(100/2) Geld und Zeit (Forts.)

Umbau des Geldes "Die Andere Gesellschaft": Vierter Teil, zweite Hälfte des zweiten Eintrags im neunten Kapitel

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Da wir Senfs Darstellung entnehmen können, dass die falsche Darstellung gerade bei Bankern sehr beliebt ist, und warum dann nicht bei der Bundesbank, drängt sich die Frage auf, ob sie mit einem mehr oder weniger bewussten Bankeninteresse korreliert. Wir sehen zunächst, wie gut sie sich jedenfalls mit der Annahme verträgt, die auch Senf teilt, Geld werde "aus dem Nichts geschöpft". Wird es nämlich e i n m a l so geschöpft, ist das schon der Beweis, dass solche Schöpfung möglich ist, ja dass sie gelingt, und kann i m m e r w i e d e r so geschöpft werden. Wer aus Etwas schafft, kann nur wieder Etwas schaffen, zum Beispiel aus Holz einen Tisch oder aus Kreditierbarem einen Kredit, wer aber aus Nichts, das Unendliche!

Im zweiten Schritt erinnern wir uns daran, dass sich im scheinbaren Nichts eben das Kreditierbare verbirgt, damit aber die Kreditgeber, also die Gläubiger, und sehen, wie gut es denen tut, verborgen zu sein. Gläubiger sind zunächst die Banken, indem sie Kredit auf Basis nicht nur ihres Eigenkapitals, sondern auch des eingelegten Geldes ihrer Bankkunden vergibt. Dann sind es von den Bankkunden selber die sehr reichen, die sehr viel Geld eingelegt haben. Diese Menschen und diese Institutionen üben sehr viel M a c h t aus: Wenn man weiß, dass sie es auf Basis eingelegten Geldes tun, wird man immer fragen, ob und wie ihre unbeschränkt freie Verfügung über die horrenden Geldsummen eigentlich legitimiert ist. Das ist ja nicht nur die Macht, Kreditrückzahlung zu erzwingen - wenn's sein muss mit Kanonenbooten: Die Herrschaft Großbritanniens über Ägypten begann so und löste das imperialistische Wettrennen aus, das zum Ersten Weltkrieg führte -; es ist auch Macht, zu bestimmen, was kreditiert wird, also was produziert wird und was nicht.

Wenn wir nun glauben müssten, die Banken hätten einst mit Gold kreditiert, heute aber schüfen sie Kreditgeld a u s N i c h t s , dann stünden wir dumm da: vor einem Zauber, den wir anstaunen, statt vor einer Macht, die wir durchleuchten können. Nein, wir glauben es nicht, sondern gehen davon aus, dass die Banken und sehr reichen Gläubiger zwar Gold haben, heute wie immer schon, darüber hinaus aber noch sehr viel mehr Geld, das auch nicht Nichts ist, und dass sie eben deshalb so mächtig sind.

Kredite als "Schulden", Schulden als "Schuld"

Die in dieser Notiz ausgelegten Stränge müssen nun zusammengeführt werden. Wenn ich sie zunächst kurz rekapituliere, füge ich gleich an, unter welchen Gesichtspunkten ich sie weiter erörtern will:

Wir haben zuerst gesehen, es ist das Wesen des Gleichungsgelds, vom A n f a n g dominiert zu sein, keineswegs von der Zukunft, wie manche sich einreden. Die Kreditgabe fließt nicht in die Zukunft, sondern gerade wenn diese erreicht ist, muss sie z u r ü c k fließen. Damit ist die Problematik der "Schulden" und gar der "Schuld" aufgeworfen. Leben wir nicht in einer Verschuldungsgeschichte - seit 5000 Jahren, wie David Graeber jüngst zeigte -, und geht es nicht darum, ihr zu entkommen? Muss man dann nicht namentlich dem Gleichungsgeld zu entkommen versuchen, von dem wir ja sagten, dass es sich "eignet, Voraus- und Rückzahlung in genauen Einklang zu bringen"?

Wir haben zweitens die Konfusion verfolgt, die sich in diesem Geld bemerkbar macht: dass die Zeit in ihre Gleichungen eindringt, obwohl diese zeitlos sein müssten. Das führt zur Frage, ob Gleichungsgeld n o t w e n d i g derart konfus ist oder ob es möglich ist, die Konfusion aufzulösen.

Drittens, auch unsere Auseinandersetzung mit der angeblichen Geldschöpfungsmacht der Banken ist auf die Frage der Dominanz des Anfangs hinaus- und zurückgelaufen. Denn konfus oder nicht, d e n Nutzen begrüßen wir, dass Gleichungsgeld d e n A n f a n g ins Scheinwerferlicht stellt und wir ihn also problematisieren können. Den Anfang - auf der Geldebene freilich nur - machen die Banken und sehr reichen Gläubiger. Wie beurteilen wir das?

Ad eins, zu Graeber. Dass ich mich mit seinem Kampf gegen all die Gesellschaftsformen, in denen man sich verschuldet, solidarisiere, ist klar. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass die Rückzahlungs- oder "Schuld"begleichungspflicht und die Logik der Gleichungen, die nicht zu Graebers Themen gehört, gar nichts miteinander zu tun haben. Mit ihm und Polanyi haben wir früher gesehen, die Rückzahlungslogik rührte von der Rachelogik her und wahrte deren Charakter auch dann noch, als bereits mit Geld gezahlt wurde. Dies ist keine Gleichungslogik gewesen, denn nicht dasselbe wurde zurückgegeben, sondern das vergleichbare Andere. "Auge um Auge" zerstört noch ein weiteres, statt mir meins zurückzugeben.

Wenn man freilich Geld lieh und zurückzahlen musste, gab man denselben Betrag zurück. Und das f ü h r t e zur Entdeckung der Bilanzlogik, damit der Gleichungslogik. Obwohl es zunächst als Grenzfall des Tauschs von Verschiedenem erschien. Die Entdeckung konnte auch erst im Maß, wie man vom sinnlichen Münz- zum abstrakten Buchgeld überging, gemacht werden. Einmal aber entdeckt, erwies sich die Gleichung als etwas Eigentümliches. Sie war und ist nicht reduzierbar auf ihre nützliche Rolle bei Rückzahlungsangelegenheiten. Diese waren nur der Anlass ihrer Entdeckung gewesen. Auf Gelddinge stößt man, wenn man nach der G e n e s i s der Gleichung fragt, mit ihrer G e l t u n g haben sie nichts zu tun. Doch wozu führt es, dass nun Beides, Geld und Gleichung, zum Gleichungsgeld zusammenfließen?

Unter anderm dazu, dass die Geld g l e i c h u n g als S c h u l d gleichung wahrgenommen wird und es auch tatsächlich ist, obwohl Schuld und Gleichung nun wirklich nichts miteinander zu tun haben. Wer von Schulden spricht, spricht von Schuld - welche Vermengung von Ökonomie und Moral! Keine aber des blassen Gedankens, sondern aller bisherigen Realität. Wer zurückzahlen muss, wird noch heute im Alltag als "Schuldner" bezeichnet. Wenn er es nicht kann, hält man ihn so unbesehen wie ernsthaft für "schuldig", obwohl es doch sein könnte, dass nur die ökonomische "Schuld" bei ihm liegt, die moralische aber beim Gläubiger. Um jeden Preis wollte der verleihen, warum, weil es ihm Zinsgewinn bringt. Oder hat er die "Exportweltmeisterschaft" möglich gemacht, indem er Geld ins Ausland verlieh: damit das Ausland, von dem man wissen konnte, dass es zahlungsunfähig sein würde, inländische Waren kauft, die sich anders nicht hätten absetzen lassen.

Dieser Gemengelage wird Graeber mit seinem Ansatz gerecht, eine Schuldengeschichte der letzten 5000 Jahre zu schreiben. Was aber die Gleichungsdimension im Gleichungsgeld angeht, da sehen wir gerade, dass es eine Gemengelage ist und durchaus nicht bleiben müsste. Es macht nämlich einen U n t e r s c h i e d , ob man die Rückzahlung als Erfüllung von Bedingungen sieht, die eine Gleichung setzt, o d e r als Wiedergutmachung einer Schuld. Insofern sie Gleichungsbedingungen erfüllt, zeigt sie tatsächlich nur an, dass "immer noch von derselben Sache die Rede ist". W e n n sie nämlich erfolgt, ist das Eigentum des Kreditgebers gewahrt worden. Die Frage, ob Eigentum gewahrt oder verschleudert wird, sei's gesellschaftliches oder individuelles, mehr noch die Frage, die dahinter steht: ob ein ökonomisches Potential nachhaltig genutzt wird, ist nicht nur heute wichtig, sondern wird es auch in der Anderen Gesellschaft sein. Die Frage aber, was geschieht, wenn die Rückzahlung n i c h t erfolgt, kann davon getrennt werden. Es gibt gar keinen Grund, dann automatisch zu "bestrafen".

Man muss es fallweise prüfen. Wer heute Kredit aufnimmt, um eine Spekulationsblase mit aufpusten zu können, sollte freilich bestraft werden. Andere aber verdienen es, dass ihnen die Rückzahlung erlassen wird. Worauf ich hinauswill: Auch wenn der Kredit ausfällt und es keine schlimmen Folgen für den Kreditnehmer hat, soll und kann jedenfalls durch die Rückzahlungsgleichung der Stand der Eigentumswahrung und -verschleuderung angezeigt werden. In diesem Sinn spricht nichts gegen Gleichungsgeld a l s s o l c h e s , im Gegenteil.

Wie die Gesellschaft nicht dem Geld vertraut, sondern sich selbst

Ad zwei, die Konfusion dieses Geldes, "zeitlich" interpretiert werden zu können und eigentlich nicht zu dürfen. Wir haben gesehen, bei der Kreditgabe wird Geld verdoppelt, bei der Rückzahlung, falls sie erfolgt, die Verdopplung zurückgenommen. Das sind zwei Stadien, die in der Gleichung ja vorkommen, in der Form freilich nur, dass Verdopplung und Rücknahme sich ausgleichen, das Gleiche sind, dasselbe damit sogar. Zeitlos dasselbe Eigentum. Aber nur w e n n die Rücknahme erfolgt, bleibt es beim selben Eigentum und ist die Gleichung Gleichung gewesen.

Dies simple Dilemma, um es im Vorbeigehn zu sagen, steckt auch noch in der Black-Scholes-Differenzialgleichung, von der Joseph Vogl schreibt, sie sei die "erfolgreichste Theorie" der letzten Zeit auf dem Gebiet der Finanzen und eigentlich der gesamten Ökonomik. Wir hatten sie in der 84. Notiz erörtert und waren Vogls Darstellung gefolgt. Mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, führt sie mitten hinein in die berüchtigten komplexen Vorgänge heutiger Finanzmärkte. Es "geht [...] darum", referiert Vogl, "aus bestehenden Preisen, etwa für Aktien und Kredite, jenen Preishorizont zu errechnen, der von einer künftigen Gegenwart aus zum Motiv der Bewertung einer gegenwärtigen Zukunft werden kann." Dabei werden "die Spielräume von Risiken mit korrespondierenden Gewinnaussichten verrechnet", und die Folge ist, dass man "nicht die Daten und Treffer möglicher Zukünfte erraten, sondern nur einen Schwingungsraum errechnen [muss], innerhalb dessen sie - so oder so - stattfinden könnten." Die zugrundeliegende Annahme indes, kommentiert Vogl, "dass sich im Unvorhergesehenen bzw. Unvorhersehbaren wenigstens bestehende Erwartbarkeiten reproduzieren", erweise sich als unhaltbar. (Das Gespenst des Kapitals, Zürich 2011, S. 101 f.)

Die Black-Scholes-Gleichung, so sehr sie die modernsten Kreditprobleme und Finanzinstrumente berücksichtigt und daher ziemlich komplex ist, hat doch kein anderes Manko als unsere simple Gleichung 12 = 12 * 2 - 12, Kreditierbares Geld gleich Geldverdopplung bei der Kreditierung minus zurückgezahlter Kredit. "Einen Schwingungsraum errechnen", das heißt eben die Bedingungen der Möglichkeit erkennen. Dagegen hätten wir nichts, würden sie wirklich erkannt! "Der gegenwärtige Preis einer Option oder eines Derivats rechtfertigt sich dann, wenn in ihm eine mögliche Zukunft des zugrundeliegenden Werts wiederkehrt" (ebd.): Mit Recht ist Vogl beunruhigt und zugleich fasziniert von so einer Denkfigur, aber es ist doch nur eine Gleichung, die, obwohl selber zeitlos, einen Zeitablauf spiegelt. S i e i s t n i c h t n e u , entspringt nicht erst der neoliberalen Epoche seit 1973, als die allerletzten Reste der Golddeckung verschwanden (Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods); es wäre irrig, einen Effekt der modernsten Finanzinstrumente in ihr zu sehen, der Derivate, Optionen et cetera, so dass man staunend nach dem neuartigen Zauber zu fragen hätte, der ihnen eigen sei. Die Figur ist vielmehr so alt wie der Kapitalismus.

Ihre Konfusion wäre dann aufgelöst, wenn die Gesellschaft sicher sein könnte, dass die für den krisenfreien Verlauf ihrer Ökonomie k o n s t i t u t i v e n Rückzahlungen t a t s ä c h l i c h erfolgen. Wie schon gesagt, müsste auch gewährleistet sein, dass nicht jeder Kreditausfall automatisch bestraft wird. Aber wie ebenfalls schon angetippt, wäre es falsch, die Frage der "Schulden" nur unter diesem Gesichtspunkt zu behandeln. Denn es ist eine Sache, wenn Einzelne sich kreditnehmend verstricken, eine andere, wenn Egoisten der Gesellschaft kreditorische Blasen aufnötigen, vielleicht noch ohne selbst den Schaden davonzutragen. Daher, wo es sich um "gesellschaftlich konstitutive" Rückzahlungen und vorausgegangene Kreditnahmen handelt, wird der Gesellschaft durchaus daran gelegen sein, die Grenzen des Erlaubten genau festzulegen, schuldhaftes Fehlverhalten möglichst zu verhindern und, wo es dennoch passiert, zu ahnden. Ihr Festlegungsmittel sind die gesellschaftlichen ökonomischen Wahlen, deren Gegenstand ja die "konstitutiven" Züge ihrer Ökonomie sind - die hauptsächlichen Produktlinien, von denen sie insgesamt strukturiert wird.

Wenn nämlich das Wahlergebnis vorliegt, weiß jede Bank, welche Kreditbegehren unzulässig sind, welche zulässig und ob nicht etwa die Menge aller zulässigen Kredite schon ausgeschöpft ist. Dass die zulässigen Kredite in der Regel zurückgezahlt werden, ergibt sich daraus, dass die Gesellschaft sich wählend darauf festgelegt hat, die mit Kredithilfe produzierten Dinge tatsächlich abzukaufen. Die Wahl hat insofern den Charakter der "Bestellung" von Investitionsgütern. Solche werden ja schon heute meistens auf Bestellung produziert. Die Frage ist tatsächlich nur, w e r bestellt, ob einzelne Magnaten, die zum Beispiel eine Immobilienblase mit aufpusten, oder die ganze Gesellschaft. Die Gesellschaft, muss sie denn spekulieren, was ihr Kaufverhalten ist und wie sich die Kaufkraft in ihr verteilt? Nein, sie weiß es und sagt es an.

Das würde funktionieren und man sähe dann, Geld als solches und Kreditieren als solches sind an den Krisen nicht schuld. Wir können es noch einmal anders sagen, bezugnehmend auf die irritierende Zeitlichkeit der Kreditgleichung. Die Gleichung drückt aus, dass in einer Zukunft zurückgezahlt werden müsste, was am Anfang stand. Was haben wir zu verändern? Das Rückzahlen? Nein, sondern den Anfang. In der heutigen Gesellschaft fängt alles mit dem kreditierbaren Geld der vielen freien, unsolidarischen Banken an. Dies Geld kommt als solches nur deshalb ins Spiel, weil es Eigentum oder Verfügungsmasse Einzelner ist, die das Interesse haben, es möglichst noch zu vermehren, egal wie. Das führt dazu, dass Kreditgleichungsketten sich ohne übergreifenden Sinn zufällig kreuzen und verknoten. Die beteiligte Gleichungslogik als solche verliert die Orientierungskraft, kann gerade den Einzelnen nicht zulässig zeigen, was ihnen möglich ist, und versagt völlig vor der Anzeige der g e s e l l s c h a f t l i c h e n Möglichkeiten.

Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an die Frage der "ständigen Geldvermehrung" durch Kreditschöpfung der Banken. Was manche für Geldvermehrung halten, ist in Wahrheit nur Kontenvermehrung, sahen wir. Wenn ein Kreditnehmer der Bank A die Rechnung eines Kunden der Bank B begleicht und diese auf dieser Basis einen neuen Kredit vergibt, hat das auf die Geldmenge keinen Einfluss. Ja, aber dafür bedeutet es, dass Bank A i r g e n d e i n e Kreditpolitik verfolgt und Bank B i r g e n d e i n e a n d e r e . Es kann auch bedeuten, dass beide d i e s e l b e s c h ä d l i c h e Politik verfolgen, weil beide den Überblick nicht haben - nicht wissen, was die Gesellschaft "bestellt". Die Gesellschaft wird ja gar nicht gefragt!

In der Anderen Gesellschaft ist aber nicht die private Geldverfügung, sondern das Ergebnis der gesellschaftlichen ökonomischen Wahl der Anfang, auf den die Geldgleichungsketten zurückverweisen. Aus der Wahl ergibt sich wenigstens im Großen, was kreditiert werden soll, auch bis zu welcher volkswirtschaftlichen Gesamthöhe, und was nicht. Die Banken müssen sich daran halten. Wenn die Gesamthöhe erreicht ist, erfahren sie es und kreditieren auch das Gewählte nicht weiter, während sie das Abgewählte ohnehin nie kreditiert haben. Dies mag nun dazu führen, dass sie einen großen Teil des bei ihnen gelagerten, an sich kreditierbaren Geldes nicht kreditieren können. Aber Geld, nur weil es überhaupt vorhanden ist, soll eben nicht der Anfang sein. Es verwandelt sich, wie ich formuliert habe, in "Unmöglichkeitsgeld" (vgl. 96. Notiz).

Der Fehler des heutigen Geldes liegt nicht darin, dass man Möglichkeitsbedingungen des kreditorischen Verlaufs in Gleichungen angibt, obwohl es ein Zeitverlauf ist, sondern darin, dass n i c h t a l l e Möglichkeitsbedingungen angegeben werden. Die gesellschaftlichen werden nicht ermittelt und sind daher ausgeblendet.

Individuelle und gesellschaftliche Buchhaltung

Kurz noch zum dritten Strang. Gleichungsgeld weist auf die kreditorischen Anfänge zurück, stellt sie ins Scheinwerferlicht, sagten wir.

Das ist nicht schon gleich die Frage, w e r die Gleichungen d i r i g i e r t . Weil man ja hinzufügen muss: soweit sie sich dirigieren l a s s e n . Sie sind schließlich ein logischer Sachverhalt. Es war deshalb auch nicht mein Hauptgesichtspunkt, ob die Gleichungslogik immer exakt erfüllt wird. Ob also der "Verschuldungskoeffizient" hinreichend realistisch bestimmt ist, ob die "Sicherheiten" genügen - oder eine Zentralbank in der Krise auch Schrottpapier akzeptiert - und so weiter. Wichtig ist erst einmal, dass jedenfalls die Logik der Gleichung zugrunde liegt, während frühere Gesellschaften anders gedacht haben, metaphorisch, subsumierend, und so auch ihr Geld eingerichtet haben.

Die Gleichungslogik ist eine buchhalterische Logik. Wie ich schon mehrfach zitiert habe, hat Marx die Buchhaltung in die neue Gesellschaft natürlich mitnehmen wollte. Das Geld musste man dann allerdings seiner Ansicht nach abschaffen. Dagegen wende ich ein: Geld ist nicht das Gegenteil von Buchhaltung, sondern ist freie i n d i v i d u e l l e Buchhaltung und soll sich als solche im Rahmen g e s e l l s c h a f t l i c h e r Buchhaltung - auf der Ebene von "Gesellschaftsgeld", wie ich es genannt habe (siehe 94. Notiz) - so frei w i e m ö g l i c h entfalten können.

Die Frage, wer die Gleichungen dirigiert, egoistisch nicht nur, sondern stümperhaft, stellen wir dann aber auch, und die Antwort ist klar: Soweit es sich um g e s e l l s c h a f t l i c h e Buchhaltung handelt, kann P r i v a t banken, -personen und -familien - auch juristischen Personen, Genossenschaften, Ota Sikschen "Mitarbeitergesellschaften" - das Recht des Dirigierens n i c h t zugestanden werden.

Ob oder bis zu welchem Grad man Banken und überreiche Personen "enteignen" sollte, ist eine weitere Frage, die gestellt werden kann. Ihr Vermögen hat eine Herkunft, auf welche das Licht fällt, wenn uns die Geldgleichungsketten zu den kreditorischen Anfängen zurückführen. Man wird die Legitimation der Herkunft prüfen. Grundlegend aber ist die andere Frage: Wer dirigiert? Die Gesellschaft ist dazu berechtigt. Sie wird sich das Recht wieder nehmen.

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Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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