangt. Dafür aber besonders optimistisch, was die kommenden 14 Tage betrifft. Sein Suchtpotenzial erzielt er, indem er Transparenz mit Fiktion verbindet. Bekanntlich nimmt die Zuverlässigkeit einer Wettervorhersage mit jedem künftigen Tag ab. Auf 72 Prozent wird die Wahrscheinlichkeit für den 6. Tag bei Donnerwetter.de taxiert. Diese Auskunft verbindet sich mit der Aussicht auf Traumwetter. Während ich also bei Regen und Wind bibberte, las ich, dass wenigstens zum Ende des Urlaubs hin fantastische 26 Grad (die es auf Amrum fast nie gibt) und 14 Stunden Sonnenschein herrschen würden. Durchhalten, Leute. Allerdings wenn ein Tag näherrückte und aus der „14-Tage-Prognose“ fiel, wurde es schlagartig zehn Grad kälter, Wolkensymbole kamen auf. Das schlechte Wetter auf Amrum macht die Leute gesprächig. Interessant: Man sprach mehr über die Wetter-Apps als über das Wetter selbst. Wer eine realistische Prognose für Wetterwildgebiete braucht, der sollte Maschinenring.de konsultieren, es ist der Dienst für die Landwirte, und die haben kein Interesse, im Regen zu stehen, wenn Sonne versprochen wurde.
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