Morgen

Nachruf Zum Tod des Dichters Peter Maiwald (1946-2008)

Das Lebensmittel Poesie, hat Peter Maiwald einmal geschrieben, könne "sieben Hungerarten" befriedigen: "Es sind dies die Altgier, die Neugier, die Wortlust, der Trauerdurst, der Lachreiz, der Menschenkitzel und der Appetit auf Schönheit." Als Schriftsteller brauchte der aus der schwäbischen Provinz stammende Maiwald einige Jahre, um sich von den Doktrinen seiner kommunistischen Genossen freizuschwimmen und in sich den Appetit auf Schönheit zu wecken. In seinen frühen Texten exponierte er sich noch als williger Vollstrecker einer parteikommunistischen Rationalität. "Ich schreibe für Arbeiter", erklärte Maiwald 1973, was für den jungen Autor gleichbedeutend war mit der Artikulation "besonderer Sehnsüchte und Hoffnungen".

Seine Poesie sah er im direkten Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit, ein operatives Literaturkonzept, mit dem damals weite Teile der linken Intelligenz sympathisierten. Literatur war auf den "Gebrauchswert" verpflichtet - und der selbst ernannte Arbeiterdichter verwies in gewissem Stolz auf die unmittelbare Verwertung seiner Texte in der Gewerkschaftsbewegung: "Man gebraucht meine Gedichte und Sprüche für die Herstellung von Betriebszeitungen, ich schrieb Szenenfolgen für den 1. Mai oder den Antikriegstag oder den Wahlkampf, sie bitten mich um Lesungen vor Jugendgruppen, auf Gewerkschaftskundgebungen oder kulturellen Veranstaltungen der Partei."

Die Bindung an die Partei geriet jedoch bald ins Wanken. Die didaktisch-moralische Belehrung der Leser, in der linken Community als "Agitprop" gefeiert, erschien dem "Arbeiterdichter" bald als ästhetisch unterkomplex, als rein gesinnungstüchtiges Fließbandprodukt. Und auch mit den Vorstellungen der Partei, mit der er kämpfte "für ein beßres Morgen", konnte er sich immer weniger anfreunden. Als Redakteur der von ihm mitbegründeten Zeitschrift Düsseldorfer Debatte fiel der Aktivist der DKP bei der Partei in Ungnade und wurde aus ihren Reihen ausgeschlossen.

So markiert das Jahr 1984 die erstaunliche Metamorphose des kommunistischen Theaterautors und Agitprop-Texters zum versierten Formkünstler und Virtuosen einer derb-vitalistischen Liebespoesie. In seinem in diesem Jahr erschienenen Band Balladen von Samstag auf Sonntag, der sein größter Erfolg wurde, brillierte Maiwald mit volkstümlichen Liebes-Balladen, Sonetten und politischen Moritaten, die ihn als gelehrigen Schüler Heinrich Heines und Brechts auswiesen. Marcel Reich-Ranicki jubelte damals in der FAZ über das literarische "Ereignis" und hob Maiwald in "die erste Reihe" der Gegenwartslyrik - ein Lob, das für den Dichter kontraproduktiv war. Denn fortan galt Maiwald als Schützling des Großkritikers; Freunde einer offenen Poetik belächelten seinen Traditionalismus der Form als ästhetische Regression. Der Stern des bejubelten Balladen-Dichters sank im Literaturbetrieb so schnell wie er am Poeten-Himmel aufgestiegen war.

Bereits der 1992 publizierte Band Springinsfeld war von Todesahnungen verdüstert: "Vor meinen Augen / schwarzes Papier. / Worte wie Augen / schwärzen sich mir. // Auf meiner Bühne / blutrot die Welt. / Bitter die Miene, / die mich erhält." In den Jahren, die ihm noch blieben, versuchte Maiwald seine poetische Leichtigkeit wiederzugewinnen - im Sprachspiel des Kinderreims. In seinem letzten Gedichtbuch Die Mammutmaus sieht wie ein Mammut aus ist ein Hauptakteur das "Etschelbetschel", ein sehr zänkisches und spottlustiges Wesen, das seine Existenz nur seinem lautmalerischen Namen verdankt. "Seht: Da kommt das Etschelbetschel / zieht mir frech ein freches Fletschel..." Damit waren von den sieben Hungerarten der Poesie auch die "Wortlust" und der "Lachreiz" befriedigt. Am vergangenen Montag ist Peter Maiwald im Alter von 62 Jahren in Düsseldorf gestorben.

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