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In der Theorie des Werts verdichtet sich der Marxsche Widerwille gegen Ware und Geld. Wir haben uns dem Wert vom Mehrwert her genähert. Dieser ist unter allem Ökonomischen dasjenige, was nur aus Arbeit, und zwar unbezahlter, entstanden sein kann. Doch wie ich ankündigte, will Marx schon den Wert nicht anders erklären: Nur Arbeit, bezahlte und unbezahlte, soll Wert schaffen können. Dasselbe wäre dann vom Geld zu sagen, der Vergegenständlichung des Werts. Das Geld scheint der Reichtum zu sein, aber nur, weil es den Ort der Arbeit usurpiert habe. Deshalb lehnt Marx es ab.
Schauen wir uns seine Argumentation näher an. Am Anfang steht die Feststellung, dass Wert zwar nur auf Arbeit zurückgeführt werden könne, Arbeit aber nicht immer Wert schaffe. Marx unterscheidet zwischen Wert und Gebrauchswert. Dass Arbeit immer Gebrauchswert schafft, mehr oder weniger gelungene Nützlichkeit eines Dings oder einer Leistung, ist klar. "Wert"setzend soll aber nur die Arbeit an Produkten, die für den Tausch bestimmt sind, genannt werden. Genau genommen ist es so, dass auch Tauschobjekte nur dann Wert haben, wenn sie wirklich getauscht werden. Gegen Geld. Sie sind so viel wert, wie sie Geld einbringen. Geld also ist derjenige Reichtum, den die wertschaffende Arbeit letztlich hervorbringt.
Doch ist das die entscheidende Frage: wodurch Geld hervorgebracht wird? Marx fragt nach der "Genesis" des Geldes. Dass Arbeit und Tausch die beiden Sachen sind, mit denen es zusammenhängt, kann kaum bestritten werden. Die Frage spitzt sich aber darauf zu, ob der Tausch selber noch einmal auf Arbeit zurückgeführt werden kann. Ist er als das Geschöpf der Arbeit in einer bestimmten Produktionsweise zu definieren? So will es Marx. Seine Erörterung hat eine historische und eine "logische" Seite. Historisch argumentiert er, in frühern Zeiten sei mehr nach zufälligen Kriterien getauscht werden, da habe der Tausch auch nur eine Randrolle gespielt. In einer Gesellschaft, die von Tauschbeziehungen durchdrungen sei, der kapitalistischen, musste sich dann ein objektives Tauschkriterium durchsetzen, und nur die Arbeitsleistung kam infrage. Zwei Waren seien gleich viel "wert", wenn sie gleich viel Arbeitszeit erforderten. Marx fügt sinngemäß hinzu, es zähle nur solche Arbeitszeit, die bei Verwendung jeweils modernster Maschinen anfalle. Dass sein Kriterium nur den Kern von Angebot und Nachfrage bestimmt, einer Beziehung, die daneben auch willkürliche Nachfrageimpulse spiegelt, leugnet er nicht.
Entscheidend und wirklich beweiskräftig soll die "logische" Begründung sein. Hier geht Marx davon aus, dass in zwei Waren, die gleich viel wert sind, auch gleich viel "gesellschaftlich notwendige", auf dem entwickeltsten Maschinenwissen gründende Arbeit steckt. Dann stellt sich die Frage, ob es etwas zur Sache tut, dass ihre Wertgleichheit geldvermittelt ist. Ware A wird ja gegen einen Geldbetrag getauscht und der hat die Größe, dass Ware B mit ihm gekauft werden kann. So wird getauscht, anders sind Waren nicht aufeinander beziehbar. Doch diese Bewegung, W-G-W, lässt sich laut Marx auf die Keimform des einfachen Tauschs Ware A gegen Ware B zurückführen, zum Beispiel 20 Ellen Leinwand gegen einen Rock. Er sagt, hier eigne der Ware B bereits die Geldfunktion, denn Geld sei das Tauschfähige, und Ware B sei tauschfähig.
Aus dieser Keimform lasse sich das, was wir unter Geld verstehen, bereits logisch entwickeln, und zwar so: Ware B ist zwar tauschfähig, aber doch nur gegen Ware A. Über mehrere logische Stufen kommt man zur u n b e s c h r ä n k t e n Tauschfähigkeit, dem wirklichen Geld, das den Gegenwert beliebiger Waren darstellt. Auch dieses heftet sich an eine bestimmte Ware; nicht an den Rock, sondern zu Marx' Zeit ans Gold. Als wirkliches Geld ist Gold nicht irgendeine Ware B, sondern, so Marx, die a l l g e m e i n e Ware. Umgekehrt gilt aber, Geld hat sich aus dem b e s o n d e r e n Tausch Ware A gegen Ware B entwickeln lassen. Es ist zwar wichtig, seine Verselbständigung im Tausch zu begreifen, an der seine Rolle in der kapitalistischen Produktionsweise hängt. Das ändert aber nichts daran, dass wir es zuletzt in jeder Hinsicht nur mit Waren, "Arbeitsgallerten", zu tun haben. Mit Arbeit also, in falsch verdinglichter Form.
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Marx' Argumentation zielt darauf ab, die Tatsache des Tauschs als eine Absurdität hinzustellen, zu der es nur komme, weil für die Arbeit ein "Wert"ausdruck gesucht worden sei. Wenn Ware A gegen Ware B, die Geldware, getauscht werde, bedeute das, sie habe einen Arbeitswert, könne diesen aber nur in der Ware B ausdrücken. Dass Ware B Ware A, der Rock die Leinwand zum Ausdruck bringe, sei absurd. So absurd es aber sei, sei es die Funktion der Ware B im Tausch und des Tauschs selber.
Ich meine, hier geht etwas durcheinander. Marx konfundiert die Übertragung von Wert mit der Realisierung von Wert. Beide Begriffe kamen schon in der letzten Notiz vor. Wir sind nun an dem Punkt, sie miteinander vergleichen zu müssen.
Es ist zunächst eindeutig, dass Marx von Wert r e a l i s i e r u n g spricht, wenn er den Wert der Ware A in Ware B ausgedrückt findet. A mag in fünf Arbeitsstunden hergestellt worden sein, entsprechend müsste es auf dem Markt fünf Geldeinheiten (Einheiten von B) einbringen. Doch ob A überhaupt verkauft werden kann, und wenn ja, ob zu weniger oder mehr Einheiten, ist unsicher. Vielleicht standen während der fünf Arbeitsstunden bessere Maschinen zur Verfügung, als die Konkurrenz welche hatte, so dass nirgendwo mehr A in dieser Zeit produziert werden konnte als hier. Die Folge wäre, dass man das einzelne A-Element billiger verkauft als die Konkurrenz, ihr Marktanteile wegnimmt und einen Teil dessen, was sie bei gleich guten Maschinen eingenommen hätte, zum Rückfluss des selbst erarbeiteten Werts noch dazugewinnt. Das heißt, man gewinnt für fünf Einheiten A nicht fünf, sondern sage sieben Geldeinheiten B. Aber das umgekehrte Kräfteverhältnis ist auch möglich. Man hat die schlechteren Maschinen und ist gezwungen, fünf Einheiten A gegen nur gegen drei Geldeinheiten B zu tauschen. Oder es ist gleich, dann erhält man fünf B für fünf A.
Worauf ich hinaus will: In allen Beispielen zeigt sich, dass A vor dem Tausch nur m ö g l i c h e r w e i s e einen Wert hat (erstens einen Wert überhaupt und zweitens "diesen" Wert, der kostendeckend wäre und Gewinn einschlösse); was A "wirklich wert ist", zeigt sich erst im Geldrückfluss B (darin, dass er überhaupt eintritt, und in der Höhe). Es stimmt also: Wovon Marx eindeutig spricht, ist, in seiner eigenen Terminologie, obwohl das Wort noch nicht fällt, die "Realisierung" des Werts von A in B.
Doch zugleich stellt er den Elementartausch als Ü b e r t r a g u n g dar. Das liegt schon in seiner Formulierung, denn was er erörtert, spricht er selbst als die G l e i c h u n g "x Ware A = y Ware B" aus. Nun sieht es aus, als fließe für A nicht weniger oder mehr oder überhaupt nichts, sondern genau gleich viel B im Tausch zurück. Und gerade so ist es gemeint. Es verträgt sich mit der vorigen Überlegung. Könnte A seinen Wert in sich selbst ausdrücken - hätten wir es, anders gesagt, schon vor dem Tausch nicht bloß mit A's möglichem, sondern wirklichem Wert zu tun -, dann könnte gesagt werden, A sei weniger oder mehr wert als B; da die W i r k l i c h k e i t von A's Wert aber nur in B liegt, i s t A genau gleich viel wert wie B. In Marx' methodischem Selbstverständnis, das wir hier noch nicht betrachten, stellt sich die Sache so dar, dass er am Anfang von allen Ungleichheiten, die zwischen dem möglichen A und dem in B realisierten A auftreten können, noch "abstrahiert", um erst einmal nur zu sagen, dass der reale Wert von A genau seinem realisierten Wert entspricht, dass also, wie gesagt, x Ware A = y Ware B. Damit sagt er aber eben, dass der Wert von A in genau gleicher Höhe auf B ü b e r t r a g e n wird.
Realisierung und Übertragung stehen also in folgendem Verhältnis zueinander: Die Möglichkeit von A wird in B's Wirklichkeit mehr oder weniger realisiert. A, wie es jedenfalls real ist, ist das Gleiche wie B; es hat seine reale Wertgröße auf B übertragen. Man kann sagen, wenn A seine Möglichkeit realisiert, kommt es zwangsläufig dazu, dass es seine Wirklichkeit überträgt. Doch dabei zeigt sich ein Unterschied. Marx mag es immer absurd finden, dass A sich in B realisieren muss, die Ware im Geld oder, noch verrückter, zwanzig Ellen Leinwand in einem Rock. Ganz gewiss liegt aber keine Absurdität darin, dass sich die linke Seite einer Gleichung auf die rechte überträgt.
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Marx hat freilich sogar in der mathematischen Gleichung das Absurde gesucht. In seinem Nachlass fand man Aufzeichnungen, die unter dem Titel Mathematische Manuskripte veröffentlicht wurden (Kronberg 1974). Hier will er sich über das Differential Klarheit verschaffen und tut das so, dass er zwischen "symbolischem" und "realem" Differentialkoeffizienten unterscheidet. Wir lassen den Differentialkoeffizienten als black box beiseite und sehen nur zu, wie Marx mit dem Sachverhalt Gleichung ringt. Der "symbolische" Differentialkoeffizient stehe auf der linken, der "reale" auf der rechten Gleichungsseite, lesen wir. Und weiter: "Der symbolische Differentialkoeffizient wird so zum selbständigen Ausgangspunkt, dessen reales Äquivalent erst zu finden ist. So ist die Initiative von dem rechten Pol [sc. der Gleichung] auf den linken, den symbolischen, verschoben." (S. 64) "Und damit scheint doch der Umschlag der Methode, der die Initiative von der rechten Seite auf die linke wirft, von Haus aus ein für allemal erwiesen." (S. 71). Sie liege aber "stets" auf der linken Seite, schon "weil wir von der Linken zur Rechten schreiben" (S. 72).
Wo Marx metaphorisch spricht, sehen wir, dass er jede Gleichung genauso verrückt finden will wie die Wertgleichung: "Das transzendentale oder symbolische Unglück ereignet sich nur auf der linken Seite, hat aber seine Schrecken bereits verloren, da es nun nur als Ausdruck eines Prozesses erscheint, der seinen wirklichen Gehalt bereits auf der rechten Seite der Gleichung bewährt hat." (S. 55) So spricht er über die mathematische Gleichung, es könnte Wort für Wort in die Lehre der Wertgleichung übersetzt werden: Das Wertunglück ereignet sich nur für A auf der linken Seite, das heißt vor dem Tausch, wo die enttäuschte Entdeckung noch bevorsteht, dass A's Wert geringer als geglaubt oder gar nicht vorhanden ist; wenn sich aber auf der rechten Seite, nach dem Tausch, "sein wirklicher Gehalt bewährt hat", dann hat A "seine Schrecken bereits verloren", dann ist die Äquivalenz, wie sie ist.
Aber die mathematische Gleichung ist in Wahrheit keineswegs verrückt, und deshalb muss auch in der Wertgleichung etwas liegen, das ebenso wenig verrückt ist. Die Realisierung einer Möglichkeit in einer ihr fremden Wirklichkeit mag man absurd finden, doch die Übertragung eines Seins in ein anderes ist nicht absurd. Tatsächlich wird die Gleichung seit Frege, der nach Marx gelebt hat, als eine bestimmte Form von Übertragung definiert, und sogar von Werten, "Wahrheitswerten". In Freges Theorie der formalen Logik erscheint diese als "Übertragung von Wahrheitswerten". Gilt zum Beispiel, dass "p" in "p und q" logisch impliziert ist - "wenn p und q, dann p" -, kann das auch so ausgedrückt werden, dass "p und q" seinen Wahrheitswert auf "p" überträgt. Zum Beispiel, wenn es wahr ist, dass ich einen Hund und eine Katze habe, dann ist es wahr, dass ich einen Hund habe. In dieser Sprache ist die Gleichung der Sonderfall einer w e c h s e l s e i t i g e n Wahrheitsübertragung: "wenn p und q, dann r" und ebenso "wenn r, dann p und q". Wenn es wahr ist, dass 7 + 5 = 12, dann ist es wahr, dass 12 = 7+ 5.
Wie gesagt, Frege lebte nach Marx. Vor Marx lebte Kant, auch der fand die Gleichung fragwürdig. Habe ich 7 + 5, sagt Kant sinngemäß, dann habe ich nicht schon automatisch 12, sondern ich muss sie erst noch zusammenzählen. Mit andern Worten, es vergeht Zeit. Die Gleichungssprache verhüllt diesen Umstand. Vielleicht kann gesagt werden, sie artikuliere einen Zustand, in dem es Zeit wirklich nicht gibt. Wir tauchen da in Metaphysik ein und erinnern uns, dass die historische Zeit, in der man in Gleichungen zu denken begann, dieselbe war, in der Cusanus vor dem Hintergrund theologischer Ewigkeits-Erörterungen die Grenzwertrechnung entdeckte. Wie es jedenfalls scheint, ist Marx' Frage, ob die mathematische Gleichung etwas Verrücktes sei, keinesfalls selber verrückt. Er steht nun einmal historisch zwischen Kant und Frege. Frege erst hat die Gleichung logisch begriffen, dadurch, dass er umgekehrt die Logik gleichungsmathematisch begriff. Eben als Übertragung.
Hier hatte einfach ein neuer Diskurs begonnen, weshalb man auch nicht sagen kann, Kant und Marx hätten historisch entschuldbaren Unsinn geredet. Vielmehr dürfte in der Frage, wo die Zeit bleibt, wenn zeitlose Mathematik physikalisch interpretiert und technisch angewandt wird, ganz ernsthaft einige Brisanz liegen. Auch Marx' Beobachtung, dass die Gleichung von links nach rechts geschrieben wird, ist nicht so banal, wie sie aussieht. Denn wer kann sicher voraussagen, dass die links beginnende "Initiative" sich rechts als das Gleiche weiterschreibt? Es ist gut zu wissen, dass sie sich anders besinnen kann, eines Besseren! So ist das, wenn ein neuer Diskurs beginnt: Gewisse Wahrheiten werden geopfert, weil neue verfügbar sind, die dem alten Diskurs gefehlt haben.
Das schwer zu Entheddernde ist, dass Marx beide Diskurse brauchte. Ohne den neuen lässt sich sein Sozialismus nicht denken. In dem spielen Wertrechnungen eine Schlüsselrolle. Die nächste Notiz wird uns daran erinnern. Darin, dass es Wertübertragung gibt, können Sozialismus und geldvermittelter Kapitalismus nicht verschieden sein. Was spricht dann eigentlich genau gegen geldvermittelten Sozialismus?
Hier halte ich nur die Schlussfolgerung fest, dass wenn ein Tausch nicht nur Wertrealisierung, sondern auch Wertübertragung, also Gleichung ist, er als diese Gleichung mit Arbeit nichts zu tun hat, so wenig wie die Übertragung der Wahrheitswerte bei Frege. Wenn es aber sinnvoll ist, Wahrheitswerte zu übertragen, vulgo logisch zu denken, und dies keiner weiteren Begründung bedarf, dann stellt sich die Frage, ob nicht auch die Wertübertragung im Tausch einen Eigensinn haben könnte, der, ohne von Arbeit herzurühren, nur für sich selbst steht.
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14:55 22.04.2010
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Kommentare 5
Ich grüße Sie,
sie haben erreicht, daß man sich wieder in alte Aufzeichnungen und auch in die Bücher hinein liest. Volle Punktzahl für Sie.:))
Es geht hier bei Ihnen ganz schön drunter und drüber.
Marx lehnt Reichtum/Geld (in der Form) ab, weil es den Bereich der Arbeit ursurpiert. Ich glaube, wir müssen bei Marx aufpassen. Was er an der einen Stelle seines Werkes vehement einseitig darstellt, holt er an anderer Stelle unter neuem Blickwinkel nach. Marx weiß genau, ""daß hier ein Gesellschaftsverhältnis"" (Grundrisse,Kap.:III,14,S.151), ""eine bestimmte Beziehung der Individuen aufeinander"" vorliegt. Ich glaube, darum lehnt er diese Form des Geldes ab.Dieses Verhältnis,welches die Ursache allen Übels dieser Welt ist.
Ich kann ihnen nicht zustimmen in der Schlußfolgerung: Wertübertragung im Tausch - ohne Arbeit - , das ist wohl noch niemandem gelungen.
Selbst wenn sie es rein gedanklich machen, das Hirn verbraucht ja ca 30 % unserer Energie... :)) (scheinbar nicht bei allen) :))
Geld allein ist für mich nicht unisono der Reichtum, den Wertschöpfung hervor bringt.
Schauen sie sich die Menschen an, die nach Jahren arbeitslos/HartzIV in eine ABM - heute heißt es AGH - kommen, für 6 Monate. Die sind glücklich über die Dinge, die sie aus eigener Kreativität dort schaffen können. Daß sie überhaupt dürfen.(Natürlich werden diese Dinge verkauft. Nicht mit moderner Technik hergestellt.)
Sie haben in einem Blogbeitrag vom 20.05.09 gesagt, das Grundeinkommen ist notwendig und richtig, auch wenn es scheinbar nicht logisch erscheint, jemandem Geld zu geben, ohne dafür gearbeitet zu haben.
Kriterium ist in dem Fakt - aus meiner Sicht - die Teilhabe an Tauschprozessen. Das, was man auch Leben nennt. Geld geben für Kultur, Bildung und für den Bäcker.
Fragen sie einen Amtsleiter eines Landratsamtes (CDU, SPD.. egal): ""Ohne Leistung kein Geld.Das gilt auch für HartzIV!""
Stoßen wir hier nicht sofort auf den Tauschwert?
Anderes Beispiel: Ein totaal pleite gegangener Unternehmer fühlt sich, nachdem er Insolvenz angemeldet hat, völlig erleichtert.
""Ich bin raus"", sagt er.
"Woraus?"", frage ich.
""Aus diesem ganzen schei.. Spiel!"", sagt er.
Verwunderung bei mir. Dann Aha-Eeffekt: ""Ja!"", sag ich.
""Du bist raus aus diesem System, aus dem Laufrad,.. für dich beginnt jetzt die Vorstufe einer neuen Zeit"".
Er hat also jetzt das Geld mit dem er sich einrichten muß.
Gläubiger werden ihn belagern. Aber er hat endlich Zeit die Dinge zu sehen, die er vorher nicht mehr sah. Den kommenden Frühling, den Gesang der Vögel, Bücher lesen... etc.
Sozialismus ohne Wertrechnung ist nicht denkbar. Genau.
Aber Sozialismus braucht meiner Meinung nicht, daß alles verwertet wird, was verwertbar ist. Sonst ist er nicht ökologisch.
Da ist aus meiner Sicht die nächste Schwierigkeit: Wenn sich für den Menschen ""erstmal"" nix ändert, sich der Sozialismus fast genauso wie der Kapitalismus anfühlt, warum soll er- der Mensch- sich für diesen einsetzen?
herzlichen Gruß
Einen hab ich noch.
Interessant ist für mich folgendes: Wenn tausende Aktionäre (einschließlich der IKB) an der Börse zocken, auf "synthetische" CDO's (Abacus 2007-AC1) bei Goldman Sachs,NY, die Warren Buffett als "finanzielle Massenvernichtungswaffen" bezeichnet hat; also auf ein Stück Papier. Da ist die Phantasie derer, die das tun, entweder enorm gewaltig - oder schlichtweg nicht vorhanden.
Der Tauschwert ist hier wo?
Papier für Geld.
Oder für Papier setze ich "vergegenständliche Schizophrenie"??
("Anti-Ödipus")
Marx stellt ja für den Tauschwert eine notwendige Freiheit der Austauschenden als Voraussetzung, in der sich diese in Gleichheit begegnen.Und es ist dem geistigen Geschick, oder dem (ev. besseren oder skrupellosem) Können des Austauschenden überlassen seine Freiheiten zu nutzen.
Tauschwert hat also nix mit dem wirklichem Wert zu tun. Stimmt.
Wenn ich meine Ware Akraft nicht mehr "tauschen" kann in Lohn, dann bin ich heut auf den geldvermittelten Sozialismus angewiesen. Der Wert meiner Akraft ist damit nicht automatisch verschwunden, er wird herabgesetzt durch die massenhafte Nutzung der durch den Staat verbilligten AKräfte.
Die "Ehrlichkeit" von HartzIV, wenn man das überhaupt so sagen kann, liegt in der besseren und eindeutigeren Entlarvung des kapitalistischen Systems. Man braucht den Betreffenden nur zuhören.
Aus dieser Sicht ist mir ihre WertÜBERtragung im Tausch nicht klar.
Im Tausch ist die ÜBERtragung schon vom Wort her enthalten, wie weißer Schimmel, etc. Sie sagen dazu ist Arbeit nicht notwendig.aber den Beweis dafür sehe ich oben noch nicht.
Lieber Regenwärmer, alles habe ich nicht verstanden, was Sie schreiben, aber wohl das Wichtigste.
"Sozialismus braucht nicht, daß alles verwertet wird" - ich würde formulieren: "braucht nicht, daß alles in Wert gesetzt wird" -, ganz im Gegenteil: volle Zustimmung.
Warum soll sich der Mensch für den Sozialismus einsetzen, wenn es Wertrechnung auch dort gibt? Weil es "Verwertung" im strikten Sinn, also die Strategie unendlicher Mehrwerterlangung um ihrer selbst willen, dann n i c h t m e h r geben wird, überhaupt nicht mehr. Wenn der Mensch begreift, wie viel Katastrophisches in der gegenwärtigen Gesellschaft von dieser Strategie herrührt, die das Kapital definiert, wird er sich für eine Gesellschaft ohne Kapital einsetzen.
"Wertübertragung ohne Arbeit", das ist der schwierigste Punkt, dazu muß ich in der Tat in der nächsten Notiz noch mehr schreiben. Man kann sich erst einmal daran orientieren, was Marx über Wertübertragung im Kapital "Konstantes Kapital und variables Kapital" schreibt (MEW 23, S. 214 ff.). Am Anfang schreibt er, die Arbeit setze als Arbeit überhaupt, Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, dem Wert der Produktionsmittel Neuwert zu, als konkret nützliche Arbeit aber "überträgt sie den Wert dieser Produktionsmittel auf das Produkt und erhält so ihren Wert im Produkt" (S. 215). Später jedoch heißt es: "Der Wert der Produktionsmittel erscheint [...] wieder im Wert des Produkts, aber er wird, genau gesprochen, nicht reproduziert." (S. 222) Nicht reproduziert, das heißt nicht produziert, das heißt nicht erarbeitet. Und in der Tat braucht er nicht erarbeitet zu werden, w e i l e r j a s c h o n d a i s t und eben nur "übertragen" zu werden braucht. Ohne nützliche Arbeit fände die Übertragung nicht statt, aber dennoch wird d a s , w a s übertragen wird, nicht nützlich erarbeitet, denn es ist schon vor der Übertragung nützlich erarbeitet worden, was jetzt nicht wiederholt zu werden braucht; es ist schlicht da.
Also, ohne Arbeit wäre keine Wertübertragung, da haben Sie recht, aber die Übertragung ist trotzdem etwas Eigenständiges der Arbeit gegenüber. Marx sagt, sie sei durch die Arbeit "vermittelt" (S. 214), das ist hier wohl die klarste Formulierung. Der Umstand, daß etwas vor wie nach einem Akt, der Übertragung genannt wird und der als solcher nie abgetrennt selbständig, sondern immer nur als Dimension im neuwertschaffenden Verausgaben von Arbeitskraft existiert (während die Übertragung als solche keinerlei Neuwert verursacht), daß etwas, sage ich, vor wie nach diesem Akt e x a k t d a s G l e i c h e i s t – der Wert wird exakt identisch übertragen, es ist eine Gleichung -, kann nicht auf irgendeine Eigenschaft des Arbeitens zurückgeführt werden.
Das ist alles noch ins Unreine gesprochen, d.h. mir fehlt noch das schlagende "Zauberwort", wodurch alles unmittelbar erhellt wird. In ein paar Tagen bei Nr. 39 bin ich hoffentlich ein Stück weiter.
hallo,
Was also ist das Kapital? fragt Marx (Ökon-phil. Manuskripte) "Eine gewisse Menge aufgespeicherte und auf Vorrat gelegte Arbeit."
Da Produktion gleich Konsumtion wird also aufgespeicherte Arbeit in anders aufgespeicherte Arbeit übertragen.
Dieser Prozeß ist heut nicht mehr 100%ig für alle Übertragungen gültig, meine ich.(Finanzkapitalismus)
Das Neue heute: die vollständige Übertragung alles Verwertbaren (Staaten, städtische Betriebe,z.Bsp. Wasserwirtschaft in Berlin, staatliche Güter etc); d.h. das Kapital überträgt alles in seinen Verwertungskreislauf was möglich ist. Wieder etwas, was Marx voraussagte.
Zu S. 222, bekanntlich gibt es in der heutigen Produktion Verbrauchsmittel, Umlaufmittel etc; es gibt also Pm die verbraucht und es gibt Pm die (vielfach) gebraucht werden. Der Wert der Pm wird nicht wieder reproduziert, da hat Marx recht. Das weiß jeder Unternehmer, darum will er moderne Technik mit dem geringsten Verschleiß. Deren Ausstoß an Ware ist so hoch, daß der Arbeitslohn heute zu den geringeren Faktoren der Produktion gehört. (ein Gewerkschafter meinte, daran wäre noch keine deutsche Firma kaputt gegangen) Wichtiger ist, daß die Bank die Kredite bereithält.
Die Übertragung wird vom Arbeiter durch geführt. Wie?
Nur durch sein Können, sein Wissen, durch die Beherrschung der Naturkräfte und deren Auswirkungen.
Die Übertragung kann nur der Arbeitende vollziehen.
Geist, handwerkliche Fähigkeit und Bildungsstand sind Grundlagen.
Sie wollen darauf hinaus, daß WERT übertragen wird, ohne Arbeit genannt zu sein, und am Anfang exakt das Gleiche ist wie am Ende ??
Bestimmtes Kapital? Oder die Idee?
Hallo Regenwärmer, ich kann jetzt mit dem Reagieren auf die Kommentare beginnen und hoffe, daß die Beteiligten noch mitlesen. Was Ihre letzte Frage angeht: Es ist mein eigenes Interesse, zu ergründen, wodurch diese Sache eigentlich so schwierig ist - für Sie und auch für mich. Ich versuche es mal mit diesem Gedanken: Wenn jemand die Aufgabe löst, was x ist, wenn 8 = x + 5, kann man da nicht zwei Seiten radikal unterscheiden? Erstens, niemand anders als dieser Jemand ist es, der durch seine Kraft, Intelligenz usw. die Aufgabe löst. Gäbe es solche Jemande nicht, würden zuletzt auch solche Aufgaben überhaupt nicht existieren. (Sie entsprechen der Rolle der Arbeiter bei Marx, wenn sie "den Wert übertragen".) Zweitens, dafür, was die Lösung der Aufgabe ist, ist dieser Jemand in keiner Weise ursächlich. Und wenn man wissen will, weshalb es solche Aufgaben überhaupt gibt und warum das sehr sinnvoll ist und worin dieser Sinn besteht, nützt es gar nichts, sich in die lösende Tätigkeit der Jemande zu vertiefen.