Wussten Sie das?

Unesco-Bericht „Geflüchtete haben in Deutschland weitaus bessere Bildungschancen als in den meisten Ländern weltweit“ – eine fantastische Nachricht, findet Michael Angele
Geflüchtete Studenten werden auf ihr Studium an der Freien Universität zu Berlin vorbereitet
Geflüchtete Studenten werden auf ihr Studium an der Freien Universität zu Berlin vorbereitet

Foto: Carsten Koall/Getty Images

Beim Lesen der Zeitung stieß ich heute morgen auf eine sensationelle Meldung. Was aus den Tiefen des Tagesspiegel (erstes Buch, Seite fünf, Randspalte) drang, klang wie ein Bericht aus einer fantastischen Parallelwelt. Vom Kaliber: Es gibt Leben auf dem Mars! Mehr noch: Insight Mission beobachtet Lebewesen, die den ganzen Tag Goethe lesen und etwas wählen , was der Linkspartei ähnlich sieht. Und das also las ich im Tagesspiegel: „Berlin – Geflüchtete haben in Deutschland weitaus bessere Bildungschancen als in den meisten Ländern weltweit.“ Wow! Das sagt ja nicht irgendwer, sondern der Unesco-Weltbildungsbericht 2019. Gelobt werden von der Unesco die überdurchschnittliche Sprachförderung, beispielsweise ein 800-Millionen-Euro-Programm für die sprachliche Bildung in Kitas und vor allem der Anerkennung der beruflichen Qualifikationen von Flüchtlingen und Migranten. Das sei weltweit spitze und werde ermöglicht durch ein seit 2012 geltendes Gesetz, das die Anerkennung auch unabhängig vom Aufenthaltsstatus möglich mache. Kannten Sie dieses Gesetz? Ich nicht.

Warum versteckt der Tagesspiegel diese Meldung auf Seite Fünf? Warum titelt er nicht vorne groß, sagen wir: Deutschland. Beste Bildungschancen weltweit für Flüchtlinge! Würde doch auch gut zur Meldung über das Einwanderungsgesetz der Koalition passen, das gerade Fahrt aufnimmt. Antwort: Weil es nicht „dem Narrativ“ entspricht. Das vorherrschende Narrativ ist nicht mehr das der Willkommenskultur 2015. Und ich möchte daran nicht nur dem Narrativ schuld geben. Sondern auch der Realität inklusive Statistik, sowie einer Linken, die zu einem guten Teil nicht begreifen will, was Rüdiger Soldt heute in der FAZ nüchtern konstatiert: „Es ist schwer genug, die Bevölkerung vom Fortbestand bestehender Flüchtlingsunterkünfte zu überzeugen – was wesentlichen mit dem Thema Kriminalität zusammenhängt.“

Aber genug davon, man kann sich auch in ein Problem auf ungute Art verlieben. Probleme gibt es allerdings auch jenseits der Kriminalität und die Ursachen liegen nicht auf Seiten der Geflüchteten. Sondern in unserem Bildungssystem. In dem Unesco-Bericht steht auch, dass 42.000 Lehrer fehlen oder dass 30 Prozent der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ausserhalb der Regelklassen lernen. Und weil das so ist, titelt Zeit Online Weltbildungsbericht: Flüchtlingskinder haben schlechte Bildungschancen. Entspricht halt dem aktuellen Narrativ. Fantastischer bleibt gleichwohl, was der Tagesspiegel in den Tiefen seines Politikteils getitelt hat: Gute Chancen für Geflüchtete in Deutschland.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Michael Angele

Ressortleiter „Debatte“

Michael Angele, geb. 1964 in der Schweiz, ist promovierter Literaturwissenschaftler. Via FAZ stolperte er mit einem Bein in den Journalismus, mit dem anderen hing er lange noch als akademischer Mitarbeiter in der Uni. Angele war unter anderem Chefredakteur der netzeitung.de und beim Freitag, für den er seit 2010 arbeitet, auch schon vieles: Kulturchef, stellvertretender Chefredakteur, Chefredakteur. Seit Anfang 2020 verantwortet er das neue Debattenressort. Seine Leidenschaft gilt dem Streit, dem Fußball und der Natur, sowohl der menschlichen als auch der natürlichen.

Michael Angele

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden