Die neue Übersichtlichkeit

Literaturportale "Der Blütenleser im Netz"

Mit viel kulturrevolutionärem Getöse wurde einst die "Netzliteratur" aus der Taufe gehoben. Die Pioniere des Genres, die sich noch vor zwei, drei Jahren von der digitalen Globalisierung die Überwindung der alten Literaturbetriebshierarchie erhofften, haben mittlerweile einige Ernüchterungen hinnehmen müssen. Die Aufregung um jene Autoren-Websites, die einst mit großem Aplomb ihre Autarkie verkündeten, wie ampool.de oder forum-der-13.de, hat sich gelegt. Dennoch herrscht im Netz nach wie vor Gründungsfieber: www.der-goldene-fisch.de und www.neuedichte.de gelten hier als die neuesten digitalen Premium-Produkte.

Auf dem Terrain des Literaturjournalismus dominierte bislang unangefochten der Perlentaucher mit seiner täglichen Sichtung der Feuilletonlandschaft. Das Marburger Unternehmen www.literaturkritik.de profilierte sich daneben als Herausforderer der gedruckten Feuilletons. Die Lyrikzeitung.de des Greifswalder Literaturwissenschaftlers Michael Gratz versammelte schließlich alles, was man über die Rezeption aktueller Lyrik wissen muss.

Mit dem Literaturportal Blütenleser (www.bluetenleser.de) betritt nun ein neuer innovativer Akteur die Bühne der digitalen Literaturwelt. Der Blütenleser laboriert nicht an der chronischen Kinderkrankheit der üblichen Literaturportale - an jener Selbstgefälligkeit, mit der die Betreiber einen winzigen Bezirk des literarischen Lebens beharken, während die Lücken und Leerstellen ins Gigantische wachsen. Statt dessen wird die Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Brennpunkte der Literatur-Debatte fokussiert. Eine Rubrik versammelt "Nachrichten zur Literatur", unter "Aktuelles" finden sich umfassende Dossiers zu den jeweils markantesten Büchern und Autoren der Saison: zum Beispiel zu Martin Walsers Augenblick der Liebe oder zum 100. Geburtstag des Jahrhundertdichters Pablo Neruda. Neben einer vollständigen Auflistung aller relevanten TV- und Radio-Programme zu literarischen Themen werden auch die wichtigsten Literaturzeitschriften penibel gesichtet. Die ständig aktualisierte Autoren-Datenbank enthält umfangreiche Hinweise und Links zu 300 Autoren der Gegenwart. Hinzu kommen die streng ausgewählten "Bücher des Monats" und eine originelle Rubrik wie die "Bibliothek der unterschätzten Bücher".

Die Website ist optisch sehr professionell und übersichtlich gestaltet - ein Werk des Webdesigners Mike Bierwolf, der schon für Ammann und den Dörlemann Verlag den Netz-Auftritt erarbeitet und nun für den "Blütenleser"-Initiator Joachim Leser (vormals Pressechef beim Zürcher Ammann-Verlag) die netzästhetischen Voraussetzungen geschaffen hat.

Dank einiger privater Investoren kann Leser, der ein Pressebüro in Konstanz betreibt, vorerst noch in Ruhe sein Portal ausbauen. Um das derzeit inspirierteste Literaturportal im Internet zu etablieren, muss er freilich innerhalb der nächsten Monate die finanzielle Basis stabilisieren. Leser plant in diesem Zusammenhang eine Zusammenarbeit mit einem Online-Buchhändler, die Akquisition von Werbebannern und den Weiterverkauf von "Blütenleser"-Daten. Die ersten Schritte zur neuen Übersichtlichkeit im Netz sind absolviert.


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