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In den folgenden Notizen werde ich einige Beiträge erörtern, die sich einer so genannten Neuen Marxlektüre zurechnen, weil in ihr die Aussage "Wenn Geld, dann Kapital" bejaht wird, die ich meinerseits bestreite. Wie in der letzten Notiz schon angekündigt, werfe ich zuerst auf die Tradierung einer bestimmten Aussage Adornos einen Blick, nämlich dass im Tauschwert "ein bloß Gedachtes" stecke (Soziologie und empirische Forschung, in Gesammelte Schriften Bd. 8, Frankfurt/M. 2003, S. 209). Wir werden sehen, eben diese Aussage wird von einem Teil der Beiträge zur Neuen Marxlektüre zurückgewiesen, so dass sich hieraus deren Spaltung in zwei Stränge ergibt, von der in der 42. Notiz die Rede war. Bevor ich die Beiträge erörtere, befasse ich mich hier zunächst mit einer Vorfrage und lege im Anschluss daran den eigenen Ansatz offen.
Die Vorfrage ist, wie es zur Neuen Marxlektüre, nimmt man sie einmal als soziologisches Phänomen, überhaupt hat kommen können. Manches spricht dafür, in ihr eine Parallelerscheinung zur Gründung der "K-Gruppen" nach dem Zerfall der 68er Studentenbewegung zu sehen. Damals fragten sich die Studenten, woran es lag, dass die erhoffte revolutionäre Situation nicht eintreten wollte. Die einen meinten, sie müssten Praktiken der Weimarer KPD wiederbeleben oder auch sich einfach den vorhandenen realsozialistischen Parteien DKP und SEW anschließen, weil es einer Avantgarde bedürfe, um die Massen mit Materialien zur Bewusstseinsschulung zu versorgen. Neben dieser optimistischen Variante gab es die existenzialistische der RAF, die wohl vor allem ein Zeichen setzen wollte, und die akademische, die sich, hervorgegangen aus der Adorno-Schule, schwarz pessimistisch gab.
Die Haltung der Pessimisten charakterisiert Manfred Lauermann 1973 so: "Auf unserer ungemein abstrakten Ebene der Analyse kamen wir zur Einsicht: Wenn das Überleben des Kapitalismus, den wir romantisch einen 'Späten' nannten, nicht von der Wahrheit seines Seins abhängig [sc. ist], dann kann er nur durch das falsche Bewusstsein der Beteiligten getragen sein. Damit war das Gerüst der Erkenntnistheorie gerichtet." (Krahl oder Was hieß da schon Politik?, in Heinrich Brinkmann u.a., Sinnlichkeit und Abstraktion, Wiesbaden 1973, S. 227) Damit war, mehr noch, das Gerüst der "Formanalyse" des Ware-Geld-Verhältnisses gerichtet, das von da an die Neue Marxlektüre bestimmen sollte. Denn nun galt es zu erweisen, dass die Massen dem Geldfetisch erlagen und es deshalb zwecklos war, sie revolutionär aufrütteln zu wollen.
Lauermanns Sätze sind rückblickend und polemisch. Er spielt auf seinen aus DDR-Büchern gewonnenen "Materialismus" an, mit dessen Hilfe er dem Pessimismus entrann: Das Sein bestimmt das Bewusstsein, nicht umgekehrt, also müssen die früheren Freunde auf dem Irrweg sein, wenn sie das falsche Bewusstsein überbetonen. Die Polemik ging freilich ins Leere, da auch diejenigen, die von nun an den Geldfetisch analysierten, aufs Sein des Kapitalismus setzten: Sie lehrten abwarten, bis es von selbst in die Krise geraten würde, worauf dann, als "Reflex", die Veränderung des Bewusstseins folgen würde. Vor Eintritt der Krise jedoch würde der Geldfetisch uneingeschränkt herrschen. In älteren Begriffen gesprochen, waren sie die Attentisten, die dem Voluntarismus der K-Gruppen entgegentraten.
Das war die Konstellation, die auch bedingte, dass man die Ware-Geld-Beziehung im benachbarten Realen Sozialismus entschieden ablehnte und als Beweis für den osteuropäischen "Revisionismus" nahm; oder vielleicht war es umgekehrt, man lehnte das realsozialistische Lager ab, in dem es noch Geld gab, wenn auch kein richtiges konvertibles, und deshalb das Geld. So lesen wir bei Hans-Georg Backhaus, einem Promotor der Neuen Marxlektüre, noch 1978 - da gab es schon viele Ansätze zur Rekonstruktion des Geldfetischs, aber in dieser Kritik waren alle einig -: "Die heutigen marxistisch-leninistischen Abhandlungen über die Politische Ökonomie des Kapitalismus verschweigen ausnahmslos, dass nicht bloß die Mehrwertproduktion, sondern die Wertproduktion überhaupt 'historisch charakterisiert' werden sollte - der Begriff einer 'sozialistischen Warenproduktion' ist von der Position der Marxschen Wertform-Analyse her gesehen ein Unbegriff." (Materialien zur Rekonstruktion der Marxschen Werttheorie 3, in Ders. u.a. [Hg.], Beiträge zur Marxschen Theorie 11, Frankfurt/M. 1978, S. 16-117, hier S. 59)
Zweierlei will ich hervorheben. Erstens verstand sich der Schluss vom "falschen Bewusstsein" der Mitmenschen auf dessen Ursache im Waren- und Geldfetisch durchaus nicht von selbst. Gerade von Marx her tat er das nicht. Denn auch wenn man annimmt, es gebe so eine Bewusstseinsbarriere, die höchstens von Einzelnen durchbrochen werden kann, von den Massen aber nur in der Wirtschaftskrise, wäre es doch möglich, sie statt auf den Waren- und Geldfetisch auf den Kapitalfetisch zurückzuführen. Folgt man Marx, wäre es nicht nur möglich, sondern zwingend geboten, denn wir finden seine eindeutigen Sätze: "Da die Warenform die allgemeinste und unentwickeltste Form der bürgerlichen Produktion ist, [...] scheint ihr Fetischcharakter noch relativ leicht zu durchschauen." Die bürgerlichen Ökonomen wie Adam Smith und David Ricardo haben diesen Fetisch durchschaut, seinetwegen hätte kein Karl Marx auftreten müssen. Nicht aber den Kapitalfetisch (den ich in der 18. Notiz als Wachstumsfetisch beschrieben habe): "Und die moderne Ökonomie, die vornehm auf das Monetarsystem herabgrinst, wird ihr Fetischismus nicht handgreiflich, sobald sie das Kapital behandelt?" (Das Kapital Erster Band, MEW 23, S. 97) Wir finden die Sätze ausgerechnet in der Goldgrube aller marxistischen Geldfeinde, dem Abschnitt "Der Fetischcharakter der Ware und ihr Geheimnis".
Das müsste zur Analyse des Kapitalfetischs anspornen, doch in den Beiträgen zur Neuen Marxlektüre spielt das Kapital nur eine Nebenrolle. Für die Einseitigkeit, mit der sich Adornos Schüler am Geldfetisch festbissen, ist sicher der Diskurs des Lehrers verantwortlich. Sie blieben bei Adornos "Tauschgesellschaft". Verstanden sie ihn indessen richtig? Damit komme ich zum zweiten Hervorhebenswerten. Adorno, wie wir sahen, hielt Waren und Geld eher für schlimme Vorboten des "gerechten Tauschs", als dass er sie zur ausweglosen Sackgasse stilisiert hätte. Er war gar nicht der große Pessimist, den man aus ihm hat machen wollen. Dass er als solcher angesehen wurde und wird, geht teils auf realsozialistische Propaganda zurück - bekannt ist das Wort vom "Grand Hotel Abgrund", in dem er wohne (Georg Lukács) -, teils aber auf den Eindruck, den seine Schüler hinterließen.
Ihr Pessimismus, der ihre politische Erfahrung spiegelte, wurde auf Adorno zurückprojiziert, ohne in ihm ein Vorbild zu haben. Denn Adorno ist zu Sätzen fähig wie diesem: "So undurchdringlich der Bann, er ist nur Bann." (Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?, in Gesammelte Schriften Bd. 8, a.a.O., S. 370) Oder, aus den Minima Moralia, geschrieben 1945: "Ohne Hoffnung wäre die Idee der Wahrheit kaum nur zu denken" (Zweiter Teil Nr. 61). Oder aus den Drei Studien zu Hegel: "Der Strahl, der in all seinen Momenten das Ganze als das Unwahre offenbart, ist kein anderer als die Utopie, die der ganzen Wahrheit, die noch erst zu verwirklichen wäre." (Gesammelte Schriften Bd. 5, Frankfurt/M. 2003, S. 325) Adorno ist nicht der Antipode zu Bloch, als den man ihn ansieht. Er denkt eher platonisch, Bloch eher aristotelisch, beide aber sind als Marxisten und Nietzscheaner weit entfernt, die Hoffnung zu verraten. Wenn Adorno einmal gegen Bloch einwendet, Hoffnung sei kein Prinzip, so will er nur den Begriff des Prinzips zurückweisen, die Anmaßung von prima philosophia.
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Die Wertproduktion ist "historisch charakterisiert", sagt Backhaus im obigen Zitat. Ja, aber was heißt das? In nie endenden Debatten haben die Verfechter der Neuen Marxlektüre bestritten, dass die Darstellung der Wertproduktion in Das Kapital, dem Marxschen Hauptwerk, seinerseits als historische zu charakterisieren sei. Marx stelle nicht die Geschichte des Werts dar, sondern nur seine Logik; historisch sei die Darstellung dadurch, dass sie ihr Objekt als eines mit angebbarem Anfang und noch ausstehendem notwendigem Ende begreife. So weit, so gut. Aber es ist nicht klar, was damit hinsichtlich der Ware-Geld-Beziehung gesagt ist. Das, was Marx zufolge anfängt und endet, ist jedenfalls das Kapital; beim Geld räumt er natürlich ein, dass es vor dem Kapital existierte, nur soll Kapitalwerden von vornherein sein "Beruf" gewesen sein. Wenn das Geld aber somit eine Geschichte hat, die mit dem Kapitalismus nicht erst anfängt, dann ist es auch denkbar, dass sie mit ihm nicht aufhört. Das legt, wie wir sahen, Adorno nahe: Der Geld involvierende Tausch kann aufhören, Täuschung zu sein, kann gerechter Tausch werden.
Diese Aussage stellen wir nun mit der eingangs zitierten zusammen, dass im Tauschwert "ein bloß Gedachtes" stecke. Denn um Geschichte geht es auch hier. Ich will die Stelle ausführlicher zitieren: "Das Gesetz, nach dem die Fatalität der Menschheit abrollt, ist das des Tausches. Das aber ist selber keine bloße Unmittelbarkeit sondern begrifflich: der Tauschakt impliziert die Reduktion der gegeneinander zu tauschenden Güter auf ein ihnen Äquivalentes, Abstraktes, keineswegs, nach herkömmlicher Rede, Materielles. Diese[r] vermittelnde[n] Begrifflichkeit [...] gehorcht die Gesellschaft selbst": "Der Tauschwert, gegenüber dem Gebrauchswert ein bloß Gedachtes, herrscht über das menschliche Bedürfnis und an seiner Stelle; der Schein über die Wirklichkeit. Insofern ist die Gesellschaft der Mythos und dessen Aufklärung heute wie je geboten." (Gesammelte Schriften Bd. 8, a.a.O., S. 209)
Das "Gedachte" im Tauschwert ist also eine Spur seiner Historizität, des Abrollens der Fatalität der Menschheit, um mit Adorno selbst zu sprechen. Und in der Tat, materiell kann es nicht genannt werden, dass "Äquivalentes, Abstraktes" getauscht wird. Nicht jedenfalls "nach herkömmlicher Rede": Der abstrakt äquivalente Tausch ist ein Tausch, der Gleichungssprache als Medium voraussetzt; unbestreitbar, dass diese Sprache wie jede von der Materialität des Zeichens zehrt, und ebenso unbestreitbar die Einheit von Sprache und Denken. Gleichung ist nicht Natur, sondern Sinn. Wenn wir das sagen, haben wir noch gar nichts darüber ausgesagt, wie das "Gedachte" in Gleichung und Tauschwert hineingeraten ist. Klar ist nur von vornherein sein geschichtlicher Charakter. Denn wir sehen auf den ersten Blick, dass im Tausch während seiner Geschichte nicht immer dasselbe "Gedachte" steckte. Bei Aristoteles zum Beispiel wird nicht nach Gleichungen getauscht, die es noch gar nicht gab, sondern nach Proportionen, das heißt im Grunde immer noch metaphorisch. Vorantike Tauschformen, etwa der von Claude Lévi-Strauss erörterte Frauentausch oder der von Marcel Mauss erörterte Potlatsch, zeigen das Metaphorische unvermischt.
Bestimmt haben sich niemals Menschen zu einem Geldkonvent zusammengesetzt, der beschlossen hätte, Ware und Geld nunmehr äquivalent, also in der Gleichungssprache zu tauschen. Aber dennoch war der Übergang zum Gleichungstausch ein historisches Ereignis, das nicht ohne jegliches Mitspielen eines "intellektuellen Faktors" geschehen sein kann (zu diesem Begriff vgl. 24. und 28. Notiz). Alles spricht dafür, dass die neuzeitlichen Menschen in den Gleichungstausch sozusagen hineingeschlittert sind. Sie haben sich nichts dabei gedacht. Das ändert nichts am "Gedachten" im Gleichungstausch selber. Man kann es sich so vorstellen, dass im Tauschwert eine Sinndimension mehr unbewusst wiedererkannt werden konnte, mit der man in andern Zusammenhängen ganz bewusst umging, so dass man nichts dabei fand, sich auch unbewusst darauf einzulassen. Die beiden Bereiche, in denen der Sinn bewusst war, können wir nennen. Das ist zum einen das bürgerliche Rechtsbewusstsein, mobiles Eigentum bewahren zu wollen, zum andern das Bewusstsein der mathematischen und theologischen Unendlichkeit. Unendlichkeit wurde als unendliche Angleichung gefasst, die bereits den Kardinal Cusanus zur Entdeckung der Grenzwertrechnung führte; in Angleichung ist aber Gleichung enthalten. Wer mit Willen und Bewußtsein an unendlicher Angleichung teilhat und von ihr fasziniert ist, wird auch gegen Gleichungen, darunter Wertgleichungen, in die er verwickelt ist, nichts einwenden. Besonders wenn er entdeckt, dass sie erstaunlich und wunderbar mitspielen, wo es gilt, Eigentum zu bewahren. Es ist ja die Gleichung, die dafür sorgt, dass man den Wert der Sache behält, die man wegtauscht.
Von all dem steht nichts in Das Kapital, ganz einfach weil dies Werk die Frage nicht aufwirft, durch welche historischen Prozesse aus metaphorischem Geld Gleichungsgeld wurde. Doch das ist kein Grund, die Frage zu verbieten. Wird sie gestellt, kann die Folgefrage, welcher intellektuelle Faktor bei der Entstehung von Gleichungsgeld mitwirkte, kaum ausbleiben. Eine Sache, bei deren Entstehung Intellektuelles mitgespielt hat, wird aber anschließend, wenn sie entstanden ist und nur noch funktioniert, dies Intellektuelle oder "Gedachte" nicht mehr verlieren, jedenfalls wenn es wie hier zu den Existenzbedingungen der Sache gehört. Niemals wird ja der äquivalente Tausch ohne Gleichungssprache und -denken funktionieren. Wohl kann die Herkunft der Sprache vergessen werden, das ändert aber nichts daran, dass die Sprache und ihre Herkunft eine Einheit bilden: Wird sie vergessen, verschwindet sie doch nicht. Und soll dann die Sache durch eine andere abgelöst werden, etwa Gleichungsgeld durch ganz anderes Geld oder etwas ganz Anderes als Geld, dann führt nichts daran vorbei, sich allererst das in ihr "Gedachte" wieder bewusst zu machen, es zu beurteilen und es abzuwägen gegen neue Gedanken.
Die Vorstellung, eine andere Gesellschaft könne "revolutionär" aus der Absicht entstehen, mit der vorhandenen zu brechen, wäre ganz verrückt, wenn man nicht annehmen dürfte, dass schon bei der Entstehung der vorhandenen Gesellschaft zwar nicht Absicht, aber ein Absichtsanaloges mitgespielt hat. Das Absichtsanaloge lag in der Bereitschaft, sich gegen den Gleichungstausch, obwohl er neuartig war, nicht zu wehren; man wehrte sich nicht, weil nichts gegen, viel aber für ihn sprach. Es bestand eine merkliche Harmonie zwischen gewissen ganz bewusst aufgenommenen Gedankenwelten und diesem neuartigen Tausch, den man nicht zu begreifen brauchte, um zu sehen, dass er nützlich war. Wenn man das so weit rekonstruiert hat, wird man sagen: Das war w i e e i n e A b s i c h t , und wir wollen sie durch eine andere ersetzen.
Die Wertproduktion ist "historisch charakterisiert": Wenn man meint, das könne heißen, es werde nichts von ihr bleiben, ist das abstrakt richtig. So k a n n es kommen - das setzt aber voraus, dass dahin heute der Geist weht, der intellektuelle Faktor, und dann noch, dass die entstandene totale Alternative zur Wertproduktion sich als praktikabel erweist. Sonst fällt sie ins Alte zurück und die intellektuelle Anstrengung muss von vorn beginnen. Dass Wertproduktion historisch charakterisiert ist, kann aber auch heißen, dass Ware und Geld reformiert werden, also bleiben, während "nur" das Kapital abgeschafft wird und sie nicht mehr seine Kehrseite sind. Wenn das so ist, ist sozialistische Warenproduktion nicht schlankweg "ein Unbegriff". Wie kann Backhaus das behaupten, wenn er doch selbst zu denen gehört, die Adornos Wort vom "Gedachten" im Tauschwert tradieren? In der nächsten Notiz prüfen wir seine Argumentation, auch die von Helmut Reichelt und, wenn der Platz reicht, auch schon die Einwände der Gegner, die im "Gedachten" nicht nur keine historische Herkunftsspur und Absprungsmöglichkeit sehen, sondern es ganz ausmerzen wollen.
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Kommentare 40
In diesen Text muss ich mich bei Gelegenheit tiefer versenken. Nur kurz die Anmerkung: Der Vorname von Lauermann ist Manfred.
Danke, wird geändert. Ich neige leider ständig dazu, Namen falsch zu schreiben, wahrscheinlich weiol ich so sehr auf "Sinn" fixiert bin.
Niemand wird bezweifeln, daß Adorno das "Kapital" gelesen hat, das er kommentiert.
Aber hat Michael Jäger, der Adorno kommentiert, das "Kapital" gelesen?
Er schreibt:
"Und in der Tat, materiell kann es nicht genannt werden, dass "Äquivalentes, Abstraktes" getauscht wird."
Gewiß nicht, aber den Irrtum, daß derartiges stattfinde, greift Marx explizit an, er nennt ihn eine "abgeschmackte Tautologie".
(Anm., ich nehme für mich in Anspruch, Jägers Text nicht als Gegenstand wissenschaftlicher Widerlegung zu nehmen und Zitatstellen aufzufahren, ich werde das weiter unten begründen.)
Der abstrakt äquivalente Tausch ist ein Tausch, der Gleichungssprache als Medium voraussetzt;
Dieser Tausch ist folglich eine freie Erfindung von Michael Jäger. Nicht erfunden ist allerdings, daß Marx aus dem Warentausch folgert, die an einem einzelnen Tauschakt beteiligten Waren gälten als Äquivalente füreinander , indem sie als solche Äquivalente vorgestellt würden. Er nennt auch die Form dieser Vorstellung. Die "Preisform". In ihr teile eine Ware der Mitwelt der Waren mit, was ihrer materiellen Gestalt nicht anzusehen sei, ja, auch in ihrem Material nicht aufzufinden und in diesem Sinne bloß "ideell" in ihr stecke. Nämlich das Produkt warenproduzierender, nämlich abstrakter Arbeit zu sein, also "Wert" darstellen zu sollen , und nicht nur qualtativ Wert, sondern eine wohlbestimmte Wertsumme. Und weil das so sei, könne diese Ware diese ihre Eigenschaft nur im Material einer wohlbestimmten anderen Ware darstellen.
Das ist der Auftakt der Wertformanalyse und Marx warnt seine Leser ausdrücklich, daß es auf die Form des Wertes ankomme, ohne diese Form hätte und wüßte man gar nichts.
Die Wertformanalyse erbringt als Resultat die Geldform und den Begriff des Geldes als "allgemeine Ware" und ergo "abstrakten Reichtum" in Gesellschaften, deren ökonomisches Produkt überwiegend die Warenform annehme.
Später, bei der Analyse der Geldform, wie sie im Austauschverhältnis - im Unterschied zu einem bestimmten Tauschakt, oder einer iwie historisch abgegrenzten Reihe von Tauschakten - erscheint, wendet sich Marx ausdrücklich mit einer Reihe von Argumenten gegen die Auslegung, das Geld und mithin der Wert, den es vorstelle sei "bloßes Zeichen". Ein Irrtum, der leicht dadurch entstehen kann, daß Geld in der Funktion als "Rechengeld" als "Geldzeichen" erscheine, nämlich als Metazeichen, als Zeichen für eine je wohlbestimmte Summe seiner selbst, seines Materials. Das Ergebnis wird nicht falsch, indem Kredit , ein Vorgriff auf kommende Geschäfte, Geldform und Geldfunktion erhält.
Die Wertformanalyse und den Marxschen Begriff des Geldes "spart" Jäger "aus". Warum? Kennt er das Zeug nicht oder fälscht er es?
Versuchen wir das aus seiner Fortsetzung zu erraten. Er schreibt:
" ... unbestreitbar, dass diese Sprache wie jede von der Materialität des Zeichens zehrt, und ebenso unbestreitbar die Einheit von Sprache und Denken. Gleichung ist nicht Natur, sondern Sinn. Wenn wir das sagen, haben wir noch gar nichts darüber ausgesagt, wie das "Gedachte" in Gleichung und Tauschwert hineingeraten ist."
In der Tat, wie Adorno sich das "Gedachte" gedacht hat, teilt Jäger nicht mit, und er selbst hat es nur in die marxsche Analyse hinein erfunden (oder gefälscht).
Aber da er das nunmal so "souverän" getan hat, warum dann diese "Bescheidenheit"? Warum dementiert er artig was er eben ("In der Tat ...") noch im Brustton als Fakt gesetzt hatte?
"Materialität des Zeichens" ist der Clue. Wo kommt denn die plötzlich her? Wieso soll die ein "Problem" sein, noch dazu eines, das nicht besprochen, sondern wie eine selbstverständliche Trivialität am Rande erwähnt wird?
So bringt Jäger halt "unter", daß er die Wertformanalyse doch kennt, aber als Analyse der "Materialität" des Wertes , nicht aber eines Wertzeichens und schon gar nicht eines abstrakten, eines Zeichens "überhaupt".
Also fälscht er, und zwar bewußt!
Aber wozu? Können wir auch darauf einen Hinweis gewinnen?
" Klar ist nur von vornherein sein geschichtlicher Charakter.(Die Rede ist nun vom "Gedachten", das zwar noch im Zusammenhang der Rede iwie den "Wertbegriff" vorstellen soll, aber schon zum "Zeichen" abgewickelt war) Denn wir sehen auf den ersten Blick (!!herzig), dass im Tausch während seiner Geschichte nicht immer dasselbe "Gedachte" steckte. Bei Aristoteles zum Beispiel wird nicht nach Gleichungen getauscht, die es noch gar nicht gab, sondern nach Proportionen, das heißt im Grunde immer noch metaphorisch."
Proportionen sind keine Gleichungen! Uff! Und obendrein sollen sie auch noch "metaphorischer" als Gleichungen sein. Also die Proportion zwischen 5 Äpfeln und 3 Birnen sei metaphorisch, die "Gleichung" ax - by = 0 sei es nicht.
Ich verbleibe sprachlos -
TomGuard
Ein äußerst interessanter Text. Allerdings muss ich TomGard absolut zustimmen. In dieser Betrachtung und Darstellung stimmt so einiges nicht. Ich kann das nicht extakt in Worte fassen - aber der Text hinterläßt subjektiv bei mir den Eindruck, als hätten weder Adorno noch Marx wirklich verstanden, was sie damals analysiert haben. Dem ist meines Erachtens nicht so. Der direkte Vergleich mit anderen Autoren gibt das Aufschluss (empfehlen kann ich z.B. "Der Alptraum der Freiheit" (Kurz, Scholz, Jörg, Verlag Ulmer Manuskripte 2005).
Hinzu kommt folgendes: Die Anfänge des Kapitalismus liegen etwa im frühen 17. Jahrhundert und sind mit Gewalt und gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt worden. Damals wussten und spürten die Menschen nämlich noch, dass es sich mit der Ware-Geld-Beziehung eben gerade NICHT um natürlich gegebene Verhältnisse handelt. Plötzlich waren sie keine freuen Bürger mehr, sondern sollten ihre Arbeitskraft verkaufen. Das war nachweislich im 16. Jahrhundert noch undenkbar, war sozial geächtet und kam Prostitution gleich. Deshalb ist die Geschichte des Kapitals auch eine von sozialen Widerständen und Revolten gegen die Verwertungslogik. Die Behauptung es spräche nichts gegen den "Gleichungstausch" ist meinem Verständnis nach in jeder Hinsicht falsch. Da unterschätzt Herr Jäger die sozialen Gegebenheiten. Die Menschen waren außerdem ja noch nicht auf Kapitalismus konditioniert so wie heute. Heute sind wir derart domestiziert für das Kapital, dass wir das gar nicht wahrnehmen.
Herr Jäger stellt das hingegen so dar, als wenn allein die Möglichkeit über Geld tauschen zu können dazu geführt hätte, dass sich Kapitalismus durchgesetzt hat. Das deckt sich meiner Kenntnis der Geschichte nach nicht mit dem historischen Ablauf.
Die ältesten Münzen, die Archäologen ausgegraben haben, sind etwa 8.000 Jahre alt. Wenn der Vorteil über Geld tauschen zu können tatsächlich so signifikant und von Vorteil wäre (übrigens wird das von Gesellianern auch gerne so verfälscht dargestellt), warum hat sich Kapitalismus dann nicht schon vor tausenden Jahren, sondern erst im 17. Jahrhundert durchgesetzt?
Ich kenne einen anderen, mir mehr plausiblen Erklärungsansatz (aus der "modernen Wertetheorie" von Robert Kurz). Danach haben die Machtinteressen im Feudalismus den Ausschlag gegeben. Der Feudaladel pflegte oft Kriege zu führen. Damals handelte es sich noch um Aggrargesellschaften und Subsistenzwirtschaft (Waren gab es schon, spielten aber nur eine stark untergeordnete Rolle für spezielle Produkte). Wenn eine militärische Aktion bevorstand, mussten Bauern rekrutiert und zu Kriegern gemacht werden. Das reichte jedoch irgendwann nicht mehr. Die Landesfürsten gingen mehr und mehr dazu über, ein stehendes Herr aufzubauen. So entstanden Söldner, die als Bauern auf dem Bauernhöfen zwangsläufig fehlten und - das drückt die Bezeichnung ja aus - für ihre Dienste bezahlt werden wollten.
Dies ließ sich aber nicht mehr in Aggrarstrukturen darstellen. Der Fürst brauchte deutlich mehr Geld. Außerdem mussten Uniformen und Waffen in Manufakturen gefertigt werden (die Ergebnisse kann man sich in vielen Museen anschauen). So erhielt das junge, aufstrebende Bürgertum Rückenwind, da sich die Fürsten von der neuen Form des Kapitals einen Vorteil bezüglich ihrer expansiven Eroberungspolitik versprachen. Wie wir heute ebenfalls wissen, war das eine strategisch-politische Wende, welcher der Adel letztlich selbst zum Opfer fiel. So viel zum Mitspielen des "intellektuellen Faktors" sowie der Geschichte beim Übergang zum Kapitalismus.
Im letzten Abschnitt wird es dann sogar widersprüchlich:
"Dass Wertproduktion historisch charakterisiert ist, kann aber auch heißen, dass Ware und Geld reformiert werden, also bleiben, während "nur" das Kapital abgeschafft wird und sie nicht mehr seine Kehrseite sind."
...wie bitte...???... Ware und Geld sind doch selbst Kapital. Da wird für mich nicht nur "metaphysisch" sondern schlichtweg rätselhaft und unlogisch.
Vielen Dank für die intensiven Kommentare. Ich komme heute nicht zum Antworten, aber morgen nachmittag ausführlich.
Meine Herren,
vielleicht kommen wir dem gordischen Knoten in dieser Frage ja näher, wenn wir uns daran erinnern, daß es stets nur eine platte Entstellung dieser hellsichtigen Episode nahelegt, ihn unbedingt zerschlagen zu müssen — dabei käme es gerade darauf an, ihn zu lösen.
Wandern wir also ein Stück Weges hinauf, in Richtung zur Quelle. Lange müssen wir da gar nicht suchen, denn der Born steht schon im ersten Kapitel des »Kapitals«, wo es nämlich heißt:
Nehmen wir ferner zwei Waren, z.B. Weizen und Eisen. Welches immer ihr Austauschverhältnis, es ist stets darstellbar in einer Gleichung, worin ein gegebenes Quantum Weizen irgendeinem Quantum Eisen gleichgesetzt wird, z.B. 1 Quarter Weizen = a Ztr. Eisen. Was besagt diese Gleichung? Daß ein Gemeinsames von derselben Größe in zwei verschiednen Dingen existiert, in 1 Quarter Weizen und ebenfalls in a Ztr. Eisen. Beide sind also gleich einem Dritten, das an und für sich weder das eine noch das andere ist. Jedes der beiden, soweit es Tauschwert, muß also auf dies Dritte reduzierbar sein.
ungleichweniger
Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit
subjektive
Ich beging eine Dummheit, als ich mich zu einem Kommentar hinreißen ließ - und keineswegs nur deshalb, weil Jap mit gespielter Ignoranz und einem in böswilliger Absicht aus einer Ableitung isolierten Zitat Schindluder treibt, weil er sich kichernd auf die Gewalt zurück zieht, die fälschlicherweise "faktisch" genannt wurde und wird, weil sie banal eine Gewalt der Gewehre und Knüttel ist. Diese zynischen Spaßvögel gibt es immer und überall.
Nun, ich versuche für den so oft beschworenen gutwilligen Leser eine kleine "Rettung" meines Argumentes, indem ich das simple Resultat der marxschen Warenanalyse einfach hinschreibe.
Eine Ware erscheint bei etwas näherem Hinsehen als ein Ding, das es nach den gewohnten Maßstäben der Vernunft so wenig geben "kann", wie ein nichtlokales "Teilchen", zum Beispiel ein Photon. Sie ist Gebrauchswert und Wert, kann aber nicht beides sein und ist es in der Tat niemals zugleich, eine Ware ist nicht zugleich zu veräußern und zu gebrauchen. Für den, der sie veräußert, ist sie nicht (anders) zu gebrauchen, und der, der sie braucht, veräußert sie nicht.
Was in dieser "verrückten" Weise an der Ware erscheint, ist der Umstand, daß eine einzelne Ware gar kein Gegenstand im gewohnten Sinn des Wortes ist. Der menschliche Verstand kann sie in einer Phase der Vereinzelung zum Gegenstand nehmen, so wie der Physiker einen Ort fixieren kann, an dem das scheinbare Teilchen, das Photon, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer bestimmten Aufenthaltswahrscheinlichkeit aufzufinden ist, doch analog zur heisenbergschen "Unschärferelation" verliert er dabei den umgreifenden Zusammenhang dieses Teilchens mit der (materiellen) Welt, der in der Physik als "Impuls" benannt und zur meßbaren Größe gemacht ist. Die Ware ist ein Wert - -
Anm. im Ggstz zu der fälschlichen Auffassung, sie habe so ein "Trumm". Diese "Dekonstruktion" der Erscheinung, die Marx in den ersten beiden Abschnitten des Kapital bespricht, im Abschnitt über die "Wertform" wird gewöhnlich überschlagen, verleugnet, bleibt unverstanden - )
... Die Ware ist Wert, wie das Photon "Teilchen", aber dies Wertsasein erscheint an ihr niemals isoliert, so wenig, wie am Photon das Teilchendasein zu isolieren ist.
Damit zeigt sich die Ware als ein aus einem Ganzen herausgetrenntes "Ding", das als ein solches "Ding" die Bestimmungen, die es als ein Teil des Zusammenhanges hat, verliert.
Der "Witz" an der ganzen Angelegenheit besteht darin, daß jederman imstande ist, das "Geheimnis" dieser Erscheinungsform der Ware aufzudecken, bzw. er kennt es und verhält sich beständig nach Maßgabe dieser Erkenntnis. Er weiß, daß in dieser verrückten Gestalt der Umstand erscheint, daß eine Ware Gegenstand ausschließender Verfügung eines Privateigentümers ist und daß diese ausschließende Verfügung das Paradox hat, daß sie nur und in genau dem Moment wirksam wird, wenn sie aufgegeben wird, nämlich im Vorgang des Besitzwechsels.
Vulgo kann man auch sagen: Es ist die Erpressbarkeit der Nichtbesitzer einer Ware mit dem Eigentum in fremder Hand, was an der Ware als eine doppelte Eigenschaft erscheint, die "nicht geht".
Die Ware zeigt sich dann als ein abstrakter (das heißt immer: abgetrennter!) Bestandteil des gemeinsamen Zugriffes aller Leute, die gewaltsam dazu verdammt wurden, sich als Privateigentümer zu gebärden, auf ein Produkt, daß nur als Gemeinschaftsprodukt aller zustande kommt und kommen kann. Präziser ist es das Verhältnis dieser Personen zueinander, das in der Form einer "Eigenschaft" an der Ware erscheint. Auch den technischen Grund dafür kennt jeder: eine Ware ist, bevor sie auf ein "Bedürfnis" bezogen wird (praktisch, via Nutzung bzw. Ge- Verbrauch) auf einen "Bedarf" bezogen, der ebenfalls eine technische Natur hat, obwohl er nicht gemä dieser technischen Natur, sondern nur gemäß der Zahlungsfähigkeit Bedürftiger zur Geltung kommt.
Es gibt zahlreiche Gründe, warum diese eigentlich völlig durchsichtigen Verhältnisse im Bewußtsein der Beteiligten immerfort vernebelt und unerklärlich erscheinen. Die "Väter" unter diesen Gründen sind teils direkt, teils indirekt, die kollidierenden Interessen der Beteiligten. Aber sie haben, behaupte ich - zumindenst in der überwiegenden Zahl - ein und dieselbe Mutter. Ihr Name ist "Substanzialität".
Seit es Gesellschaften gibt, deren Gliedern ihr in Mythen und Riten zugleich codiertes und realisiertes Zusammenwrken nichtig gemacht und durch eine gemeinsame Unterwerfung unter den mit Feuer und Schwert erzwungenen Dienst an "Rechten" bzw. Eigentum einer bevorzugten Klasse, eines bevorzugten "Volkes ersetzt wurde, formulieren sie ihr Wissen von diesem Unbekannten , ja unter dem Wirken von Feuer und Schwert unerkennbar und zum Äquivalent einer "Naturgewalt" gemachten gesellschaftlichen Zusammenhang in Denkformen, die allesamt auf die Figur der "Substanzialität" und "Kausalität" hinaus laufen.
In der Philosophiegeschichte waren Parmenides und Heraklit die Letzten Überlieferten, die sich diesem "stummen Zwang der Verhältnisse" zu entziehen suchten, statt sich ihm enthusiastisch an den Hals zu werfen, üblicherweise unter dem Namen "Vernunft". Die herrischste, und wenigstens darin seinerzeit noch kenntliche Ausdrucksform des "Werdens" der Denkform "Substanzialität" (Idealität) ist bei Plato nachzulesen. Aber es handelt sich halt um etwas, das unvermeidlicher Bestandteil des Denkens jeden Dödels in den mit Gott verfluchten Gesellschaften von Sklavenhaltern und Privateigentümern ist. Es ist eine Gestaltung "notwendig falschen Bewußtseins", dessen "Notwendigkeit" eben auch notorisch substanzialistisch und folglich kausal (deterministisch) mißdeutet wird, obwohl jeder sie kennt und gegen jedermann zur Geltung bringen muß, beispielsweise wenn er Rechtshändel ausficht.
Schluß jetzt.
Mir reichts.
Mein lieber TomGard,
wäre ich tatsächlich ein »zynischer Spaßvogel«, dann würde ich nun die Frage an Sie richten, die mir in Ihrem Angesicht schon geraume Zeit unter den Nägel brennt, nämlich: Sind Sie Heideggerianer?
Woher kommt denn Ihre fast komödiantische Neigung, anderen Kommentatoren nicht nur schlechte Motive, sondern böses Sein an sich zu unterstellen, wie sich das im Land der Eigentlichkeit gehört? Letztens war Herr Jäger ein Lügner, bei mir ist's diesmal »gespielte Ignoranz«, »böse Absicht« und kicherndes Phantasma, seltsamerweise zeihen Sie sich aber selbst meist noch der 'Dummheit', genau deswegen auch noch Kommentare geschrieben zu haben.
Ich habe hier deshalb kommentiert, weil ich grundsätzlich Herrn Jägers These zustimme, daß die These »wenn/wo Geld, dann/da Kapital« nicht stichhaltig ist.
Warum ist es Ihnen scheinbar nicht möglich, einfach mal bei der Sache zu bleiben?
@ Tomgard
Ich beginne mit Ihrem ersten Kommentar. Am Anfang referieren Sie Teile der Marxschen Wertformanalyse, ich weiß nicht warum, niemand hat sie ja bestritten. Ich weiß auch nicht, was dieses Referat mit meinem Hinweis zu tun hat, daß der abstrakt äquivalente Tausch Gleichung als Medium voraussetzt. Warum nennen Sie das eine "freie Erfindung"? Es ist eine Behauptung; Sie könnten zu zeigen versuchen, daß sie falsch ist, aber das tun Sie nicht. Oder soll Ihr Marxreferat dieser Versuch sein? Das hieße, wenn ich etwas sage, was nicht schon bei Marx steht, muß es eine Erfindung sein?
Dann gelangen Sie, wenn ich das richtig verstanden habe, zu der Annahme, ich würde im Geld ein bloßes Zeichen sehen. Ich habe aber nur davon gesprochen, daß jede Sprache aus Zeichen besteht und so auch die Gleichungsspache, oder vielmehr, nicht darüber habe ich gesprochen, denn das weiß jedes Kind, sondern darüber, daß solche Zeichen, aus denen Sprachen bestehen, eine Seite der Materialität und eine Seite des Denkens haben. (Weil es ja in meinem Text um "das Gedachte" geht.) Sie tun nun so, als hätte ich behauptet, die Ware-Geld-Beziehung sei ausschließlich Zeichen-Beziehung, also ausschließlich Sprache. Ich habe vielmehr behauptet, um das noch einmal zu wiederholen, daß sie sich i m M e d i u m einer bestimmten Sprache ereignet und diese also voraussetzt.
Schließlich, darüber, daß Proportionen keine Gleichungen sind, kann man sicher erstaunt sein, aber es ist doch trotzdem kein Verbrechen, darauf hinzuweisen. Seitdem es Gleichungen gibt, werden Proportionen als Gleichungen geschrieben, sofern sie das zulassen. Aber als die alten Griechen mit Proportionen hantierten, gab es Gleichungen noch nicht. Und so kommt es, daß Aristoteles, wenn er den Warentausch behandelt, nicht etwa eine Wertgleichung hinschreibt, sondern diesen Satz: "Es kann also zur 'Wiedervergeltung' kommen [d.h. zum gerechten Tausch], wenn Gleichheit hergestellt ist, so daß gilt: wie Bauer zu Schumacher, so Produkt des Schumachers zu Produkt des Bauern." (Nikomachische Ethik 1133a) Wenn er "Gleichheit" sagt, meint er Gleichheit der Verhältnisse als gleichbedeutend mit Proportion (1131a), und Proportion schreibt sich bei ihm immer A zu B w i e C zu D. Ein Parallelsatz zu dem von Bauer und Schumacher ist dieser: "wie die Sachen, so müssen auch die Personen sich verhalten. Sind sie nämlich einander nicht gleich, so dürfen sie nicht Gleiches erhalten." (ebd)
Sie werden mir zustimmen, daß hier zwar von gleich, aber nicht von Gleichung und schon gar nicht von Wertgleichung die Rede ist. Das " w i e " aber, das in den antiken Proportionen da steht, wo heute das "=" stehen würde, nähert sie den Metaphern an. Kamel zu Schiff w i e Wüste zu Wasser, deshalb ist Schiff der Wüste Metapher für Kamel. Und Aristoteles selbst schreibt, eine von drei Arten, eine Metapher zu bilden, sei die Analogie, worunter "eine Beziehung" zu verstehen sei, "in der sich die zweite Größe zu ersten ähnlich verhält wie die vierte zur dritten" (Poetik 1457b).
Zu Ihrem zweiten Kommentar brauche ich nur zu bemerken, daß ich diesen Umstand, daß die Ware Wert "ist" und nicht "hat", längst abgehandelt habe. Freilich mit der Absicht zu zeigen, daß hier keinerlei "verrückte Gestalt" vorkommt (solange man wirklich nur Ware unterstellt und nicht schon Waren k a p i t a l – diese Unterscheidung ist ja mein Beweisziel), ja daß überhaupt nichts vorkommt, was "nicht geht" und doch geschieht; ich habe gezeigt, dieser Anschein des Verrückten entsteht genau dann, wenn man beim Wert und Warentausch die sprachliche Dimension übersieht. Vgl. Sie zu diesem Komplex meine Blogeinträge (37a) bis (41a), sie sind leicht anzuklicken vom Eintrag (0) aus, der auf meiner Freitag-Webseite immer über allen anderen Einträgen steht.
Lieber Tiefendenker, ich verstehe nicht: Erst behandeln Sie den Ausdruck "Ware-Geld-Beziehung" als gleichbedeutend mit Kapital, oder mit kapitalistisch ("plötzlich sollten sie ihre Arbeitskraft verkaufen"), und dann, ein paar Zeilen drunter, betonen Sie selbst, daß allein der Tausch über Geld nicht zur Durchsetzung des Kapitalismus führt, glauben nun aber, i c h hätte etwas derartiges behauptet. Am Ende kehren Sie wieder zum Anfang zurück und meinen, Ware und Geld seien aber doch schon selbst Kapital. Also, wenn Ware und Geld schon Kapital wären, dann w ü r d e allein der Tausch über Geld zur Durchsetzung des Kapitalismus führen. Es ist dies aber gerade das, was ich in meinem Blog bestreite. Es ist zwar richtig, Kapital ist Ware und Geld, aber daraus folgt n i c h t im Umkehrschluß, Ware und Geld sei Kapital. Es folgt nicht und es ist nach meiner Überzeugung falsch. Ware und Geld sind über Jahrtausende nicht Kapital gewesen, so daß die Frage, wie das Kapital hat entstehen können, noch ganz offen ist, wenn man nur weiß, was Ware und Geld sind. Die Frage, wie das Kapital hat entstehen können, versuche ich in den Blogeinträgen (23) bis (30) zu beantworten, leicht anzuklicken von Eintrag (0) aus, der auf meiner Seite immer über allen anderen steht.
Lieber j-ap, Sie haben recht, der subjektive Wert der Akteure ist ein Gedachtes im Tauschwert. Ich folge aber der weiter gehenden Behaptung Adornos, daß auch im objektiven Tauschwert, also in der vollzogenen Wertgleichung, ein Gedachtes steckt. Die Begründung ist, daß Gleichungen eine bestimmte Sprache sind: Wo Sprache ist, muß irgendwo auch Denken sein oder gewesen sein.
"Wo Sprache ist, muß irgendwo auch Denken sein oder gewesen sein."
"Irgendwo"? Welch Entdeckung!
Arbeitsprodukte sind Verwirklichungen von Zwecken, deshalb nicht "Gedachtes", sondern "Gemachtes". Marx Behauptung ist, die Produkte verlieren in der "Aquivalentform", in der sie nurmehr als Werte gelten, nicht Gebrauchswerte, nicht den Charakter von Arbeitsprodukten, also auch nicht ihre Zweckbestimmung, obwohl in dieser Form von jedem bestimmten Gebrauch, jedem bestimmten Nutzen und also auch jeder bestimmten Zweckmäßigkeit "abstrahiert" ist. Abstrahiert wiederum nicht im Sinne von "sich wegdenken", so wie Jäger sich allen Zusammenhang mal wegdenkt und nur noch "Sprache" übrig läßt, sondern im Sinne von trennen. Eine sehr buchstäbliche Form, denn die Äquivalentform tritt niemals allein auf, sondern nur im Verhältnis zu ihrem Gegenpart, der "relativen Wertform". Dies Verhältnis scheint im "Schatz" zu verschwinden. Aber just ALS Schatz ist z.b. Geld kein Geld mehr, auch Rohstoff nicht Rohstoff, sondern entweder ein archäologisches Fundstück für nachfolgende Generationen, oder ... es wird Kapital. Dann befand sich das Geld oder der Rohstoff retrospektiv in der "aufgeschatzten" Form, in der es notwendiges Durchgangsstadium der Kapitalzirkulation ist.
Der scheinbare Widerspruch des letzten Satzes zum Auftakt entsteht dadurch, daß Schätze historisch besonders "prominent" wurden in der Gestalt des Wucherkapitals.
Dies ist Geld, das der Zirkulation entzogen wurde, nachdem die Zirkulation ökonomische Zusammenhänge geschaffen hatte, die einer bestimmten Summe Geldes mit einer bestimmten Umlauffrequenz bedurften.
Das Wucherkapital ist die Form, in der Arbeitskraft für den Wucherer käuflich wird, ohne dazu verkäuflich sein zu müssen oder tatsächlich verkauft zu werden. Sie wird in der Gestalt eines Produktes käuflich, daß sich der Wucherer weder mit Ware (auch nicht Arbeitskraft) noch Geld erkauft, sondern mit seinem Besitztitel auf Zirkulationsmittel erpresst.
Daher die Illusion, die neue Urständ feiert, man müsse nur die Wucherei ausmerzen, dann hätte man die Wurzel der Ausbeutung ausgerissen.
Hat historisch - auf welchem Wege immer - das Produkt einer bestimmten Gesellschaft maßgeblich Warenform angenommen (und für diese Maßgeblichkeit gibt es durchaus historisch unterschiedliche Kriterien), dann ist unabhängig von der Wucherei der Arbeitskraft nur mit Gewaltanwendung die Annahme der Warenform zu wehren . Zu wehren, das ist der Witz auf der theoretischen Ebene. Gemessen an den historischen Prozessen ist diese Überlegung eine Eselei, weil die Herren die Leut bis auf den Besitz der nackten Arbeitskraft enteignet haben, sodaß denen nichts anderes übrig blieb, als der Verkauf derselben.
Umgekehrt aber hat die theoretische Ebene die praktische Wahrheit, daß auch den Herren die Warenform der Arbeitskraft nicht in allen historischen Phasen und Erscheinungsformen mundet (Expropriation der Expropriateure) und sie daher dem Prozess der Expropriation ständische Schranken in den Weg stellten. Im trauten Einvernehmen mit ihren Fürsten, die auf diesem Wege die Gestehung desjenigen Produktes garantiert sahen, das ihnen unverzichtbar war.
Summa:
"Kapital" ist in jeder historischen Phase ein reines Gewaltverhältnis, das auf dem Gewaltverhältnis des Privateeigentums gründet, das ZUGLEICH auch ein ökonomisches Verhältnis ist. Es ist, um es noch einmal deutlich in einem Satz zu sagen, selbst kein ökonomisches Verhältnis, sondern ordnet sich die ökonomischen Verhältnisse von Privateigentümern unter! Seine "Zutat" zum ökonomischen Verhältnis der Privateigentümer ist reine Sklaverei, nur daß im Unterschied zu vorgängiger Sklaverei die Basis nicht die Gewaltform eines persönliches Besitzverhältnis ist, das überpersönlich (ständisch, national) bloß garantiert wird, sondern das unpersönliche Herrschaftsverhältnis der Nation selbst.
"wenn /wo Geld dann/ da Kapital" ist ein Popanz
Sehr geehrter Herr Jäger,
wie schon weiter unten geschrieben: Ich stimme Ihrer These ausdrücklich zu.
Mit nicht wenig Spannung sehe ich allerdings den Weiterungen Ihrer Analyse entgegen, denn eines sollte klar sein: Die Wert- ist ohne die Rechtsform schlicht nicht zu haben, andererseits ist aus der Wertformanalyse auch keine konkrete Politikableitung zu beziehen, man wird also früher oder später den 'Prolegomena' eine Theorie folgen lassen müssen, die Auskunft darüber gibt, woher die politische Form (d.h. der »Überbau«, i.e. der Staat) kommt.
Noch eine Nachbemerkung zu dem »Gedachten« kommt mir in den Sinn: Wo eben dies »Gedachte« erst vom konkreten Prozess abstrahiert ist, dort könnte man auch einige Bemerkungen etwa zu Freuds Überlegungen in Bezug auf die Askese verlieren. Denn die Askese, d.h. der Triebverzicht als der Kern der Zivilisation, setzt genau diesen Mechanismus absolut: »Man muß sich [!] beherrschen« — das ist nicht nur kein Vergnügen, sondern als Sieg des Realitäts- über das Lustprinzip eine zentrale Funktion der Kultur überhaupt, freilich um den Preis des Unbehagens in eben dieser Kultur. Könnte es sein, daß der Asket daher vor allem deshalb Respekt erhält, weil er diese Abstraktion an und in sich exekutiert?
Das ist, wie ich schrieb, nur eine marginale Randbemerkung dazu.
Viele Grüße,
Josef Allensteyn-Puch
Heidernei — in letzter Zeit klappt es mit keinen Kursiva so gar nicht mehr. Ich bitte das freundlich nachzusehen.
J. A.-P.
@ TomGard
Sie haben offenbar nicht gesehen, daß ich Ihnen längst geantwortet haben, s.u., sonst würden Sie hier nicht Ihre Phantasie wiederholen, ich dächte allen Zusammenhang weg und ließe nur Sprache übrig.
@ Michael Jäger
"Am Anfang referieren Sie Teile der Marxschen Wertformanalyse, ich weiß nicht warum, niemand hat sie ja bestritten. Ich weiß auch nicht, was dieses Referat mit meinem Hinweis zu tun hat, daß der abstrakt äquivalente Tausch Gleichung als Medium voraussetzt. Warum nennen Sie das eine "freie Erfindung"?"
"Tauschwert" ist ein terminus technicus der marxschen Analyse, als Solchen benutzt ihn auch Adorno, den Sie zitiert haben. Da Sie nun die Wertformanalyse, in der Marx diesen terminus erst in seinem Sinne bestimmt - im Gegensatz zu ähnlichen Fassungen des Begriffs bei u.a. Ricardo und Adam Smith, und unter anderem in der Causa "Sein" und "Haben", von der Sie sagen, sie sei zwischen Ihnen und mir nicht strittig - weder unterschlagen noch gefälscht noch bestritten haben wollen, Marx aber in derselben Analyse nebst deren Besprechung vehement der Auffassung widerspricht, der Warentausch sei sowas wie ein "abstrakt äquivalenter Tausch", ja, da er im Gegenteil schließt, solche "Äquivalenz" sei bis auf den statistischen Zufall in einem "blinden Durchschnittsgesetz" ausgeschlossen , und zusätzlich die gegenteilige Auffassung als eine zweckmäßige Illusion der Warenbesitzer nebst ideologischer Verbrämung charakterisiert, dann nenne ich Ihre Darstellung der Sache - um das mal netiquettemäßig zu variieren - unredlich .
Unredlich ist auch der Vergleich, zu dessen Behuf Sie Aristoteles zitieren. Da machen Sie Marx gefälschte Redeweise - er spricht eben nicht von Äquivalenz in Ihrem Sinne - zum Bestandteil der Sache, um die es gehe, berufen also Aristoteles zur Autorität, um Marx für etwas zu korrigieren, was weder in dessen Theorie, noch im Sachverhalt, in welchen sie die Theorie einbeschlossen, so existiert hat, wie Sie behaupten. Ich kann nichts für Ihre Verschlingungen!
Also nochmal konkreter:
Sie wollen sagen, die WEise, wie Marx über Kapital redet, ist ebenso Bestandteil der Sache, über die er redet, wie im Falle Aristoteles. Nur redet Marx nicht so, wie Sie behaupten, Aristoteles redet so.
Das ist eine klassischer Fall von Verleumdung, nur daß sie neben Marx Rede auch noch nach eigenen Maßstäben - Theorie sei Bestandteil des Sachverhaltes - mit Aristoteles die Sache verleumden, über die BEIDE, Marx wie Aristoteles redeten!
Nur JÄGER spinnt so!
Wenn ich vom äquivalenten Tausch bei Marx rede oder wenn Adorno es tut, dann ist natürlich x Ware A = y Ware B gemeint. So wird es von Marx bezeichnet und das ist es, was er analysiert.
Ich habe mich nicht auf Aristeles "berufen", um Marx zu "korrigieren", sondern habe darauf hingewiesen, daß Aristoteles es mit einer anderen Sprache des Tausches zu tun hat als Marx. Nur Sie habe ich damit korrigiert, weil Sie das noch nicht wußten.
Diese Diskussion ist hiermit beendet. Sie wird mir neben vielen anderen vergleichbaren Fällen, die ich erlebt habe, später dazu dienen - falls mein Projekt so lange den Atem behält, denn das ist dann keine Frage der Ökonomie mehr, sondern der Politik -, die Frage aufzuwerfen, welche Art von Menschen durch Marx angezogen werden.
D'accord, keine Debatte, nur das Original von Marx:
"Der Tauschwert erscheint zunächst als das quantitative Verhältnis, die Proportion, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen (...)
Eine gewisse Ware, ein Quarter Weizen z.B. tauscht, sich mit x Stiefelwichse oder mit y Seide oder mit z Gold usw., kurz mit andern Waren in den verschiedensten Proportionen. Mannigfache Tauschwerte also hat der Weizen statt eines einzigen. Aber da x Stiefelwichse, ebenso y Seide, ebenso z Gold usw. der Tauschwert von einem Quarter Weizen ist, müssen y Stiefelwichse, y Seide, z Gold usw. durch einander ersetzbare oder einander gleich große Tauschwerte sein. Es folgt daher erstens: Die gültigen Tauschwerte derselben Ware drücken ein Gleiches aus. Zweitens aber: Der Tauschwert kann überhaupt nur die Ausdrucksweise, die "Erscheinungsform" eines von ihm unterscheidbaren Gehalts sein."
Nebst einer winzigen Anmerkung: "Proportion" ist korrekt, weil es sich um ein Verhältnis inkommensurabler Größen handelt, nämlich Maßeinheiten für verschiedene Mengen oder Massen.verschiedenartigen Materials. "Gleichung" ist der Name der Darstellungsform der Proportionen.
Lieber Herr Jäger, lieber TomGard
mit Interresse und Begeisterung habe ich ihrer beider Disput verfolgt.
Was ist mir dazu eingefallen?
Ich gestehe, dass ich immer noch nicht recht klar komme mit dem Begrif von Sprache, den Sie, Herr Jäger, haben und wie Sie ihn nutzen - wir dsikutierten schon einmal darüber.
So faszinierend mir Ihr Ansatz erscheint, zu sagen, Geld und Ware mündeten nicht notwendig in Kapital, sosehr steht Ihnen dabei TomGards Argument
"Kapital" ist in jeder historischen Phase ein reines Gewaltverhältnis, das auf dem Gewaltverhältnis des Privateeigentums gründet, das ZUGLEICH auch ein ökonomisches Verhältnis ist. Es ist, um es noch einmal deutlich in einem Satz zu sagen, selbst kein ökonomisches Verhältnis, sondern ordnet sich die ökonomischen Verhältnisse von Privateigentümern unter! Seine "Zutat" zum ökonomischen Verhältnis der Privateigentümer ist reine Sklaverei, nur daß im Unterschied zu vorgängiger Sklaverei die Basis nicht die Gewaltform eines persönliches Besitzverhältnis ist, das überpersönlich (ständisch, national) bloß garantiert wird, sondern das unpersönliche Herrschaftsverhältnis der Nation selbst.
entgegen, das da unerbittlich mit Marx darauf hinweist, das unter einem historisch materialem Gewalt- und Machtverhältnis die Gleichung von Ware, Geld und Kapital durchgesetzt wird.
Allein eine Sprechakt kann dieses Gewaltverhältnis nicht durchbrechen.
Wenn Marx realiter das Kapitalgesetz entdeckt hat, so war doch seine gedachte Utopie die Zerschlagung der Klassenherraschaft, d.h. der Herrschaft des Kapitals.
Diese wäre als gesellschaftliche Praxis zuerst zu entdecken, bevor ein neues Wertgesetz das alte Kapitalgesetz ablöste, das damit entdeckT, d.h. auch gedacht wäre.
Lieber Uwe Theel, das weiß ich ja auch, daß das Kapital ein Gewaltverhältnis und ein ökonomisches Verhältnis ist. Das steht mir nicht entgegen, da ich es selbst so sehe und nichts in dem, was ich schreibe, dazu im Widerspruch steht. Es ist wahr! Ich insistiere nur darauf, daß das Kapital drittens auch ein Sprachverhältnis ist. "Arbeit, Sprache und Herrschaft" kommen zusammen, wie ich in der Notiz (38a) schrieb. Herrschaft ist Gewalt. Übrigens nicht nur Gewalt, sondern auch Hegemonie, um mit Antonio Gramsci zu sprechen. Aber jedenfalls auch Gewalt. Und selbstverständlich kann kein neues Wertgesetz das alte Kapitalgesetz ablösen, bevor nicht die Herrschaft des Kapitals beendet ist. Wie sollte das strittig sein? Sie haben recht, daß es da eine Praxis der Herrschaftsbeendigung zu entdecken gilt, ich habe mir darüber auch schon den einen oder anderen Gedanken gemacht. Aber im Moment ist das nicht mein Thema, im Moment geht es um die Frage, ob "wenn Geld, dann Kapital", und danach geht es darum, wie die Ökonomie der Anderen Gesellschaft aussehen könnte. Anschließend kämen dann die politischen Fragen, zu denen das gehört, was Sie ansprechen.
@Michael Jäger
Lieber Michael Jäger,
ich versuche das gerne aufzuklären. Sie schrieben:
„Bestimmt haben sich niemals Menschen zu einem Geldkonvent zusammengesetzt, der beschlossen hätte, Ware und Geld nunmehr äquivalent, also in der Gleichungssprache zu tauschen.“ ...und ... „Alles spricht dafür, dass die neuzeitlichen Menschen in den Gleichungstausch sozusagen hineingeschlittert sind.“
Ich denke, diese Vermutungen sind nicht richtig. Leider weiß ich nicht, ob es konkrete Aufzeichnungen dazu in alten Schriftwerken und Büchern gibt. Historiker könnten das sicher genauer sagen. Zumindest wissen wir von Adam Smith, David Ricardo u.a.
Ich denke, die wussten zumindest in den antreibenden Kreisen sehr genau, was sie da machten. Es gab bestimmt derartige Überlegungen, und zwar einerseits beim jungen Bürgertum, die im Tauschhandel ausdrücklich IHRE Art zu wirtschaften erkannten, bei Kirchen, die darin eine Manifestation und Erweiterung ihrer ja auch stets vorhandenen weltlichen Macht und ihres Seelenheils sahen, weil die klingelnde Münze im Korb nach dem Besuch des Beichtstuhls versprach, danach für einen guten Wein das Wirtshaus besuchen zu können und nicht zuletzt in Reihen des Adels, der lauthals seine Steuereintreiber ausschickte, um Geld für sein prunkvolles Leben sowie Söldner, Waffen usw. zu bekommen, wie oben beschrieben.
Dann zu:
„...Kapital ist Ware und Geld, aber daraus folgt n i c h t im Umkehrschluss, Ware und Geld sei Kapital...“
Das löst sich auf, wenn man der Frage nachgeht: Was ist Ware?
Meine Antwort: Zunächst ein Produkt menschlicher Arbeit. Geld ist ebenso ein Produkt. Man kann durchaus Produkte gegen Geld tauschen, ohne das es „Kapital“ ist. Das ist es wahrscheinlich, was Sie meinen...oder!?! Denn genau das wurde jahrtausende lang gemacht.
Ein Produzent stellte in der Regel nur so viel her, wie sein Dorf oder seine kleine Stadtgemeinschaft benötigte. Die Märkte waren sehr klein. Man kannte sich stets persönlich. Man tauschte im Normalfall die benötigten Produkte direkt aus. Mehr zu produzieren hätte als Prinzip keinen Sinn gemacht. Nur für spezielle Produkte wie Salz, Reis, geräuchertes Fleisch oder Fisch, Wein usw. legte man sich Vorräte an, z.B. zur Überbrückung der schlechten Jahreszeit. Brauchte nun der eine Produzent etwas vom anderen, konnte aber z.B. jahreszeitlich bedingt sein Produkt (noch nicht) anbieten, weil z.B. die Ernte erst noch bevor stand und ein anderer hatte z.B. rohstoffbedingt doch ein Überprodukt vorrätig, welches vielleicht drohte zu verderben, dann griff man zu Münzen. Diese wurden vorübergehend als eine Art Pfand angenommen und später wieder zurück getauscht gegen das Ernteprodukt. Folglich: keine Absicht „Mehrwert“ also „Gewinn“ zu erzielen. Keine betriebswirtschaftliche Rechnungsführung. Keine Ware. Kein Kapital. Kein Kapitalismus.
Für das 17. Jahrhundert gilt das nun zunehmend aus den weiter oben im Kommentar genannten Gründen nicht mehr. Dort bestand die konkrete Absicht, mit Hilfe neuer technischer Erfindungen und verbesserter Produktionsmethoden absichtlich mehr Produkte herzustellen, auch sehr schöne Produkte (bunt bemaltes Porzellan, edle Tuche, Lederschuhe, Schatullen), wohlschmeckende Produkte (Trüffel, duftende Backwaren, Kaviar, Safran), verlockende Produkte (edlen Schmuck, Duftwässer, Blechspielzeug, Mechanik, Uhren) und nicht zuletzt schärfere Säbel, größere Kanonen, Musketen und Pistolen mit und schließlich ohne Lunte. Es sollte die ersten „Kunden“ im heutigen Sinne locken. Doch jetzt genügte nicht mehr der „Pfandcharakter“ des Produktes Geld. Jetzt sollte ein Zugewinn erzielt werden. Folglich: bewusste Absicht „Mehrwert“ als Profit zu erzielen, der in den stofflichen Trägern gespeichert ist. Produkte sind nicht mehr Güter, sondern erhalten die gesellschaftliche Form von „Ware“. „Arbeit“ verwandelt sich in „Mehrwert“. Aus einem Taler oder Gulden werden zwei. Es entsteht „Kapital“, weil man sich nun in alle Produkte (inkl. des Geldes!!!) anstatt eines „konkreten“ einen „abstrakten Tauschwert“ quasi hinein denkt. Sonst hätte man den Profit nicht ausrechnen können. Deshalb auch der Rückgriff auf das Kreditsystem (inkl. Zins), weil diese Logik funktioniert nur, wenn das Kapital inkl. Geldkapital permanent wächst. Das ist übrigens genau das, was die Gesellianer dann immer als „Fehler im Geldsystem“ wahrnehmen. Die Ursache ist aber - wie man deutlich sieht - nicht (allein) das Geld (obwohl auch eine spezielle, universelle Ware), sondern die politisch motivierte, durchgesetzte „Warenform“ insgesamt. Deshalb ja auch „politische Ökonomie“. Erst jetzt ist Kapitalismus entstanden.
Nun bestimmt die kaufmännische Buchführung was richtig und sinnvoll ist und nicht mehr die Bedürfnisse der Menschen, wie zuvor. Das lief selten dauerhaft ohne Widerstand ab, es sei denn eine ganze Region profitierte als Handels- oder Produktionszentrum relativ flächendeckend über die ganze Bevölkerung hinweg verteilt.
Damit ändert sich dann ontologisch alles. Alles müssen plötzlich zwangsweise ein monetäres Einkommen erzielen, oder sie verarmen, trotz(!) höherer Produktivität und gewachsenem stofflichem Reichtum. Darin zeigt sich dann der Widerspruch. Und der Politik (Entstehung des bürgerlichen Staatsapparates, französische Revolution) wurde die Aufgabe zuteil, die möglichst besten inneren und äußeren Rahmenbedingungen für die Kapitalverwertung herzustellen.
Das „Gedachte“ ist also die „abstrakte Wertebene“, die sich „Ökonomen“ (siehe auch meine heutigen Kommentare zu j-ap beim Artikel „Nein, danke!“ von Tom Strohschneider“) in alle stofflichen Träger der Waren hineindenken.
Fazit: Geld ist immer ein „Produkt menschlicher Arbeit“ aber nicht immer „Ware“ und nicht immer „Kapital“. Das ändert sich mit Durchsetzung der Warenform (Mehrwertspeicher) als Grundprinzip. Damit ändert sich auch der Charakter der zurvor „konkreten Arbeit“ zur „abstrakten Arbeit“. Dann hat man Kapitalismus.
Lieber Tiefendenker, wie ich schon schrieb, habe ich mich mit dieser Problematik in früheren Einträgen teilwese schon ausführlich auseinandergesetzt. Z.B. habe ich Braudel zurate gezogen und dargelegt, daß es in unterschiedlichsten Weltgegenden schon raffinierteste Kaufmannsmethoden gab, Wertpapiere und regelrechte Börsen, ohne daß das im mindesten den Kapitalismus hervorgebracht hätte. Auch die europäische mittelalterliche Buchführung hatte noch nichts mit Kapitalismus zu tun. Das, womit diese Kaufleute gehandelt haben, waren aber ganz zweifellos Waren. Und Mehrwert haben sie auch machen wollen und tatsächlich gemacht, aber dennoch wurde keine einzige Gesellschaft dadurch schon kapitalistisch, denn die Staaten (die "Gewalt", s.o.!) ließen nicht zu, daß sie, die Kaufleute, bestimmend wurden. Also: "Die Märkte waren sehr klein, man kannte sich persönlich" usw., das stimmt nun überhaupt nicht. Denken Sie an die Seidenstraße! Die Herrscher des Mongolenreichs haben sich als Schutzherren der zwischen China und Europa pendelnden Kaufleute aufgefaßt. Handel zwischen Skandinavien und Südrußland gab es schon in vorgeschichtlicher Zeit, es ist das einer der Gründe, weshalb Rußland überhaupt entstanden ist. Usw.
In einer früheren Notiz habe ich mit Marx unterschieden zwischen Produkten, die Wareneigenschaft haben, und solchen, die Waren s i n d . Das eine ist vorkapitalistisch, das andere kapitalistisch. Insofern haben Sie recht. Man spricht aber in beiden Fällen von Waren.
Ich kann natürlich nicht erwarten, daß Sie meine früheren Eintragungen ab (14) lesen, aber eine wirklich intensive Debatte dieser Fragen würde sich am besten nicht hier machen, sondern unter diesen Eintragungen.
Bei dem, was Sie zuerst schreiben, sind wir vielleicht gar nicht verschiedener Meinung. Das junge Bürgertum wollte den Tauschhandel usw., d'accord. Aber es hat den Tausch nicht erfunden, sondern aufgegriffen, sich in eine Tauschlogik eingemeindet, die sich dann auch veränderte; ein komplizierter Vorgang. Die Veränderung der Tauschlogik ist nicht durch Beschluß geschehen, paßte aber zu gewissen Absichten (bürgerliche Eigentumswahrung) und in gewisse umfassende Denkprozesse hinein (unendliche Angleichung -> Gleichung), die sehr bewußt waren. Das wollte ich sagen.
@ Michael Jäger am 06.08.2010 um 22:40
Lieber Herr Jäger , ich zitiere Sie aus ihrer Notiz (38a), die bisher nicht kommentiert wurde:
Aber nicht nur Arbeit ist gesellschaftlich, sondern "Sprache und Herrschaft zumal" sind es auch, wie Habermas irgendwo schreibt, und das will sagen, Arbeit, Sprache und Herrschaft lassen sich nicht aufeinander reduzieren, weder Sprache auf Herrschaft noch Herrschaft auf Sprache noch beide zusammen auf Arbeit. Auch andere haben das gesagt, es ist ein Punkt, über den es heute keinen Streit mehr geben kann.
Wenn wir daher sehen, dass Wert und Geld sich in der Arbeitsherkunft nicht erschöpfen, werden wir erst einmal fragen, ob das, was hinzukommt, Sprache ist oder Herrschaft oder beides, statt gleich "Verdinglichung" zu unterstellen, den bloß physischen Zusatz, der sich als Fetisch aufspielt. Sollten wir auf einen Zusatz im s p r a c h l i c h e n Register stoßen, werden wir ihn nicht automatisch für verrückt erklären. Fetische erklären wir für verrückt, Sprachliches aber prüfen wir und kommen fallweise zu verschiedenen Schlüssen. Vielleicht fällt mit dem Kapitalismus nicht jegliches Geld, sondern nur dasjenige, das zur Arbeitsherkunft eine verrückte, eben fetischistische Sprache ergänzt? Statt einer v e r n ü n f t i g e n Sprache, sollte sie auch erst erfunden werden müssen?
Ich gestehe erneut, dass mir Ihre Ausführungen zu Sprache, Herrschaft, Arbeit und geld hier immer noch dunkel bleiben.
Der Habermas`sche Ansatz, soweit ich ihn begreife, meint mit dem gesellschaftlichen Charakter von Sprache, dass sich über sie die Kommunikation über die Welt unter den Menschen, damit Vergesellschaftung herstelle in dem Sinne, dass sich ein Mensch dem anderen sprachlich verständlich mache kann, Sinn gesetzt werden kann. Das Sprachvermögen wird da in Folge des mentalistischen Sprachbegriffs als genuiner Bestandteil des Humanums begriffen, die unter gegebenen historischen Bedingungen selbst Herschaftsinstrument sein kann, also über sie im Sprechakt Gewalt ausgeübt werden kann (Pragmatische seite der Sprache).
Sprache hat aber immer zwei Seiten, die sich ebenfalls nicht aufeinander reduzieren lassen: Syntax/Grammatik und Semantik. Können wir Syntax/Grammatik der Sprache noch als direkten Ausfluß von Natur - deshalb "natürliche Sprache" - begreifen, so ist die Semantik der produzierten Ausdrücke in jedem Fall "künstlich" , kulturell, sozial, gesellschaftlich "vereinbart", also Überbau. Überbau in unserem Zusammenhang aber im Hinblick auf die realen, materiellen gesellschaftlichen Verhältnisse (Produktionsverhältnisse, etc) nicht Überbau/Ausfluß der (natürlichen) Grammatik/Syntax der Sprache.
Wenn wir unter den jetzigen gesellschaftlichen Verhältnisse in einem Satz ausdrücken, dass Geld über den Warentausch zu Kapital wird, damit bürgerlich-kapitalistische Herrschaft produziert, so ist das keine "verrückte" Sprache. Ich benutze die natürliche Sprache, die ich habe um im künstlichen (theoretischen) Ausdruck zu beschreiben, zu erklären wie ich die Welt in diesem Zusammenhang begreife. Das ist schon vernünftig. "Verrückte" und doch wieder systemimmanent immm noch "vernünftige" Sprache im Hinblick auf die tatsächlichen Verhältnisse stellt es dar, wenn bürgerliche Ökonomen, Politiker oder Gesellschaftstheorethiker unter Absehung vom Kapitalgesetze die "Natürlichkeit marktwirtschaftlicher Ordnung" herrschaftsstabilisierend predigen.
Demgegenüber wiederum würde es wieder "ganz" vernünftig sein, wenn ich eine existierende Welt sprachlich werde beschreiben können, in der tatsächlich "wenn Geld, dann Kapital" nicht mehr gelten würde, die Herrschaft des Kapitals gebrochen wäre. Dass die Formulierung der Utopie dieser Verhältnisse erst wieder nur sprachlich oder sonstwie künstlerisch wird erfolgen können, ist Fähikeit des Menschen. Dieser "Tagtraum" (Bloch) aber nimmt die Praxis nicht selbst vorweg.
Ich hoffe, ich konnte andeuten, dass Sprache aus Ihrem Vieleck der Begriflichkeiten ( Ware, Wert, Geld, Tausch, Kapital) gewissermaßen herausfällt, weil es zum einen nur das Medium ist in dem ich "über" die materielle Realität spreche mit ihr aber nicht identisch ist, ich zudem über die, die Realität bezeichnenden Ausdrücke selbst sprachlich mich wieder ausdrücken kann (die Sprache ist ihre eigene Metasprache).
Ich wiederhole noch einmal, dass ich nicht genau verstehe, welche Rolle Sie der Sprache in ihrem Ansatz zuordnen, deshalb meine bisherigen Beiträge, den Versuch darstellen, deren Begriff selbst genauer zu bestimmen, wie ich ihn sehe.
Ich kann nicht verstehen, was - wie Sie schreiben - aus oder in der Sprache "verborgen" sein könnte, dass zu den Dingen Ware und Geld nur hinzutreten müsste um die Verwandlung in Kapital zu verhindern. Es könnte nur etwas sein, was in Semantik und Pragmatik, der "künstlichen" Seite der Sprache "enthalten" wäre nicht in seiner natürlichen Syntax und Grammatik.
Aber vielleicht kann künftige Diskussion mich da ja doch weiter erhellend aufklären.
Sehr geehrter Tiefendenker,
dem Kommentar von Herrn Jäger ist eigentlich nicht mehr viel hinzuzusetzen, zumal es genau der Punkt ist, der rein empirisch die These, die er hier vertritt, zu stützen vermag.
Deshalb hatte ich weiter oben auch schon Schwierigkeiten mit Ihrer Formulierung, der Kapitalismus sei mit Gewalt 'eingeführt' worden. Das ist nicht nur ahistorisch, sondern verkennt darüber hinaus, daß kapitalistische Ideologie nicht kalendarisch genau 'einsetzte', sondern selbst natürlich Prozesscharakter hat. Denken Sie etwa an die Schule von Salamanca, da haben Sie schon all das im Keim vorliegen, was die Neoklassiker angeblich später alles 'entdeckt' haben wollen. Es gab schon zu Zeiten des alten Ägypten nicht nur bloß Kaufleute in großer Zahl, sondern sogar originäre und handelbare Termingeschäfte, vorrangig mit Getreide und Transportkapazitäten (Schiffe und Karawanen). Das ist insofern wenig erstaunlich, als man es im Land am Nil nämlich mit einer sehr wesentlichen Asynchronität zu tun hatte: Der Anbau von Getreide war nur zu bestimmten Zeiten möglich (Nilflut!), allerdings herrschte auch außerhalb dieser Zeiten natürlich Bedarf an Getreide zur Nahrungsversorgung. Wie wird dieser Prozess organisiert? Die ägyptische Antwort lautete: Termingeschäfte.
Aber wohl niemand würde sich zu der Aussage versteigen, daß das alte Ägypten eine kapitalistische Veranstaltung gewesen sei.
Was mir bei so manch arg kurzschlüssigem Marxrekurs wirklich gegen den Strich geht ist die konstante Weigerung der Protagonisten, die andere Gesellschaft als eine tatsächlich bessere zu denken: Das kann nämlich in gar keiner Weise bedeuten, daß der Mensch sich fortan wieder auf der ihm zugewiesenen Scholle von früh bis spät darum bemüht, das nächste Mahl auf den Tisch zu bekommen und den Zehntpfennig für den Pfaffen davon noch abzuziehen. Das ewige Dorf, wo jeder jeden kennt und jeder nach seiner Kultur, nach seiner Religion, seiner Ethnie ganz idyllisch vor sich hinwirkte ist für manchen ein Idyll, für mich nicht. Ich will voran und nicht zurück, deshalb schreite ich mit empfindlichem Einpruch jedem entgegen, der die Menschheit de facto in eine Viehherde zurückverwandeln will, an der alles gut sein soll, solange es nur ja nicht »Geld« ist: Die Zinsabschaffer, NoGlobals, AntiImps und wie sie alle heißen mögen, die ihren strikten Autoritarismus und die Enge ihrer Gedanken für alle herbeisehnen, sie sollen sich hinter die Ohren schreiben, was gerade Marx, der nie und nimmer müde wurde, auf die »besonderen Umstände« hinzuweisen, als Hoffnung ausgab: Daß nämlich die bedrückenden Verhältnisse nicht dadurch aus der Welt kämen, indem man vor sie zurück, sondern über sie hinaus will.
Lieber Herr Theel, da Sie die Passage aus (38a) zitiert haben, kann ich mich direkt auf sie beziehen: Ich schreibe da nicht, mit einer bestimmten (neuen) Geldsprache falle der Kapitalismus, sondern umgekehrt, mit dem Kapitalismus falle eine bestimmte (alte) Geldsprache. -
Im Unterschied zu Ihnen gehe ich nicht davon aus, daß Sprache nur etwas ist, wohinein man die gesellschaftlichen Sachverhalte bettet, d.h. womit man über sie spricht. Sondern davon, daß Sprache in gesellschaftliche Sachverhalte selber "eingeschrieben" ist. Sie werden durch Sprache mitkonstituiert und das gehört zu dem, was sie von außergesellschaftlichen Dingen unterscheidet, z.B. von einem Sternhaufen. Bei diesem wird die Wahrnehmung durch Sprache mitkonstituiert, bei einem Tisch aber die Sache selber, und das sieht man ihm dann auch an. -
Wenn Sie (38a) gelesen haben, müßten Sie auch noch (39a) und(40a) lesen, denn die Passage, die sie zitieren, benennt nur einen Untersuchungsansatz - was ich mit dem anstelle, erfahren Sie erst aus den folgenden Eintragungen.
Hallo Tiefendenker,
ich habe an anderer Stelle empörenderweise meiner Vermutung Ausdruck gegeben, Herr Joseph A.-P. lüge wohl schon, wenn er "a" sage (eine Formulierung von ihm selbst). Da ich - verzeih die Offenheit - den Eindruck habe, in Dir einen sehr jungen Menschen vor mir zu haben, dem erheblicher Schaden - und sei es nur an Lebensenergie - zugefügt werden kann, wenn man ihn mutwillig und zweckmäßig belügt und irrezuführen trachtet, nehme ich die Gelegenheit, die methodische Unredlichkeit dieses Mannes an seiner Antwort vorzuführen.
Sie beginnt mit der Anbiederung, dem "Kommentar von Herrn Jäger (sei) eigentlich (sic!) nicht mehr viel hinzuzusetzen, zumal es genau der Punkt (sei), der rein empirisch die These, die er (vertrete), zu stützen" vermöge.
Eine nicht ganz unbedeutende "Frechheit" ist schon die Berufung auf "reine Empirie", denn M. Jägers Ansatz, weiter oben deutlich formuliert, die Sprache und mithin ein "Denken" - wie immer bestimmt - bilde mindestens auch ein konstruktives Moment und in diesem "Sinn" Konstituens der ökonomischen Vorgänge ist fundamental skeptisch gegen "Empirie"!
Weiter wirst Du Dich vielleicht erinnern, daß der Joseph dem Michael weiter oben in seiner Grundannahme widersprochen hatte, er schrieb:
"Der Umstand, daß zwei Waren in einem bestimmten Verhältnis zueinander getauscht werden, heißt nämlich in gar keiner Weise, daß diese zwei Waren hinsichtlich ihres Werts 'gleich' sind oder 'in einer Gleichung' darstellbar sind. Im Gegenteil bedeutet nämlich gerade der Akt des Tausches, daß die am Tausch Beteiligten die betroffenen Waren als ungleich hinsichtlich ihres Werts betrachten, denn warum sonst sollten sie sich der Mühe unterziehen, etwas zu tauschen?"
So bestritt Joseph, daß es einen "objektiven Tauschwert" gebe, dessen Existenz Jäger in seiner Antwort an ihn noch einmal ausdrücklich bejahte, und dies in der allgemeinen Zusammenfassung seiner Antwort an Dich bekräftigte, nämlich so:
"Das junge Bürgertum (...) hat den Tausch nicht erfunden, sondern aufgegriffen, sich in eine Tauschlogik eingemeindet, die sich dann auch veränderte; ein komplizierter Vorgang. Die Veränderung der Tauschlogik ist nicht durch Beschluß geschehen, paßte aber zu gewissen Absichten (bürgerliche Eigentumswahrung) und in gewisse umfassende Denkprozesse hinein (unendliche Angleichung -> Gleichung), die sehr bewußt waren."
Was immer man von der Antwort halten will, sie gründet auf der Annahme eines "objektiven Wertes", den Jäger freilich nicht ontologisch verstehen will (das wäre auch Quatsch), sondern einen konstruktivistischen Ansatz vorbringt ("Tauschlogik" als etwas den Subjekten geschichtlich voraus Gesetztes, das "sich" durch ihr zweckmäßiges Wirken verändert habe).
Will man nicht unterstellen, Joseph habe nix davon verstanden, ist seine beflissene Zustimmung eine Lüge ersten Grades!
Aber das gehört noch gewissermaßen in das Reich "Folklore", folgen wir also Joseph weiter.
"Deshalb hatte ich weiter oben auch schon Schwierigkeiten mit Ihrer Formulierung, der Kapitalismus sei mit Gewalt 'eingeführt' worden."
Jäger in seiner Antwort an Dich:
"Und Mehrwert haben sie auch machen wollen und tatsächlich gemacht, aber dennoch wurde keine einzige Gesellschaft dadurch schon kapitalistisch, denn die Staaten (die "Gewalt", s.o.!) ließen nicht zu, daß sie, die Kaufleute, bestimmend wurden."
Nach Adam Riese und Eva Zwerg lautet die Aussage: Wenn die "Gewalten" sich die Zwecke der Kaufleute zu eigen gemacht hätten, wären diese Gesellschaften kapitalistisch geworden. Die Aussage wird nicht dadurch eingeschränkt, daß Jäger weiter oben von "Tauschlogik" als einer Zusatzbedingung sprach, denn er charakterisierte das junge Bürgertum ja grad als diejenige Kraft, welche solche "Tauschlogik" bestimmtend veränderte.
Abermals drehte Joseph dem Michael das Wort im Munde.
Nur nebenbei will ich bemerken, daß beide über den "Mehrwert" lügen - Joseph schweigend und unterstellend - indem sie den Begriff so verwenden, wie Marx ihn bestritten hatte, ohne daß sie dies kenntlich machen. Mehrwert ist bei Marx ausdrücklich nicht das "Strich" am G' in der Zirkulation des Kaufmannskapitals G(eld) -W(are)- G', diesen "Zuwachs" oder das "Inkrement" schließt er auf eine Weise davon aus, die keinen Irrtum zuläßt. Wenn Jäger sich jetzt darauf berufen wollte, die Kaufleute hätten auch schon Angestellte "ausgebeutet", ändert das auch nichts - aber daswäre eine andere Erörterung.
Halten wir uns an Josephs Begründung, warum politische Gewalt nicht das bestimmende Moment in der Geschichte der Kapitalisierung von Privateigentum sein soll.
"Das ist nicht nur ahistorisch, sondern verkennt darüber hinaus, daß kapitalistische Ideologie nicht kalendarisch genau 'einsetzte', sondern selbst natürlich Prozesscharakter hat."
1) behauptet Joseph unverschämt, weil ohne Argument, die kritisierte Ansicht sei eine Lüge: "ahistorisch".
2) unterstellt er, einzig oder zumindest maßgeblich gebe "kapitalistische Ideologie" die Antriebe und Gründe für Gewaltausübung, die auf kapitalistische Produktionsweise ziele. Er begründet das nicht, illustriert es aber weiter unten, doch halten wir fest, daß die Einlassung abermals die Verlogenheit erkennen läßt, mit der er Jäger zustimmte, und daß er weiter alle Bemerkungen von Jäger und Dir zu den Antrieben und Gründen der Förderung der "Plusmacherei", wie Marx sie historisierend nennt, vom Tisch wischt.
Merkwürdig ist das Dogma, Gewalt sei bestimmt durch Ideologien der Gewalthaber aber schon auch, nicht wahr? Jedenfalls in unserem Zeitalter, oder? Zugleich passt es natürlich gut zur subjektiven Wertlehre ... Halten wir also den "Merker" fest, daß es sich bei diesem Dogma um eine "Realitätsspur" in Josephs Rede handeln könnte, um einen Hinweis darauf, was er wirklich denkt und möchte.
Damit weiter zum Bild, das er uns malt. Schon im alten Ägypten, sagt er, habe es :
"originäre und handelbare Termingeschäfte (gegeben), vorrangig mit Getreide und Transportkapazitäten (Schiffe und Karawanen). Das ist insofern wenig erstaunlich, als man es im Land am Nil mit einer wesentlichen Asynchronität zu tun hatte: Der Anbau von Getreide war nur zu bestimmten Zeiten möglich (Nilflut!), allerdings herrschte auch außerhalb dieser Zeiten natürlich Bedarf an Getreide zur Nahrungsversorgung."
"Natürlich". Oh, wie natürlich!! (Nilflut!! Heu - wo ist denn der Getreideanbau immer möglich ...?)
Wie, bitte, sind denn die bedürftigen Leut auf die Welt und dahin gekommen, wo sie (der Termingeschäfte) bedürftig wurden?
Joseph weiß es, wie es jeder weiß. Durch die ägyptische Urbanität auf der Basis der Sklaverei. Sklaverei statt Kapitalismus, das ist die Grundlage auf der Joseph uns versichert, alles sei "ganz natürlich" zugegangen, und die Händlerei ein zweckmäßiger "Prozess" der Bedarfsdeckung:
"Wie wird dieser Prozess organisiert? Die ägyptische Antwort lautete: Termingeschäfte."
Welch Triumph des Geistes!
Das mein ich gar nicht ironisch, ehrlich nicht!
Es ist der Triumph eines historisch spezifischen Geistes, der letztendlich selbstreferentiell blieb, aber es phasenweise durchaus nicht war, z.b. hier:
en.wikipedia.org/wiki/Jesuit_Reductions
Es ist der Triumph der Kasuistik, die auf einem weltlichen Tugend- und Rechtsbegriff gründet, über die Borniertheit der altvorderen Offenbarungsreligiösität und deren Institutionen.
Joseph ist, seinem Geiste nach, ein verhinderter Jesuitenpapst, behaupte ich in Gestalt einer systemischen Charakterisierung, so verstehe ich auch seinen letzten Absatz, in dem das Prinzip des jesuitischen Tugendbegriffes mir wie eine Bewässerung die Blüten der Urteile und Verurteilungen nährt, die da stehen.
Natürlich bin ich nicht nur durch diesen Kommentar zu diesem Schluß gelangt, Josephs Einlassungen zu Ethik und Logik anderwärts passen in dieses Schema wie ein Schlüssel ins Schloß.
Und ich habe nichtmal was gegen diese Leute!
Wenn sie offen agieren! Wenn sie nicht unentwegt lügen täten!
Leider gehört die Lügerei zu ihrer (selbstbestimmten) Mission.
Korrektur:
"mir wie eine Bewässerung die Blüten der Urteile und Verurteilungen zu nähren scheint."
@ Michael Jäger am 07.08.2010 um 09:43
Lieber herr Jäger, ich werde Iher lektüreempfehlung folgen und mich wieder melden, hoffentlich mit Weiterführendem.
Nur einen kleinen Bemerkung vorab:
Ich bin ganz bei Ihnen, dass mit dem Kapitalismus seinen (Geld)Sprache fallen wird, genau, weil er, d.h. die Praxis des Kapitalismus gefallen ist.
Wie Sie allerdings darauf kommen, dass dem Wort "Tisch" aus der Sprache mit herausgebildet würde, während das dem Wort "Sternhaufen" nicht zugeschrieben werden könnte, bleibt mir ein Rätsel. Seit de Saussure wissen wir um die "Künstlichkeit des Zeichens". Ein Tisch ist ein Tisch ist ein Tisch ist, weil wir es "so" sagen. Die Notwendigkeit für das Wort mag ein praktisches, gesellschaftliches Verhältnis sein. Wie wir dieses Etwas benennen, folgt allenfalls von der Phonologie her der Sprache Eingeschriebenen, die Semantik des Wortes wird nicht von der Sprache, der Sprachfähigkeit her, sondern nur aus der praktischen Notwendigkeit "etwas" zu bezeichnen gespeist. Diese Notwendigkeit freilich ist rein gesellschaftlich bedingt. Dem Tisch wohnt im sprachlichen Sinne nichts Tischmäßiges inne.
Kennen Sie Peter Bichsels kleine Geschichte vom Tisch und dem Mann?
Bis später
lg
ut
Lieber Herr Theel, ich glaube, das ist ein Mißverständnis: Ich habe nicht geschrieben, d a s W o r t " T i s c h " sei durch Sprache mitkonstituiert, sondern d e r T i s c h sei es.
@ Michael Jäger am 07.08.2010 um 13:59
Lieber Herr Jäger,
meinen Sie damit wirklich, dass, wenn ein Mensch einen Tisch baut, weil er dieses "Werkzeug" praktisch braucht, im zuvor das Wort "Tisch" einfällt, und er in diesem Wort auch den Begriff und die reale Gestalt des Tisches schon hat und sie nur und nur dann "nur noch" zu verwirklichen bräuchte, es gar nur so könnte?
Nein, es geht nicht darum, was, "wenn ein Mensch einen Tisch baut", in dessen Kopf vor sich geht. Sondern der Tisch selber, sagen wir z.B. die Tischplatte: ist rund, rechteckig, quadratisch, oval und das sind Elemente einer Sprache.
Wenn es weiter nichts wäre!?
Ihre These aber scheint doch zu sein, dass die Nichtweiterung von Geld und Ware zu Kapital auch eine Frage des Denkens der Sprache wäre, hier also ein "irgendwie" sprachlicher Hersausbildungsprozess beteiligt sei. Der Sprache sei etwas verborgen eingeschrieben, das entdeckt werden müsse (Wann und Wie?) um nicht verrückte Verhältnisse zu verwirklichen.
Sprache, genauer Sprachfähigkeit soweit Teil der (ersten) menschlichen Natur schreibt aber doch aus sich heraus keine gesellschaftlichen Verhältnisse, Strukturen oder Konstruktionsvorschriften für z.B. Tische vor. Wir können sie allenfalls in status nascendi bzw. post fest in ihr beschreiben, erklären.
Könnten Sie einmal erklären, welche besondere Rolle Sprache, Sprachfähigkeit, außer der trivialen, der des künstlichen sprachlichen Ausdrucks, der gesellschaftlichen Erscheinungen wie jedem anderen Stück Wirklichkeit, das wir als solches erkennen, angehängt werden kann, in Ihrem Ansatz spielt?
Vielleicht verstehe ich dann besser.
Vielen Dank
Uwe Theel
Lieber TomGard,
Sie sind wirklich und allen Ernstes ein »Spezialfall«: Wer nachgerade obsessiv jedem Kontrahenten »Lüge« unterstellt und sich anschließend auch noch aufschwingt, die »Jugend« vor der daher rührenden Verunreinigung schützen zu wollen, bei alledem aber noch nicht einmal im leisesten Anflug auch nur etwas einer Explikation Vergleichbares vorlegt, der verdiente glatt das blecherne Ehrenzeichen der Balsamierer ans Revers, denn diese Spezies dachte ich mir schon vor gut 200 Jahren ausgestorben. Sehr wahrscheinlich könnte ich auch einen Sermon verfassen, der Ihnen, TomGard, in allem vollumfänglich und bis ins Letzte beipflichtet — Ihre manichäische Intelligenz würde es wohl nicht einmal merken, denn Sie operieren nach dem bekannten Schema neuweltlicher Fernsehprediger: Schublade auf, Redemption versagt, Schublade wieder zu und etwaige Widersprecher sind vom Namenlosen besessen, der ihnen die Lügen einflüstert. Nach ne, si, nisi, num fällt das 'ali' um, bumm!
So ein bißchen klingt's fast nach einer freien Thomas Mann-Variation, wie Sie's hier aufzäumen: Joseph und seine ägyptischen Getreidespekulanten, oder dann später: Joseph und seine lügenden Jesuitenbrüder. Spielten Sie darauf an? Der Schluß liegt nahe, denn weshalb sonst sollten Sie meinen Namen so andauernd falsch schreiben, nämlich mit ph statt f? Gefällt er Ihnen nicht? Diesem Fährnis kann man abhelfen, denn ich habe noch neun weitere Namen, aus denen Sie die freie Wahl haben: Neben Josef nämlich noch Andreas, Carl, Heinrich, Wilhelm, Friedrich, Georg, Ludwig, Leopold und Clemens. Nehmen Sie bei nächster Gelegenheit den, der Ihnen am besten dünkt.
Was ist noch weiter zu sagen? Daß die Empirie notwendigerweise nur ex post, also: historisch stattfinden kann? Daß der von Ihnen herbeiphantasierte Gegensatz von objektivem + gedachtem Wert vs. subjektivem Wert gar keiner ist, weil niemand den konkreten Wert in seinen objektiven und subjektiven Bestandteil 'aufspalten' kann? Daß der Getreideanbau im Land am Nil eben nicht, wie etwa im Zweistrom- oder auch im Abendland, nur von saisonalen Bedingungen, sondern daneben auch noch von der Nilflut abhängt? Daß Sie, summa summarum, wohl keinen blassen Schimmer über die Produktionsstruktur haben, ansonsten Sie nämlich wissen könnten, daß Produktion nicht nur aus 'surplus'-Gelegenheiten besteht?
Wissen Sie was, TomGard? Ich werde nun tatsächlich, sobald ich Zeit dazu habe, etwas umfänglicher auf Ethik und Logik eingehen. Dann können Sie sich gern über den Jesuitenpapst Joseph und seine gedrechselten Paraevangelien beschweren.
Ja, als die ersten Tische gebaut wurden, da wird man sich etwas dabei gedacht haben, sie so und nicht anders zu bauen. Wahrscheinlich hat man zunächst vorfindliche Platten benutzt und nur einfach geglättet. Dann kam Geometrie auf und Tische wurden geometrisch. Heute muß man sich über dieses "Gedachte" keine Gedanken mehr machen, wenn man einen Tisch baut, es geht auch so; die möglichen Formen liegen auf der Hand, man wählt eine aus usw. Genauso liegt das Geld auf der Kralle und man gibt es entweder aus oder trägt es auf die Sparkasse usw. Aber als das erste Gleichungsgeld aufkam - das in x Ware A = y Ware B fungierende Geld -, da hat man sich etwas gedacht, auf die indirekte Weise, die ich zu charakterisieren versucht habe. Man hatte Gründe, nichts gegen Gleichungen, gegen die Gleichungssprache zu haben. Die Gleichungssprache war zugleich die unendliche Angleichungssprache, die man nicht nur in der Mathematik verwandte, da nicht einmal zuerst, sondern auch in der Theologie, dann in den Naturwissenschaften und schließlich eben auch in der Ökonomie. Das war der "intellektuelle Faktor", der bei der Entstehung des Gleichungsgeldes und des Kapitals eine Rolle spielte, wenn auch andere Faktoren eine vielleicht noch wichtigere Rolle spielten. Dieser intellektuelle Entstehungsfaktor ist das, was heute entdeckt werden muß, ausgehend von der Gleichungssprache des Tausches und unendlichen Angleichungssprache des Kapitals, in der er sedimentiert, aber in der Tat auch verborgen ist, eben weil niemand mehr darüber nachdenkt, sondern alle es sich nur zunutze zu machen versuchen. Ich habe zu dieser Entdeckung meinen Beitrag zu liefern versucht, in früheren Einträgen: Aus den und den Gründen wollte man sich im Zusammenbruch des Mittelalters dem Unendlichen nähern usw. Wenn wir mit der jetzigen Gesellschaftsform aktiv brechen wollen, statt ihren Zusammenbruch passiv abzuwarten, ist diese Erinnerung von entscheidender Wichtigkeit. Denn dann sagen wir: Hört mal, Leute, sind wir uns im klaren darüber, daß wir uns immer noch "dem Unendlichen nähern" und dafür alles in Kauf nehmen, auch die größten Katastrophen? Das tun wir nämlich faktisch, und merken es nicht einmal! Aber wollen wir es überhaupt? Wollen wir nicht etwas g a n z a n d e r e s ? Wollen wir nicht überhaupt einmal wieder uns danach fragen, was unser Wille ist? So fängt eine Revolution an.
@alle
Zunächst mal was ganz ALLGEMEINES an alle – bitte vertragt Euch!!! Niemand sollte hier den anderen irgendwie persönlich angreifen oder Dinge unterstellen, die man eh nicht prüfen kann. Dieser Block soll einerseits für alle Leser interessant sein, die sich inhaltlich vom Thema des Autors gerne ein Bild machen möchten und andererseits möchten wir uns alle selbst weiter entwickeln.
Alle Erkenntnis liegt im Vergleich. Also brauche ich Eure Wahrnehmung und Sichtweisen zum Thema. Sonst funktioniert das nicht. Ich fühle mich daher auch nicht persönlich angegriffen und möchte dass sich andere auch wohl fühlen mit dem Gedankenaustausch. Daher hoffe ich, dass es niemand nötig hätte zu lügen, sondern dass wir alle ehrlich daran gehen und uns gegenseitig weiter helfen. So ist jedenfalls mein Selbstverständnis davon.
UUUNNNDDD: ich finde es ganz toll, dass man hier beim FREITAG online derart gute Artikel lesen und darüber auf derart hohem Niveau diskutieren kann. Wo kann man das sonst??? Wer so weit ist, hier was inhaltlich beitragen zu können oder einen derartigen Ausgangsartikel wie Herr Jäger zu verfassen verdient meinen vollen Respekt!!!
Der Rest sind minimale inhaltliche Differenzen. Der Mensch hat nun mal nur eine eingeschränkte Wahrnehmung. Eigentlich sind wir alle mit der Weisheit der Universums, den kosmischen Gesetzen verbunden. Mir sagte mein Bauchgefühl schon als Kind, dass in dieser Welt irgendwas nicht stimmen kann, dass Kapitalismus (bzw. nannte sich das in der DDR ja noch Sozialismus, was aber auch nur ne andere Legitimationsform war) nicht richtig sein kann. Es fühlte sich nicht richtig an. Nur um mal eine ganz andere Ebene der Wahrnehmung in Erinnerung zu rufen. Wir haben es oft verlernt, diese Ebene zu berücksichtigen, weil wir von unserer eigenen Natur quasi entfremdet sind...
Ich möchte gerne konkret wissen, warum das so ist und wie es historisch dazu gekommen ist. Das scheint mir maßgeblich etwas mit der Form gesellschaftlicher Reproduktion zu tun zu haben, weil sie unsere Ontologie verändert hat. Aber wie genau??? Da möchte ich Euch um Eure Unterstützung und Hilfe bitten!!!
Zurück zum eigentlichen Thema:
Ich kann mit den Bemerkung von Michael Jäger und j-ap sehr gut leben.
Mir ist völlig bewusst, dass ich nur einen sehr kleinen Ausschnitt dargestellt habe. Die Seidenstrasse, die Indianer Nordamerikas, das alte Ägypten usw. habe ich bewusst alle nicht erwähnt, um den kleinen Ausschnitt, der nur regionale Verhältnisse in Nordeuropa darstellt so skizzieren zu können, dass man hoffentlich das WESEN dessen versteht, was sich langfristig verändert hat. Das schließt überhaupt nicht aus, dass es vorher schon Mischformen aus Subsistenzwirtschaft und kapitalistischer Teilbereiche oder Vorstufen davon in anderen Regionen gab, nämlich immer dort, wo der Handel dominierte, also an bestimmten Schnittstellen zwischen Regionen in der Welt. Dort gab es durchaus schon Warenzirkulation. Na klar. Kein Widerspruch meinerseits. Aber das reichte nicht aus, um Kapitalismus hervorzubringen. Da fehlt noch was. Davon abgesehen gilt eben England als Mutterland des Kapitalismus. Warum nicht z.B. eine viel ältere Kultur wie Ägypten? Allein wegen geografischer oder kultureller Unterschiede, wie manche Autoren behaupten? Europa galt doch im Mittelalter noch als völlig unterbelichtet und rückständig.
Ich denke das lag maßgeblich an der gewaltsamen Ausbreitung des Christentums. Die Kreuzritter brachten z.B. von ihren Eroberungsfeldzügen die arabischen Zahlen mit sowie die Schriften vieler großer Denker wie Aristoteles usw. das war in Mitteleuropa verloren gegangen. Ohne allein dieses Zahlenwerk wären viele Entwicklungen ab dann in der Mathematik, Philosophie, Technik und Kultur gar nicht möglich gewesen. Zuvor hatte man ja nicht Hexen sondern auch Bücher verbrannt, deren Wissen im Gegensatz zu den Lehren der Kirche standen. Das spielt da auch alles mit rein.
Es gibt noch einen Aspekt, der da mit rein spielt. Kapitalismus ist vor allem auch eine PRODUKTIONSWEISE!!! Das hatte ich indirekt mit meiner konkret sinnlichen Aufzählung der Produkte weiter oben schon vorsichtig versucht anzudeuten. Die Produktionsweise und damit auch die Produkte selbst haben sich verändert.
Die Menschen arbeiteten mit dem Verkauf ihrer Arbeitskraft nicht mehr auf dem heimischen Hof, sondern kamen in Manufakturen und Fabriken zusammen und lernten den Takt der ´ökonomischen Fließzeit und form von Stechuhren kennen. Sie wurden also zumindest formal unter die Herrschaft des Kapitals und damit Fabrikbesitzers subsumiert. Das ist nicht ganz unwesentlich in Bezug auf die geschichtliche Entwicklung. Der natürliche Rhythmus der Jahreszeiten, der vorher ihr Leben bestimmte, ging dabei verloren.
Genau das passierte kaum freiwillig, sondern aus sozialen Notlagen heraus und eben oft mit direkter Gewalt. Ich hab mal historische Berichte gesehen (TV-Dokus) und Sachen gelesen, wo beschrieben wurde, wie teilweise(!) Arbeiter von Soldaten oder einer spezielle Werkspolizei in die Fabriken getrieben wurden. Irgendwann führte man sogar Sirenen ein, die morgens lautstark die Arbeiter alarmierten, dass es Zeit sei die Brotdose zu schnappen und stracks zum Werkstor zu eilen. Und ich kann mich an Berichte aus den 90er Jahren über Fabriken in Lateinamerika erinnern, wo die Arbeiter am Fließband auch von einer Art Werksguerilla mit Gummiknüppeln überwacht wurde, dass ja niemand zu langsam war oder vor der offiziellen Pause sich zur Toilette traute. Dann gab es kräftig Schläge. Kein Witz.
Wenn Kapitalismus tatsächlich die sich natürlich entwickelte Produktionsweise wäre, dann würde sie auch im Einklang mit den Bedürfnissen der Menschen stehen. Tut sie das?
Anmerkung: ich stimme j-ap völlig zu – die Lösung kann wohl kaum in einem „zurück zu Subsistenzwirtschaft“ liegen. Was die kapit. Verhältnisse sprengt, ist die Entwicklung der modernen Produktivkräfte. Also dürfte die Lösung folglich in genau dieser Richtung als ein „darüber hinaus“ liegen.
Lieber Josef,
das "ph" tut mir leid, war keine Absicht, ich seh nicht mehr so gut und daher fällt es mir oft schwer, mir ein Schriftbild zu merken.
Und danke, Monsieur, für den liebenswürdigen Hinweis.
Und ja, ich fänd's gut, wenn Sie über Logik und Ethik ausführlicher schrieben, dann würd's ggf. eine Debatte mit "offenem Visier" von der ich mir Gehalt verspreche.
verbindlichste Grüße
TomGard
PS: Der Zusammenhang zwischen "objektivem" Wert - dies ist m.E. auch bei Marx ein Phasenbegriff, obwohl es ihm oft unterlief, sich substanzialistisch (oder essentialistisch, aber der Begriff ist mir allzu unbekannte besetzt) auszudrücken - und subjektiver Wertschätzung wird höchst materiell hergestellt - im Verhältnis der Branchen und Zweige von Industrie, Handwerk und Landwirtschaft, vermittelt über die Kapitalzirkulation. Besprochen im wenig gelesenen 2. Buch des "Kapital".
Nachtrag zum Punkt möglicher Einlussfaktoren für die Entwicklung. Bin gerade noch auf einen Artikel gestoßen - die "Explosion des Wissens". Das hat zumindest die Geschwindigkeit in Deutschland sowie die Selbstreflexion beeinflusst. Bücher waren außerdem stets ein Produkt als Ware.
www.spiegel.de/spiegel/0,1518,709761,00.html
Lieber Tiefendenker, danke für Ihre guten Worte!
Ich frage mich, ob ich Sie nicht vielleicht doch dazu überreden kann, meine früheren Einträge ab (22) zu lesen, da es dort genau um die Herkunft des Kapitalismus in Europa geht. Auch ich glaube, daß das Christentum eine Rolle gespielt hat; ich habe deshalb Max Webers Schrift über den Protestantismus als Geist des Kapitalismus geprüft, bin aber zu dem Schluß gekommen, daß nicht die calvinistischen Sekten der wesentliche Herkunftsfaktor waren, den Weber aus ihnen macht, sondern daß viel eher ein Abkömmling und Bastard des Christentums Aufmerksamkeit verdient, der Deismus nämlich, den ich ein wenig zu rekonstruieren versucht habe. Außerdem habe ich die Rolle der Staaten sehr stark betont und auch die der neuen Naturwissenschaft, und in diesem Zusammenhang wird natürlich die Rolle Englands stark hervorgehoben. Als Einleitung müßte noch (14) dazu genommen werden, wo ich zum ersten Mal sage, wie ich Marx' Kapitalbegriff verstehe. Davon hängt ja dann auch der Versuch ab, wie man die Herkunft zu erklären versucht; man muß zuerst sagen, was das ist, dessen Herkunft man rekonstruieren will. Also, falls es Sie interessiert! Und sehen Sie es mir bitte auf jeden Fall nach, daß ich die Werbetrommel schlage.
Nachdem mir persönlich bedeutet wurde, meine Beiträge in diesem Strang könnten durchaus Lust auf Nachforschungen, bes. im marx'schen Original machen, füge ich Bemerkungen an, die das aus meiner Sicht "rationelle Moment" aufgreifen, das hinter den Fehlern und Verdrehungen steckt, die ich hier angriff (woraus die Verdrehungen Japs allerdings heraus fallen, sie haben andere Beweggründe).
Auf den Schluß, daß in der Wertabstraktion etwas stecke, was außerhalb des Warentausches, und dann der Logik gemäß auch außerhalb der Ökonomie liege, war Marx natürlich auch gekommen. Er bespricht seine Überlegungen in diese Richtung ausführlich in den Abschnitten der "Grundrisse", die sich mit dem Geld beschäften. Auch mit den "Stundenzetteln" des Herrn Proudhon. Die Fehler, die Marx da macht, sind absolut spannend, sage ich mal zum Anfüttern.
Worin dies außerökonomische Moment liegen mußte, war Marx und Engels global auch klar. Es mußte sich um das gesellschaftliche Verhältnis der "Herrschaft von Menschen über Menschen" ganz allgemein, handeln, nämlich in Gestalt des allgemeinen Inhaltes, der in den verschiedenartigen und teils diametral gegensätzlichen Formen solcher Herrschaft zur Geltung kommt.
"Sklaverei" war damit ein "Kandidat" für dieses Moment, und zwar schon in seinen verschiedenen Erscheinungsformen, insbesondere Sklaverei der Weiber und die antike Sklaverei, welche die Gentilgesellschaften hervorbrachten und zugleich durch sie zerstört wurden.
Ein weiterer Kandidat war schon für Marx und Engels, besonders für Engels, die Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit als das wiederum bestimmend wirksame Moment in der Sklaverei, das sich in den entwickelten Formen der Warenabstraktion durchsetze. Engels ging so weit, sinngemäß zu sagen, die GEschichte des Kapitalismus sei ebenso als Geschichte der Trennung von Hand- und Kopfarbeit zu schreiben.
Diese Ansätze griff Alfred Sohn-Rethel in seinen berühmt berüchtigten Schriften zu "Warenform und Denkform" auf und arbeitete sie in "Geistige und körperliche Arbeit" weiter aus. Er machte sich anheischig, die Tradition des Rationalismus bis in die Details der kantischen Kathegorien hinein, die er als geschichtlich fortgeschrittenste, über ihn hinausweisende Gestaltung des Rationalismus begriff, als abgetrennte Gestaltungen der Wertabstraktion von Ware und Geld zu erweisen. Bildlich gesprochen als eine Art epochale "Parallelaktion" der geistigen und körperlichen Selbstschöpfung der aufeinanderfolgenden Ausbeutergesellschaften.
Daß dies nicht 1 zu 1 "hinhauen" konnte, war ihm selbst klar, aber seine Hinweise, daß die "Trennung von Natur und Geist", wie sie in der Wertabstraktion vorliege, Denkformen eines gegen diese Formen durchaus widerspenstigen Materials seien, wurden gewöhnlich ignoriert.
Meine Bemerkung zu "Substanzialität" ist nahezu inhaltsgleich zu Überlegungen Sohn-Rethels in "Warenform und Denkform" - was ich übrigens nicht wußte. Sohn - Rethel überzieht seinen Ansatz gewiß vielfach, und im Lichte heutiger biologischer und systemtheoretischer Resultate ist sicherlich Vieles, was er schreibt, schlicht antiquiert, .
Dennoch lohnt es sich m.E., es zur Kenntnis zu nehmen.
Aus Fehlern lernt - wer lernen will - schließlich am Besten, gelle.