(101/2) Zur Diskurslogik des Geldes (Forts.)

Umbau des Geldes "Die Andere Gesellschaft": Vierter Teil, zweite Hälfte des dritten Eintrags im neunten Kapitel

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Die Kapitallogik kennt keinen Raum der Wahlmöglichkeiten, sie ist vielmehr eine Zwangslogik des "Wer A sagt, muss auch B sagen". Als Zwangslogik hat sie den Charakter einer G l e i c h u n g des Möglichen und Wirklichen: Alles was möglich ist (der unendliche Mehrwert), m u s s wirklich werden, also i s t es, vom Ende her gesehen, mit dem Wirklichen "immer schon" das Gleiche. Wenn sich das so verhält, kann diese Gleichung als Prinzip allem zugrunde gelegt werden, so auch der Kreditbeziehung: Was ich kreditiere, m u s s zurückgezahlt werden, also i s t es, vom Ende her gesehen, schon zurückgezahlt. Dies Zukünftige ist dann das Sein, aus dem man den Kredit selber herleitet, während er im Moment der Vergabe angeblich aus dem Nichts kommt. Sogar die Überlegung, dass die Rückzahlung ja beliebig in die Zukunft verschoben werden könne - ins Unendliche zuletzt - und man einen Zustand, in der sie unmöglich wird und ist, insofern theoretisch vernachlässigen, ja ausschließen dürfe, findet man ganz explizit etwa bei Binswanger (Die Wachstumsspirale, Marburg 3. Aufl. 2009, S. 118 f.; vgl. auch Joseph Vogl, Das Gespenst des Kapitals, Zürich 2011, S. 78, 83-114).

Die Andere Gesellschaft, wenn sie Mögliches und Wirkliches aufeinander abstimmt, bedient sich der Gleichungen, doch nicht ihrer allein. Ich lege den weiteren Überlegungen zugrunde, dass Gleichungen ein linguistisch fassbares Phänomen sind, mit dem wir ein anderes vergleichen können, das des Fragens und Antwortens. Damit folge ich auch Polanyis Hinweis, das moderne Geld zeige "eine auffallende Ähnlichkeit mit Sprache und Schrift" (Die Semantik der Verwendung von Geld, in ders., Ökonomie und Gesellschaft, Frankfurt/Main 1979, S. 317-345, hier S. 319).

Wie in früheren Notizen oft betont, ist schon die Gleichung ein Sprachspiel des Möglichen, sie besagt nämlich, dass man ein und denselben Sachverhalt auf zweierlei Art äquivalent ausdrücken kann. Sie ist aber insofern zwanghaft - und die Gleichungskette, in der sich dasselbe sogar vielfach ausdrücken lässt, ist es noch mehr -, als jede Variation des Ausdrucks doch nur den Sinn des Anfangsausdrucks wiederholen darf. Das ist gerade der Nutzen dieser Sprache: aus einem Anfang Schlüsse ziehen, ohne ihn zu verlassen. Doch gibt es natürlich (auch in der Ökonomie) Bereiche des Handelns und Denkens, in denen mehr Möglichkeits-Spielraum erfordert und erwünscht ist. Diesen stellt das Spiel von Frage und Antwort zur Verfügung.

Sagen wir vorab, dass sich Gleichungssprache und "Fragespiel" d a r i n nicht unterscheiden, dass sie das Mögliche für sich ohne Verwirklichungszwang festhalten können. Bei der Gleichungssprache springt das sogar sofort ins Auge, denn jedermann weiß, dass mathematische Überlegungen für sich genommen keinen Wirklichkeitsbezug haben, vielmehr dadurch erst, dass sie angewandt oder "interpretiert" werden, mit der Wirklichkeit in Kontakt kommen. Wenn ich hier also von möglich = wirklich gesprochen habe, so ist das selbstverständlich keine m a t h e m a t i s c h e Gleichung, sondern, wie gesagt, die fixe Idee eines Diskurses, von dem befangen man glaubt, man finde in der Mathematik das Vorbild für die erlaubte Ungleichung, die zugleich Gleichung ist.

Doch nun zum Fragespiel, in der Möglichkeit - ebenfalls für sich festgehalten, ebenfalls ohne Verwirklichungszwang - Wahlmöglichkeit bedeutet. Die Gesamtheit der A n t w o r t m ö g l i c h k e i t e n ist nämlich das, was eine Frage ausmacht. Hier ist daher die Frage die linguistisch fassbare Möglichkeit als solche. Sie ist es als Kehrseite und "Potential" vorausgegangener Antworten, die sich als Frage-Voraussetzungen in ihr niedergeschlagen haben. Im Fall nun, dass sie ihrerseits beantwortet wird, was nicht selbstverständlich ist, kann gesagt werden, dass sie tendenziell vom Möglichen zum Wirklichen schreitet, insofern nämlich, als eine Antwort fast schon eine Behauptung mit Wirklichkeitsanspruch ist, in eine solche sich jedenfalls leicht verwandeln lässt. Ich will sie deshalb als Seite der Verwirklichung gegen die Frage als Möglichkeits- und zwar Wahlmöglichkeitsseite stellen, obwohl das schon eine Vereinfachung ist. Denn streng genommen bleibt die Antwort selbst noch ein nur möglicher Gedanke. Man kann sie erwägen und doch auf sich beruhen lassen - ohne sie zur Behauptung, gar zur Aussage zu machen -, weil man weiß, dass die Frage, der sie gilt, "falsch gestellt" (das heißt in sich konfus) sein könnte.

Sie wählt jedenfalls unter den Antwortmöglichkeiten aus. Das schließt eben auch ein, dass sie zwischen den vorhandenen Antwortmöglichkeiten, das heißt der Frage, die zu beantworten sie aufgerufen ist, und vielleicht besseren wählt, die als andere Frage an die Stelle der vorhandenen treten können. Denn nicht jede Ausgangsfrage lässt sich sinnvoll beantworten. Wenn die Möglichkeiten, die von ihr verkörpert sind, nicht genug Sinn hergeben oder wenn sie es nur zunächst tun, der Sinn sich aber erschöpft, greift man nach einer anderen Frage. Nach einer anderen Frage greifen heißt die Ausgangsfrage so beantworten, dass man sie zurückweist. Dies gründlich tun heißt ihre Voraussetzungen prüfen und vielleicht als konfus erweisen. Und damit erst haben wir die Möglichkeits-Verselbständigung, deren Ausdruck die Frage ist, vollständig beschrieben. Denn hier steht das Mögliche nicht nur insofern für sich, als es nicht verwirklicht (beantwortet, im nächsten Schritt behauptet, im übernächsten ausgesagt) werden muss, sondern auch insofern, als es an die Wirklichkeit, von der es selber herrührt - die der Antworten, aus denen die Ausgangsfrage hervorging -, nicht unter allen Umständen gebunden ist.

II. Gleichungsgeld von Antwortgeld dominiert

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Wir kommen zur praktischen Anwendung. Indem die Andere Gesellschaft ökonomische Wahlen abhält, setzt sie das Fragen-Antworten als oberstes Prinzip. Die Frage, die sie sich stellt, ist die, welche Pfade der Produktion sie grundsätzlich will. Mehrere Antwortmöglichkeiten sind ausgearbeitet, sie entscheidet sich für eine davon. Mit diesem Prinzip ist die Produktpfadregulation durch pure Eigenlogik kapitalistischen Geldes, G => G' => G'' => usw., überwunden. Reguliert wird jetzt durch Fragen-Antworten, nicht mehr durch Gewinnmachen. Das heißt aber nicht, dass G = G und G => G' nicht mehr vorkommen. Denn sofern sie dem neuen Prinzip untergeordnet werden, vertragen sie sich mit ihm. Schädlich sind sie in der der vorhandenen Gesellschaft, weil sie da der Gleichungs- und Zwangskette G = G' => G'' => usw. untergeordnet sind und zwar in der Form, dass sie mit ihr identisch werden. Mit andern Worten sind G = G und G => G', Gleichungsgeld als solches, nicht a n s i c h schädlich, sondern sind es im Zuge dieser Unterordnung / Identifikation.

In der Anderen Gesellschaft spricht gar nichts gegen eine Kreditierungskette G = G = G = G usw., wo ein Kreditnehmer seine Rechnungen zahlt, indem er einer andern Bank Geld überweist, diese darauf gestützt neuen Kredit vergibt, der neue Kreditnehmer einer dritten Bank überweist und so immer weiter. Denn alle Kredite dienen dazu, den Beschluss zu implementieren, mit dem die Gesellschaft die selbstgestellte Frage nach den bevorzugten Produktpfaden beantwortet hat, oder vertragen sich mindestens mit ihm. Auch dagegen, dass die Kreditnehmer im Zuge dessen G => G' "realisieren", spricht in der Anderen Gesellschaft nichts, weil der materielle Gegenwert, von dem G' der monetäre Ausdruck ist, den Rahmen der gesellschaftlichen Antwort nicht übersteigt. In beiden Fällen wird von G zu G oder G' nicht zwanghaft, sondern f a l l w e i s e geschritten, wenn nämlich die "Antwort" entsprechend ausgefallen ist. Die Schritte sind dann unschädlich. Als Kontrollmedium ist die Kette G = G = G usw. sogar ausgesprochen nützlich.

Ich füge hinzu, dass wir damit das Postulat des vorausgegangenen Kapitels über "individuelles und Gesellschaftsgeld" eingelöst haben. Wir haben da gesehen, dass beide Geldformen nicht dasselbe sein sollten, wie es heute der Fall ist. Heute ist die Kreditierungskette G = G = G usw. eo ipso das Medium, in dem sich G => G' => G'' usw. ins Unendliche verwirklicht. Das eine wie das andere ist pur individuelles Geld, zugleich aber gesellschaftliches, "wahres Gemeinwesen", mit Marx zu sprechen. Hingegen in der Anderen Gesellschaft gibt es eine klare Trennung zwischen 1. G = G = G usw. und G => G', dem Individualgeld in den Händen bestimmter Kreditgeber und -nehmer, und 2. jener "Antwort", die sich die Gesellschaft in ökonomischen Wahlen erteilt. Die Trennung ist die Voraussetzung dafür, dass Gleichungsgeld als Individualgeld dem untergeordnet werden kann, was in ökonomischen Wahlen entschieden wurde, indem diese "Antwort" bestimmte Geldflüsse zulässt und andere nicht. Sie, die "Antwort", herrscht so als Gesellschaftsgeld.

Die gewählte Gesamtantwort ist das Eine Maß, in dem nun alles Ökonomische berechnet wird, durchaus vergleichbar dem babylonischen Edelmetall, das im Innern der Gesellschaft nicht getauscht wurde, für die Tauschprozesse aber Verrechnungseinheit war. Nur haben wir es nicht mehr mit handfesten Dingen zu tun, sondern es findet die abstrakte Übersetzung statt, von der ich früher gesprochen habe: Nachdem durch die Wahl bestimmt ist, was ökonomisch möglich sein soll und was nicht, kann aus dieser "Möglichkeitsmenge" ersehen werden, was die "Möglichkeits b e z e i c h u n g s menge" ist, vulgo das individuelle Geld.

Als Möglichkeitsbezeichnungsmenge begegnet Geld sowohl im Kapitalismus als auch in der Anderen Gesellschaft nicht zuletzt als Konsumgeld, mit dem die Individuen aus allen Waren einige wählen. In dieser Eigenschaft ist es in beiden Formationen nicht nur Gleichungsgeld – x Ware A = y Ware B -, sondern auch "Antwortgeld", da es eben das Mittel ist, die Frage zu klären, was man kauft. Damit Waren verfügbar sind, müssen sie allererst produziert werden, dafür ist im Kapitalismus wie in der Anderen Gesellschaft Kredit erforderlich, also Gleichungsgeld pur. So weit unterscheiden sich die Formationen nicht. Im Kapitalismus d o m i n i e r t nun aber die Eigenschaft des Geldes, Gleichungsgeld zu sein, weil Konsumvorgänge hier nur Oberfläche der Kapitalverwertung sind, wie zum Beispiel Robert Kurz mit Recht anmerkt (Geld ohne Wert, Berlin 2012, S. 157, 161). Antwortgeld ist es n u r im i n d i v i d u e l l e n Konsum, der im Kapitalismus n u r p u n k t u e l l geschieht, etwa wenn ich zwischen Opel und VW wähle. In der Anderen Gesellschaft hingegen steht die Wahl der Produktionsziele, also dessen, was g e n e r e l l konsumierbar sein soll, zum Beispiel weniger Autos, mehr Bahn, am Anfang von allem. Hier ist Antwortgeld kein Oberflächenschein und keine bloß individuelle Veranstaltung, sondern d o m i n i e r t als G e l d d e r g a n z e n G e s e l l s c h a f t , indem die Gesellschaft die Menge wählbarer Waren im Großen antwortend bestimmt (ihre Möglichkeitsmenge überhaupt), bevor im Kleinen die Individuen a u s dieser Menge kaufend wählen (mit Geld, der B e z e i c h n u n g der Möglichkeitsmenge).

Gleichungsgeld vermittelt hier nur, als Medium der für die Warenproduktion unerlässlichen Kreditierung, zwischen dem "Antwortgeld im Großen" und "im Kleinen".

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Man kann das Resultat einer ökonomischen Wahl als Beschluss zum Wirtschaftsumbau begreifen, mit der Grenzmöglichkeit, dass er alles lässt wie es ist. Der Wirtschaftsumbau wiederum ist die Steigerung dessen, was man heute eine "Großbaustelle" nennt. Deshalb kann vieles, was mit dem Begriff ökonomischer Wahlen gemeint ist, schon anhand der Auseinandersetzung um "Stuttgart 21" illustriert werden. Mehr noch aber kann man an die "Energiewende" denken, der sich die Exekutiven, wie sie heute eingerichtet sind, so hilflos nähern. Da wir uns in einem Kapitel befinden, das bloß den Geldbegriff klären soll, will ich daran nur den geldlichen Aspekt veranschaulichen. Es sind also einige Umbauten gewählt worden, zum Beispiel wie schon heute, das Verhältnis von Windstrom zu anderen Verstromungsarten solle verändert werden, gleichzeitig aber etwa auch, dass es mehr Öffentlichen Verkehr, dafür weniger Privatautoverkehr geben soll. Wahlgegenstand ist die generelle Proportion aller Güterarten. Die Gesellschaft macht dafür einen "Kostenvoranschlag". Sie plant keine Dinge, für die kein Geld da ist, das ist schon in den Vorschlägen, die zur Wahl standen, berücksichtigt worden. Nur zwischen m ö g l i c h e n Wirtschaftswegen wurde gewählt.

Sie braucht aber für den Umbau, obgleich er wie ein öffentliches Beschäftigungsprogramm wirkt, nicht selber Geld vorzustrecken, das heißt aus Steuermitteln abzuzweigen. Ein die Gesellschaft repräsentierender Staat, der sich für seine Projekte am privaten Geldmarkt verschuldet, kommt hier gar nicht ins Spiel. Statt selbst Geld vorzustrecken, v e r a n l a s s t vielmehr die Gesellschaft über ihren Vertreter, die staatliche Exekutive, dass die privaten Geldbesitzer, in Zusammenfassung die Banken es tun. Es handelt sich ja darum, dass in der ökonomischen Wahl eine längerfristige Nachfrage mitgeteilt worden ist - man kann von einer "Bestellung" sprechen, die von der Gesamtheit der Käufer aufgegeben wurde -, und diese werden von Kauf zu Kauf, des Stroms zum Beispiel oder der Fahrt mit dem Verkehrsmittel, alles bezahlen; das ist so gesehen kein anderer Fall, als wenn ein Bäcker in Brötchen investiert, weil er wissen kann, dass sie ihm abgekauft werden. Wie der Bäcker sich an eine gewöhnliche Bank wendet, wenn er Geld braucht, kann es auch der Unternehmer tun, der am Bau von mehr Straßenbahnen beteiligt ist. Der entscheidende Punkt ist, dass die Bank ihm "dann und genau dann" Geld vorschießt, w e n n sich sein Bauplan im Rahmen des Gewählten bewegt (und natürlich: wenn er die üblichen "Sicherheiten" vorweisen, die Bank ihn so oder anders für seriös halten kann).

Von hier an kann der Weg kontrolliert werden, den das Geld nimmt. Dabei kommt es nicht darauf an, am Anfang einen Geldbetrag festzusetzen, der keinesfalls über- oder unterschritten werden darf, sondern darauf, dass die Kostenentwicklung durchsichtig ist. Die Kostenentwicklung einschließlich der sie anfachenden Preisgestaltung. Ich habe ja bereits dargelegt, dass es in der Anderen Gesellschaft kein Wirtschaftsgeheimnis mehr gibt. Man wird daher nicht nur sehen, wie ein in den Umbau involvierter Unternehmer für sein Teilprojekt Kredit aufnimmt und damit Rechnungen bezahlt, sondern auch wie diese Rechnungen zustande kommen; ob sie angemessen oder überhöht sind. Man wird unterscheiden können: Reichen die zunächst vergebenen Kredite deshalb nicht aus, weil unvorhersehbare Probleme im Zuge der Produktion aufgetreten sind, oder deshalb, weil sich unternehmerische Trittbrettfahrer einzuschmuggeln versuchen?

Heute wird Gleichungsgeld so eingesetzt, dass der private Kreditgeber seinen Beitrag genau zurückbekommen soll (nach der Logik G = G), zusätzlich noch Zinsen (auf Basis von G => G'), und da er nur im Eigeninteresse verleiht, kann die Gesamtheit der privaten Kreditvergaben, unzusammenhängend, wie sie sind, zu Verwicklungen und manchmal zum Chaos führen. Nicht so in der Anderen Gesellschaft. Hier gibt es den auf die Gesamtheit bezogenen "Kostenvoranschlag", man beobachtet jederzeit die Entwicklung, die der Umbau nimmt, und kann immerzu eingreifen, wenn es anders läuft als vorgesehen war.

Nicht zuletzt ist man darauf aufmerksam, dass der gewählte Umbau irgendwann zu Ende sein muss. Wenn soundsoviel Straßenbahnen und soundsoviel Privatautos gebaut worden sind, sollen nicht noch mehr gebaut werden können. Oder wenn die Gesamtmenge an für Biosprit vorgesehenem Boden erreicht ist, darf man weiteren nicht mehr kaufen. Es dürfen eben überhaupt nur "bestellte", das heißt wahlkonforme Investitionsgüter gekauft werden. Jede Privatbestellung eines Investitionsguts muss sich als Teil der gesellschaftlichen Gesamtbestellung ausweisen können. Im öffentlichen Nachvollzug der Gleichungsgeldketten (Kreditketten) zeigt sich, ob der Ausweis gelingt.

Ein Letztes: Nicht nur die Gesellschaft ist frei, wenn sie in ökonomischen Wahlen dem nachfragt, was man ihr anbieten soll. Die Unternehmer, die es dann tun, sind auch frei. Kann ihre Freiheit dazu führen, dass sie das nachgefragte Angebot verweigern? Ich glaube nicht. Bleiben wir bei dem Beispiel, dass eine Wahl entschieden hat, das Verhältnis von motorisiertem Privatverkehr und Öffentlichem Verkehr solle von sage 7 : 3 auf 3 : 7 verändert werden. Wohl kann man sich vorstellen, dass es dann Autounternehmer gibt, die weiter anbieten wollen, auch wenn ihr neuer, herabgesetzter proportionaler Anteil schon erreicht ist. Das können sie aber eben nicht. Und nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie geben auf und überlassen den Unternehmen, die auf Öffentlichen Verkehr spezialisiert sind, das Geschäftsfeld. Es auszuweiten, werden die Letzteren sich bestimmt nicht weigern. Oder es kommt noch hinzu, dass die Autounternehmer ihre Produktion teilweise konvertieren, um a u c h zu denen zu gehören, die von der Ausweitung des Geschäftsfelds "Öffentlicher Verkehr" profitieren. Den Kredit werden beide bekommen, die einen, die ihre Tätigkeit nur ausweiten, wie die andern, die sich zur Konversion entschließen.

Mehr Grundsätzliches, denke ich, braucht zur Rolle des Gleichungsgelds in der Anderen Gesellschaft nicht ausgeführt zu werden. Ich wollte ja in diesem Kapitel nur zeigen, dass es die möglichen neuen Wege, die zuvor in den Kapiteln über die "Marktmaschine" aufgezeigt wurden, nicht belastet und illusorisch macht. Natürlich muss noch gefragt werden, bis wohin es in Gelddingen sinnvoll ist, das Spiel mit der Gleichung zu treiben - bis zu welcher Komplexität und Fragilität von "Derivaten", wie man das heute nennt. Überhaupt wie die Banken organisiert sein sollen, und so weiter. Doch soweit es nötig ist, hierzu etwas zu sagen, geschieht es besser im Schlussteil, den Kapiteln, die nun endlich die ökonomischen Wahlen selber erörtern und alles, was sich auf ihnen aufbaut und was nicht.

Hier in diesem Kapitel muss aber noch erörtert werden, wie sich M ö g l i c h k e i t u n d M a c h t in Gelddingen zueinander verhalten, heute und in der anderen Gesellschaft. Es scheint ja, dass sie sich etymologisch kaum unterscheiden. Schwer fiel es uns, die kapitalistische Identität von möglich = wirklich aufzubrechen. Doch auch mit möglich = mächtig finden wir uns nicht ab.

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Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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