(104/2) Musik und Gesellschaft (Forts.)

Umbau des Geldes "Die Andere Gesellschaft": Vierter Teil, zweite Hälfte des zweiten Eintrags im zehnten Kapitel

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Bei Beethoven gibt das musikalische Ich viel, doch nicht alles von sich preis. Anders bei Brahms' d-moll-Sonate. Von ihr kann man jedenfalls nicht sagen, sie entführe in eine Welt, in der etwas wie Eifersucht als nichtig erscheinen würde. Was für eine Welt sollte das auch sein? Der Kampf gegen Tyrannen, wie in Beethovens Fidelio, steht nicht mehr auf dem Programm. Ist Brahms' Musik noch irgend politisch? Zur Reichsgründung 1871 hat er ein Jubelstück geschrieben, das mit Recht der Vergessenheit anheimfiel. Es ist allenfalls dadurch interessant, dass nur Verse der Johannesoffenbarung vertont werden, die Reichsgründung also beim Komponisten apokalyptische Gefühle hervorruft. Wenn wir oben sagten, das Tranzendente sei vormals "gesellschaftlich dingfest gemacht" gewesen in Institutionen wie der Ehe - aber ja nicht nur dort, das Deutsche Reich selber nannte sich "heilig" - und die Musik habe eben dies Ineinandergreifen von Gesellschaftlichkeit und Transzendenz gespiegelt, so ließe sich zu Brahms bemerken, bei ihm komme selbst da, wo er ein politisches Ereignis musikalisch kommentiert, das Gesellschaftliche n u r n o c h als Transzendentes vor. Damit steht es schon kurz vor dem Verschwinden.

Wie mit Beethoven könnten wir Brahms auch mit Johann Sebastian Bach vergleichen. Brahms' wunderbare Orgelfuge as-moll (ohne Opuszahl) lehnt sich ganz eng an den Contrapunctus 11, a 4 aus Bachs Kunst der Fuge an, aber nur um dies kathedralenmäßige Werk, das die Geschichte der Kreuzigung zu erzählen scheint, völlig zu "privatisieren".

Lieben Sie Brahms?

Das wirklich Interessante an Brahms ist aber, dass er diese Zurückgeworfenheit des Menschen auf sich selbst im Verhältnis zu einer Gesellschaft, die sich, mit Wagners Wesendonk-Lied zu sprechen, als "öde Leere" entpuppt, als solche wieder zu reflektieren versucht. Wie man weiß, wollte er ja Beethovens Nachfolger sein. Was ist der Horizont, den seine vier Sinfonien aufreißen? Die erste spielt überdeutlich auf Beethovens Neunte an, "Freude schöner Götterfunken", nach Freude hört es sich aber nicht mehr an, eher nach Arbeit.

Ganz eigenständig und sehr wichtig im Zusammenhang unsers Themas ist die dritte Sinfonie, zu der es von Francoise Sagan eine treffende Romanfassung gibt. "Lieben Sie Brahms?", so der Titel, ist auch hervorragend verfilmt worden. Der erste Satz der Sinfonie steht ganz ungewöhnlicherweise im Dreivierteltakt, und auf seinem Höhepunkt begreift man den Grund: Brahms erinnert sich quasi eines rauschenden Wiener Ballsaals, in dem Walzer getanzt wird, also eines g e s e l l s c h a f t l i c h e n Ereignisses. Indessen zieht sich das Walzermotiv im dritten Satz zum Trauermotiv eines einsamen Herzens zusammen. In der Verfilmung wird Brahms ganz passend durch d i e s e s Motiv repräsentiert. Es folgt im vierten Satz unverhüllte Katastrophenmusik.

Von der vierten Sinfonie war Brahms' geliebte Freundin Clara Schumann, der er sich oder die sich ihm wohl nie körperlich nahte, schon bei der Uraufführung entsetzt. Hier geht es gar nicht mehr um Liebe, aber hier begreift man, dass es schon bisher nicht primär darum ging, sondern ums Verschwinden des Sozialen überhaupt. Im Thema des ersten Satzes hat ein spöttischer Zeitgenosse die unfreiwillige Vertonung der Wörter "Mir fällt - nichts ein -" sehen wollen. Das trifft es genau, wenn auch nicht in dem Sinn, dass Brahms' Unfähigkeit in ihm zutage getreten wäre. Die vierte Sinfonie ist sicher eine der bedeutendsten tonalen Kompositionen überhaupt. Aber Brahms zeigt, dass solche kein Fundament mehr haben, das heißt kein gesellschaftliches. Nicht ihm, sondern der Gesellschaft fällt nichts mehr ein, was eben der Definition von Nihilismus entspricht. Unter Nihilismus versteht Nietzsche, dass den Menschen die (übergreifenden) Ziele abhanden gekommen sind.

Sehr bezeichnend folgt dem "Mir fällt nichts ein"-Thema eine Phase ritterturniermäßiger Fanfarentöne. Brahms bringt solche "Romantik" nur, um sich davon zu verabschieden. Er ist kein "Spätromantiker". Wenn man ihm ein Etikett verpassen will, sollte man ihn einen "poetischen Realisten" nennen. Der zweite Satz, besonders erschütternd, stellt nur noch das Nicht-von-der-Stelle-kommen dar. Man ist beweglich genug, geschäftig wenn man will, und das könnte ins Unendliche so weiter gehen, aber es passiert buchstäblich überhaupt nichts. Der dritte Satz bringt noch einmal Fanfarenklänge, in denen man übrigens vielleicht eine Entsprechung (wenn auch keinerlei Ähnlichkeit) zu den Fanfaren sehen kann, die in Wagners Tristan-Drama, erster Aufzug, die "Welt" bedeuten, aus der die Liebenden ins Reich der Nacht fliehen. Brahms wischt sie noch brutaler als Wagner vom Tisch, indem er sie am Beginn des vierten Satzes auf eine ganz andere Fanfare reduziert, die nun ohne jedes schmückende Beiwerk in gleichmäßigen Schritten, zugleich gemessen und in kürzester Zeit, nach oben schreitet, und oben ist S c h l u s s , Ende der Fahnenstange. Das ist kein Ritterspiel mehr, sondern das Weltende, wie Brahms es schon im Deutschen Requiem (anders) vertont, da aber mit dem Text von Paulus unterlegt hatte: "und dasselbige plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune".

Zur besseren Verortung führe ich noch die d-moll-Sinfonie des Belgiers César Franck an. Sie ist wohl eine der eindrücklichsten, die es gibt, man kann aber, wenn man sich in der hier skizzierten Fragestellung bewegt, nur irritiert sein über ihre hemmungslose Privatheit. Sie entspricht dem Genre nicht mehr. Diese groß angelegte Sinfonie nimmt es einerseits an Pathos mit Beethovenschen Trauermärschen wie dem aus der Eroica auf, andererseits hat man das Gefühl, sie handle nur noch von Liebeskummer. Tatsächlich ist sie einem Schüler des Komponisten gewidmet, betrauert dessen Nervenlähmung, die eine vielversprechende Karriere unmöglich machte. Der langsame zweite Satz mit seinen in Harfenklang eingewickelten Zweitonfolgen erinnert wohl nicht zufällig an den langsamen zweiten Satz des Deutschen Requiems von Brahms. Ja, eine Nervenlähmung ist ein tragisches Schicksal. Aber davon handelt nun eine Sinfonie. Beethoven wollte seine Dritte Napoleon widmen, noch Anton Bruckner, der große Unzeitgemäße, widmet seine Neunte "dem lieben Gott". Bei Franck sind vom Gesellschaftlichen nur die Sinfonieform und eine vage Anspielung auf den Totensonntag geblieben.

Das Verschwinden in der Wand

Wie unter vielen Gesichtspunkten bekannt, beginnt mit Arnold Schönberg ein neues Entwicklungsstadium. Es beginnt auch in dem, was uns hier beschäftigt. Schon die völlig tonalen Gurrelieder distanzieren sich krass von der Eingeschlossenheit in die Liebesparanoia, von der Schönberg selbst als Person nur allzu gut wusste. Sie haben zwei Teile, und wahrscheinlich geht es nicht nur mir so, dass ich meist nur den hinreißenden ersten Teil anhöre, in dem die Geliebte stirbt. Der zweite Teil aber, beginnend zwar mit Verzweiflung, Wut und Gottanklage des Liebenden, stellt das Traurige als Erlebnis der Nacht dar - wie auch Tristan und Isolde sich nachts treffen -, worauf herrlich der neue Sonnenaufgang folgt. Optimistisch zwar sind die Werke Schönbergs nicht geblieben, dazu hatte er keinerlei Grund, doch der Perspektivwechsel, den die Gurrelieder vollziehen, stellt sich im Nachhinein als Weichenstellung dar. Nachdem wir uns nämlich zunächst mit dem Liebenden in der Geliebten spiegeln, sind wir auf einmal mit dem Wispern einer ungeheuer vielfachen Natur konfrontiert, und zuletzt wird die Liebesklage nichtig vor dem Sonnenlärm.

Eine gewisse Ähnlichkeit mit der Konzeption der ersten Szene von Faust II ist unverkennbar. Nur dass unklar bleibt, ob der neue Tag noch Individuen duldet, die nun einmal zur Liebe neigen. Ist nur die Klage des Geliebten nichtig oder verschwindet er selbst in der Wand des Allgemeinen? Wie Jahrzehnte später das Ich des Romans Malina? (Das Verschwinden in der Wand. Destruktive Moderne und Widerspruch eines weiblichen Ich in Ingeborg Bachmanns "Malina" ist der Titel einer Studie von Gudrun Kohn-Waechter, Stuttgart 1992.) Hieran ist für die nachfolgende Entwicklung nicht nur Schönbergs, sondern auch anderer Komponisten nur untypisch, dass die Seite des Allgemeinen als Natur gefasst wird statt religiös und damit gesellschaftlich. Denn schon bevor die Gurrelieder zuendekomponiert sind, hat Strawinsky den Frühling durch ein Menschenopfer hervorrufen lassen. Le Sacre du Printemps: Im Bild geht es auch hier um Natur, doch wird man sich, wenn man das sieht und der Zeit der Uraufführung sich erinnert - 1913, Vorabend des Ersten Weltkriegs -, vor allem der mythischen Tradition erinnern, nach der es, um eine neue Stadt zu bauen, des Gründungsmords bedurfte.

Während Strawinsky das Geschehen nur kommentarlos spiegelt, stellt Schönberg es in der Oper Moses und Aron hilflos kritisch dar, 1930, als schon die Naziherrschaft vor der Tür steht. Der rituelle Tanz, der im Selbstopfer fürs Allgemeine mündet, kommt hier wie bei Strawinsky vor. Er erscheint deutlich als böse. Aber wenn dann dem bösen Allgemeinen - Religiösen, Gesellschaftlichen - in Gestalt des mosaischen Gottes und der Gesetzestafeln ein gutes konfrontiert wird, erweisen diese sich als ohnmächtig. Sie sind zu abstrakt, um mit der Sinnlichkeit des Tanzes "ums Goldene Kalb" ins Verhältnis treten zu können, außer selbst wieder in das des Vernichtens.

Nicht zu verkennen, dass mit dem "Goldenen Kalb" ganz buchstäblich d a s G e l d gemeint oder mitgemeint sein muss. Als hätte Schönberg komponierend herausgefunden, dass ein Geld, welches in purer Individuiertheit dem Gesellschaftlichen nur noch den Rang einer Nahrung zuerkennt, die es aufzufressen bereit und gezwungen ist, zuletzt selber zwangsläufig eine neue Gesellschaft hervorruft, die nun ihrerseits das Individuelle frisst und damit auslöscht. Dies aber kann auch ohne Rückgriff auf ältere Mythen dargestellt werden, wie Schönbergs Schüler Alban Berg mit seiner Oper Lulu zeigt. Hier nun ist das Geld, als Medium der Prostitution, ganz nackt auf die Bühne gebracht, erhält sogar eine eigene Musik - ragt tonal aus atonalem Umfeld heraus -, und wenn dies Spiel wieder aufs Menschenopfer hinausläuft, Lulus Ermordung, kann doch niemand mehr glauben, es sei die Natur oder ein Gott, denen man schon vor der Zeit seinen Atem zurückgeben müsse. Was einen auslöscht, ist die Gesellschaft des Geldes.

Wenn wir einen Schritt zurücktreten, müssen wir konstatieren, dass sich bis hierher an der Implosion des Individuellen und Gesellschaftlichen als solcher noch gar nichts geändert hat, nur dass sie auf den Kopf gestellt wurde, oder wenn man will auf die Füße. Jetzt verschwindet eben das Individuelle im Gesellschaftlichen statt umgekehrt.

Die neue Entwicklung, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Schule der "seriellen" Musik anhebt, stellt noch einmal einen wirklichen Fortschritt dar, im "musikalischen Material" sowieso, aber auch geistig. Eine Generation tritt auf - Boulez, Stockhausen -, die sich von vornherein nur noch im Utopischen bewegt, das sie ohne Bezugnahme auf Wiedererkennbares abstrakt "konstruiert", wie das Schlüsselwort von Adornos ihr geltender ästhetischen Theorie lautet. Es ist, als bliebe aus Schönbergs Oper nur der Gott der Gesetzestafeln übrig. Dies näher auszuführen, kann ich mir hier nicht zur Aufgabe machen. In unserm Zusammenhang mag die Feststellung erhellend genug sein, dass von nun an die Musik selber zu einem für sich dastehenden Gesellschaftlichen wird; dessen Verschieden- und Getrenntsein vom Individuellen sich daran schon zeigt, dass die Individuen mit ihr nichts anfangen können, so wenig wie die Tänzer ums Kalb mit Mose. Immer noch eine Hilflosigkeit der musikalischen Kritik? Wenigstens bedeutet es auch, dass sich Musik als das Versprechen, es könne etwas wie Gegenmacht geben, sichtbar auf Dauer positioniert hat.

Sergeant Pepper

Mehr als das kann wohl nur gelingen, wenn zunächst auch a u ß e r m u s i k a l i s c h eine neue und zwar revolutionäre Entwicklung eintritt. So war Beethoven nicht denkbar ohne die Französische Revolution. Der ganz exzeptionelle Charakter seiner Musik tritt gerade unter dem Gesichtspunkt hervor, der meiner Betrachtung zugrunde liegt. Denn wo wäre vor oder nach ihm diese Unterscheidbarkeit, Verträglich- und Gleichwichtigkeit der individuellen und gesellschaftlichen musikalischen Impulse in ein und demselben Werk je erreicht worden? Bei Mozart allenfalls, Beethoven geht aber viel weiter als er. Er stellt mehr Leidenschaft zur Schau und behält doch jene Würde, die Tolstoi sogar der Kreutzersonate zusprechen muss. In Würde ist Anstand enthalten. Der Anstand liegt darin, dass distanziertes Zuhören von der Musik selber ermöglicht wird. Sie signalisiert, dass ihr bewusst ist, auf der Welt nicht allein zu sein. Die Freiheit ihres Vortrags der Leidenschaft steht hörbar unter dem Vorbehalt, dass sie sich hütet, in die Freiheit anderer einzugreifen. Sie drängt sich nicht auf, schon gar nicht versucht sie zur Identifikation mit sich zu nötigen. Denn ihr Individuelles sieht sich als bloßes Teil einer freien Gesamtheit. Darin besteht ja gerade das politische Programm.

Es scheint auf den ersten Blick müßig, Vergleichbares in unserer Zeit finden zu wollen, doch dem ist nicht so. Ich habe davon gesprochen, dass die "konstruierte" Musik nach dem Zweiten Weltkrieg den Unterschied des Individuellen und Gesellschaftlichen genauso einebnet, nur nach der andern Seite hin, wie die "romantische" des 19. Jahrhunderts. Verschwand in Wagners Tristan die "Welt", so wird bei Boulez das Individuum fast unsichtbar. (Immerhin in verschlüsselten symbolistischen Texten, unter Decknamen wie "Hammer ohne Herr", Schwan im Eis wird es noch evoziert.) Denken wir aber einmal an die mehr oder weniger friedliche Koexistenz, in der sich "U-Musik" und "E-Musik" seit nun schon langer Zeit eingerichtet haben. "U" für Unterhaltung, "E" für Ernst: Die Begriffe sind völlig unbrauchbar, aber wie soll man es sonst nennen? Es wäre tatsächlich nicht absurd, stattdessen von der einen Musik zu sprechen, deren "Ernst" darin besteht, dass sie nur gesellschaftlich ist, und der andern, die dadurch unterhält, dass sie sich nur ans Individuum adressiert, wie es der Schlager tut. Nicht nur Tristan und Isolde blenden die "Welt" aus, sondern auch die Tanzenden in der Disco. Der Unterschied von U- und E-Musik, um bei den eingebürgerten Wörtern zu bleiben, fällt auch deshalb so ins Gewicht, weil die eine tonal geblieben, die andere atonal geworden ist. Darin zumindest ist unsere musikalische Situation mit keiner Verschiedenheit von "Volks-" und "hoher Musik" vergleichbar, die es auch früher gegeben hat.

Ich führe das an, um den Kreis zu erweitern, in dem wir nach einer Analogie zu Beethovens musikalischem Konzept in unserer Zeit suchen können. Ich habe an Beethovens Beziehung zur Französischen Revolution erinnert: Gab es auch in der Zeit um 1968 eine Musik, die aus dem Gefängnis bloßer Vergesellschaftung oder bloßen individuellen Selbstbezugs hat ausbrechen können? Was die "E-Musik" angeht, scheint es mir nicht so, ich überblicke sie aber nicht. Das Phänomen kann aber auch in der "U-Musik" aufgetreten sein. Und so verhält es sich. Der Schlager, vormals im "brennend heißen Wüstensand" der Sehnsucht sich erschöpfend, greift plötzlich nach der gesellschaftlichen Dimension. In welcher Vielfalt das bei verschiedensten Beat-Gruppen geschah, deren Namen bis heute nicht vergessen sind, kann hier nicht dargestellt werden. Ich will aber daran erinnern, dass ihre Songs, es ist nicht zu pathetisch gesagt, zentraler Bestandteil des Lebens der damals politisch Aktiven waren. Nur eine Gruppe greife ich heraus, deren Musik "klassisch" genannt werden kann, die Beatles. Schon eine Äußerlichkeit war bezeichnend, sie hat mich damals hellhörig gemacht: dass im Schlager Penny Lane ein barockes Trompetenmotiv erklingt.

Im Song Eleanor Rigby singen sie: "All the lonely people, where do they all come from?" Das war revolutionär. Das typische Thema des Schlagers, Einsamkeit und Sehnsucht nach Liebe, wird auf einmal (1966) als Rätsel ausgesprochen. Wenig später (1967) singen sie: "We 're Sergeant Pepper's lonely heards club band!" Begeistertes Geschrei der heards, die zuhören, wird eingeblendet, und es hören viele zu, und mit der Einsamkeit ist es vorbei. Nicht weil sie nur überhaupt zusammen zuhören. Sondern weil man aufhört, isoliert zu sein, wenn Einsamkeit zum Thema erhoben wird. Man schämt sich nicht mehr! Der wilde Mut der Vertonung gibt Kraft. Auf derselben Platte ist zuletzt der Song "A day in the life" eingespielt, der die Tagesnachrichten belustigt rekapituliert - "The English Army had just won the war" - und sich davon abwendet: "Someboy spoke and I went into a dream". Denn es ist ein Tag in m e i n e m Leben. Die Musik zum dream lässt an einen LSD-Rausch denken, man darf aber auch eine Anspielung auf Ligetis clustermäßige "E-Musik" darin sehen. Ligeti, welch Zusammentreffen, sollte nur ein Jahr später weithin bekannt werden, weil er ausführlich zitiert wird in Stanley Kubriks Film 2001 - Odyssee im Weltraum (1968).

So weit sind wir schon einmal gewesen.

*

In der nächsten Notiz fasse ich die Ergebnisse des bisherigen Verlaufs der ganzen Blogreihe zusammen oder beginne mit dieser Zusammenfassung. Auf dieser Basis folgt dann die Hauptsache, der Schlussteil über allgemeine ökonomische Wahlen in der Anderen Gesellschaft.

Die Gliederung des Blogs "Die Andere Gesellschaft" in Kapitel finden Sie hier. Sie können von dort aus alle bisher 107 Eintragungen anklicken.

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Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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