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In dieser und den nächsten Notizen wird uns noch das Grundeinkommen beschäftigen. Es geht nicht darum, alle Probleme auszuleuchten, die es aufwirft, nur wie es prinzipiell aussieht, welche Rolle es prinzipiell spielt und ob es überhaupt prinzipiell möglich ist, soll untersucht werden. Hier in der 58. Notiz steigen wir in die letztgenannte Frage ein. Wie ich sie stelle, war in der 57. zu lesen: Was geschieht, wenn die Andere Gesellschaft mehr Arbeit anfordern muss, aus welchem Grund auch immer, als die grundeinkommensgesicherten Einzelnen anzubieten bereit sind? Wird man dann sagen, die Idee des Grundeinkommens sei praktisch gescheitert?
In der Frage ist unterstellt, dass die Andere Gesellschaft eine Mangelgesellschaft sein wird wie die vorhandene. Wenn sie es nicht wäre, könnte sie ja einfach alles unter die Menschen verteilen, statt dass diese nur ein Grundeinkommen erhalten. Gemessen an der "Kostenlosigkeit" aller Güter, die als utopisches Fernziel vorschweben mag, ist die Gesellschaft, in der immerhin Grundgüter "verschenkt" werden, noch durchaus defizitär, wenn auch zugleich ein großer nächster Schritt nach vorn. Damit das nicht als bloße Behauptung erscheint, will ich zunächst versuchen, die Utopie der "kostenlosen Gesellschaft" konkreter vor Augen zu stellen. Sie ist der Maßstab, der uns begreifen lässt, woran es der Anderen Gesellschaft mangelt.
Die utopische Gesellschaft wäre von ökonomischen Mängeln vollständig frei. Sie könnte produzieren und konsumieren, was sie wollte; sie hätte die Techniken entwickelt, mit der noch ihre kühnsten Wünsche ökologisch korrekt, das heißt ohne Überschreitung der Grenzen des Umweltraums der Erde, verwirklicht werden können; und sie hätte auf Erden nur ebensolche Gesellschaften neben sich. Die letzte Bedingung zeigt schon für sich genommen, w i e reich sie wäre und zu sein hätte. Denn um die Gesellschaften, die heute arm sind, zu "entwickeln", müsste sehr viel Hilfe vom Norden zum Süden fließen. Das heißt, beim Thema "Schenken" wäre zuerst hieran zu denken, und dann erst käme der Punkt, dass ich selbst gern mit Grundgütern beschenkt würde - ich, der ich das Glück hatte, in der Nähe Berlins statt in Bangla Desh geboren zu werden. Da unsere Gesellschaften an der Armut des Südens nicht unschuldig sind, stehen sie hier noch mehr in der Pflicht als ihren eigenen Bürgern gegenüber. In der reichsten Gesellschaft ist das freilich kein Thema. Sie gibt ihren Bürgern alles und teilt zugleich mit vollen Händen an den Süden aus.
Die Gesellschaft, in der man alles "verschenken" könnte, würde nicht nur überfließen vor Gütern (Hilfsleistungen jeder Art immer mitgedacht), sondern wäre auch reich genug, ein wiederum "kostenloses" System der Buchhaltung unterhalten zu können. Ja, das würde es auch geben. Denn es müsste immer bekannt werden können, von welchen Gütern die Bürger mehr, von welchen sie weniger aus dem Regal genommen haben, damit die Nachproduktion sie immer weiter beliefern kann. Der Wert der Güter würde zwar nicht mehr mit Geld beglichen, aber dennoch h ä t t e n sie einen Wert, aus dem einfachen Grund, dass man sie nach der Entnahme durch den Bürger gleichwertig ersetzen und erneut ins Regal stellen muss. Deshalb muss die Entnahme buchhalterisch registriert werden.
Und deshalb habe ich das Wort "kostenlos" in Gänsefüße gesetzt. Das System des "Verschenkens" setzt voraus, dass trotzdem der Reichtum der Gesellschaft kontinuierlich gepflegt wird, damit er erhalten bleibt und immer weiter "verschenkt" werden kann. Wenn wir von der Erhaltung des Reichtums reden, reden wir von der Erhaltung des Werts: dessen, was im Ersatz das Verbrauchte wiederholt, so dass beide eine Gleichung bilden. Ob man nun sagt, der Verbrauch schaffe einen Wertverlust, außer das Verbrauchte werde ersetzt, oder er "koste" insofern etwas, macht nur den Unterschied, dass im zweiten Fall Geld im Spiel wäre. Im ersten Fall ist das Verbrauchte zwar kostenlos, aber deshalb nicht wertlos. Es hat Wert, weil der Ersatz Arbeit "kostet" (erforderlich macht) oder "gekostet" hat im Fall, dass nur noch Maschinen arbeiten.
Dass es nötig ist, auch das Wort "verschenken" in Gänsefüße zu setzen, ergibt sich daraus, dass selbst die Gesellschaft, die am meisten automatisiert wäre, noch immer das Beiwerk lebendiger Arbeit bräuchte: einmal, weil die Automaten der Pflege und Überwachung bedürfen, und zum andern, weil es gelegentlich auf Grund technischer Fortschritte und sich ändernder Produktbedürfnisse der Gesellschaft zur Umrüstung der Maschinen kommt. Die insoweit stets erforderliche lebendige Arbeit wird aber nach Voraussetzung von durchschnittlich allen beigesteuert, mag auch der Beitrag des Einzelnen gering ausfallen. Wenn dann alle die Maschinenprodukte genießen, sind sie deren Produzenten gewesen, statt dass ihnen etwas "geschenkt" worden wäre.
Geld wäre in der reichsten Gesellschaft nicht mehr im Spiel. Man muss sich klar machen, was das bedeutet: Es gäbe Güter in solchem Überfluss, dass der einzelne Bürger kein Medium der Wahl zwischen verschiedenen Gütern mehr bräuchte. Man kann nicht sagen, dass die Wahlfunktion heute beim Geld das Wichtigste wäre - viel wichtiger ist, dass es die Kapitalbildung ermöglicht -, wohl aber, dass sie eine der Funktionen ist, mit denen Geld sich noch lange über den Kapitalismus hinaus ganz unentbehrlich macht. Denn so reich, dass sie "alles verschenken" kann, wird auch die Andere Gesellschaft nicht sein. Zumal "alles" wie heute eine große Variabilität ähnlicher und doch nicht gleicher Güter bedeuten wird. Vielleicht wird die Variabilität nicht noch wachsen, eher anders sein als heute, groß aber auf jeden Fall. Denn wir reden von einer Gesellschaft der (solidarischen) Individualisten. In der utopischen Gesellschaft können alle das je eigene "Kleid" oder die Mittel, es zu schneidern, aus dem Regal nehmen, und über diesen Reichtum hinaus, den schon die Andere Gesellschaft hat, können sie es sogar geldlos tun.
Die reichste Gesellschaft! Marx hatte recht: Sie noch weiter ausmalen zu wollen, wäre grundstürzend albern. Lassen wir sie von nun an beiseite. An ihr gemessen ist die Andere Gesellschaft, die mein Gegenstand ist, eine Mangelgesellschaft. Das bedeutet konkret, es muss Geld in ihr geben, schon weil nicht alles beliebig Wünschbare verteilt werden kann. Da die Menge des Verteilbaren aus verschiedenen Gründen begrenzt bleibt, ist es ebenso die Wahlmöglichkeit des durchschnittlichen Individuums, wovon eben das Geld in seinen Händen der Ausdruck ist. Das Geld oder bei Marx der "Zettel"; weshalb wir lieber von Geld reden, erörtern wir später. Wir haben in früheren Notizen die unendliche Vermehrbarkeit erörtert, die dem Geld heute eignet. Das Geld der Anderen Gesellschaft ist nicht unendlich vermehrbar, dafür spielt es umgekehrt wegen seiner Endlichkeit eine wichtige Rolle. Denn dass jeder nur über eine bestimmte, endliche Summe verfügt, wird (weiterhin) bedeuten, er kann nicht unbedingt alles haben, was er will, sondern muss sich unter Umständen für das eine Gut gegen das andere entscheiden.
Wenn aber die Andere Gesellschaft solche Grenzen hat, ist alles in ihr begrenzt, auch das noch so reichliche Grundeinkommen. Die Grenze oder der Mangel kann, wie gesagt, die Gestalt annehmen, dass die Gesellschaft feststellt, sie brauche mehr Arbeit als angeboten wird. Zum Beispiel weil es sie dazu drängt, Bangla Desh beim Bau neuer Deiche zu helfen. Wenn sie nun erkennt, das Grundeinkommen sei die Ursache des mangelnden Arbeitsangebots, was kann sie tun?
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Stante pede in die Beantwortung der Frage hineinzuspringen, ist nicht möglich, weil wir noch nicht wissen, w i e die Gesellschaft das denn erkennen würde. Da ist Einiges vorab zu klären. Die Frage ist offenbar unvollständig. Vollständig lautet sie: Woran wird erkannt, dass das Grundeinkommen die Ursache ist u n d n i c h t e i n z u n i e d r i g e s L o h n n i v e a u ? Denn die erste und natürliche Reaktion auf den Arbeitskräftemangel wird darin bestehen, dass die Unternehmen höhere Löhne anbieten. Vielleicht reicht aber auch die Lohnerhöhung nicht aus, um hinreichend viele Grundeinkommens-Bezieher zur Arbeitsaufnahme zu bewegen.
Wir nehmen folgendes Szenario an: Es gibt bereits die auf Grundeinkommen gestützte Lebensführung und daneben die fungierenden Arbeiter, von denen viele deshalb arbeiten, weil sie ihre Qualifikation zur Geltung bringen oder einfach am gesellschaftlichen Zusammenhang teilhaben wollen. Man wird sagen können, alle Menschen, die es aufgrund solcher Motive zur Arbeit treibt, arbeiten bereits, schon wenn wir in das Szenario eintreten. Wenn nun durch höheren Lohn mehr Leute zur Arbeit gereizt werden sollen, kann nur auf solche gehofft werden, die es um des puren Mehrkonsums willen tun. Die wird es auch immer geben. Eine Lohnerhöhung lockt gewiss Leute heran. Wenn nicht genügend viele, muss der Lohn nochmals erhöht werden. Dann kommen Leute, die noch mehr konsumieren wollen. Auch die wird es geben, und so immer weiter. Es ist aber klar, dass es eine Grenze geben wird, über die hinaus der Lohn nicht erhöht werden kann, ohne dass die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen leidet.
Dass dies so sei, wird schon heute in jedem Lohnstreit von jedem Unternehmer behauptet, und es muss keineswegs immer stimmen. In der Anderen Gesellschaft muss man wissen können, ob es stimmt oder nicht. Denn wenn es stimmt, ist sie im Ganzen betroffen: Es führt dazu, dass sie, da immer noch nicht genug Arbeit angeboten wird, obwohl die verträgliche Lohnhöhe schon ihr Maximum erreicht hat, nun wirklich zu der Schlussfolgerung gezwungen ist, das Grundeinkommen sei zu hoch. Ich habe damit ein "revolutionäres" Postulat formuliert. Denn meine Annahme bedeutet, dass in der Anderen Gesellschaft alles Unternehmergebaren, alle Buchhaltungsvorgänge, technischen Möglichkeiten und so weiter, offenzulegen ist. Es gibt keine "Betriebsgeheimnisse" mehr.
Natürlich ist diese G l a s n o s t - P r ä m i s s e ein Thema für sich, das nicht so nebenbei anhand des Grundeinkommens behandelt werden kann. Das heißt, ich werde darauf zurückkommen. Hier nur so viel: Wenn es Unternehmer und Unternehmer-Konkurrenz gibt, leidet weder sie selbst noch die Freiheit der Konkurrierenden darunter, dass es keine ökonomischen Geheimnisse gibt. Es ist auch kein Anspruch auf solche Geheimnisse ausdenkbar. Dass Intimes und "Privates" geheim bleiben kann, ist zwar gewiss ein Menschenrecht. Ich will das besser formulieren: "Privat" heißt "abgesondert", Geheimhaltung i s t also bereits Privatheit, sagen wir also eher, dass es das Menschenrecht des Intimen ist, privat bleiben zu können. Die Ökonomie aber, ist sie etwa intim? Sie soll durchaus kein Recht auf Absonderung haben. Wir werden sie so individualistisch wie möglich gestalten, aber privat wird sie nicht sein dürfen. Nachdem wir bereits dem Militär nicht mehr zugestehen, Staat im Staate zu sein, stufen wir die Träger der Ökonomie analog zurück und bringen sie damit nur an ihren natürlichen Ort. Denn Ökonomie ist weiter nichts als Dienst der Gesellschaft an sich selber.
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Man sieht, wie sich unser Thema ausweitet. Wir brauchen eine Systematik, es behandeln zu können. Ich bediene mich einer solchen: Unsere Ausgangsfrage, was geschieht, wenn die Gesellschaft erkennt, das Grundeinkommen sei zu hoch, soll in drei Schritten erörtert werden. Zuerst postulieren wir einen Ausgangszustand, in der Grundeinkommen, Löhne, Unternehmergewinne und Steuern noch zueinander passen. Dann betrachten wir näher und zunächst je einzeln die Minima und Maxima, in deren Zwischenraum sich diese Größen halten, wenn alle mit allen verträglich sind. Schließlich werfen wir einen Blick auf die Verträglichkeit selber, also auf das Zusammenwirken der Bewegungen in den vier Zwischenräumen, und betten dort unsere Frage ein. Die Frage so stellen zu können, verdanke ich einem Aufsatz von Karl-Ernst Lohmann: Begrenzen statt Lindern. Eine ökonomische Phantasie, in kultuRRevolution 59 (2010), S. 20-29, der "das Modell einer Marktwirtschaft" untersucht, die unter anderm "gekennzeichnet ist" durch "ein allgemeines, durch Steuern finanziertes gesellschaftliches Grundeinkommen" (S. 20). Mit allen Überlegungen Lohmanns stimme ich nicht überein, aber mehrere habe ich übernommen, andere übernommen und ergänzt.
Heute gehe ich nur erst auf den Ausgangszustand ein. Es sei also eine Gesellschaft gegeben, die ein hinreichendes Grundeinkommen zahlt. Was ist "hinreichend"? Nichts, was dem Hartz IV-Skandal im Entfernten ähnelte. Ich ziehe das heran, weil es ein gutes Kontrastmittel ist. Vorgestern erst gelang es der Kanzlerin, den Skandal bis zur Kenntlichkeit zuzuspitzen: Hartz IV, sagt sie am 17. Februar 2011 auf einer Wahlkampfveranstaltung, soll eine Brücke in die Arbeit sein "und nicht ein schöner Lebenszustand, in dem man es sich einrichten kann". Es soll also, anders gesagt, einen u n s c h ö n e n L e b e n s z u s t a n d schaffen, der die Betroffenen quält, um sie jener "Brücke" zuzutreiben. Angela Merkel weiß natürlich genau, dass viel weniger Arbeit von Unternehmen angeboten wird als unfreiwillig Arbeitslose nachfragen, oder umgekehrt, dass viel mehr Arbeitsplätze von unfreiwillig Arbeitslosen nachgefragt werden als Unternehmen anbieten. Viele unschön lebende Hartz IV-Empfänger werden also nicht auf eine "Brücke" getrieben, denn da ist keine, sondern an den Rand des Abgrunds.
Im Kontrast dazu sagen wir: Das Grundeinkommen in der Anderen Gesellschaft soll einen schönen Lebenszustand schaffen. Genauer mindestens das Minimum eines solchen. Danach richtet sich seine monetäre Höhe. Zuerst muss sich die Gesellschaft darüber einigen, welche Grundgüter und -leistungen zu einem schönen oder sagen wir würdigen Leben mindestens gehören, dann stellt sie fest, was sie kosten, und setzt entsprechend die Höhe des Grundeinkommens fest. Die Frage, ob sie dazu denn reich genug ist, gebe ich mit Lohmann (S. 23) an die Wirklichkeit weiter. Will sagen, es wird Gesellschaften geben, die kein Grundeinkommen einführen können, und andere, die es können. Wir reden von einer, die es kann.
Diese Gesellschaft muss nun, um den würdigen Lebenszustand aller zu erreichen, sogleich zwischen dem tatsächlichen und dem minimalen Grundeinkommen unterscheiden. Denn sie braucht einen Spielraum für eine etwa notwendig werdende Senkung des Grundeinkommens, die den würdigen Lebenszustand nicht antastet. Die Frage nach der Höhe der Beträge ist hier nicht zu entscheiden, nur eine Größenordnung sei genannt. Ich meine, eine Gesellschaft kann sich als Andere Gesellschaft begreifen, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung sage 1300 Euro Grundeinkommen tatsächlich auszahlen kann. Das ist nach meiner Erfahrung ein Monatsbetrag, mit dem man bereits "schön" lebt, obwohl er viele mögliche und durchaus unluxuriöse Bedürfnisse, etwa des Reisens, noch unbefriedigt lässt.
So oder so ähnlich kann diese Gesellschaft starten. Sie wird aber von vornherein das Verhältnis des genannten Betrags zu anderen Größen bedacht haben. Vor allem zum Lohn derer, die gerade arbeiten. Zugleich mit dem Grundeinkommen muss ein Mindestlohn festgesetzt werden, weil andernfalls auf allen Ebenen sofort Debatten und Kämpfe um besseren Lohn ausbrächen, was nicht wünschenswert ist. Denn alle, die arbeiten, sind nun in einer besseren Verhandlungssituation. Die Arbeit hinzuschmeißen, ist zur jedermann möglichen realistischen Drohung geworden. Der Lohn wird daher notwendig überall erhöht. Dies kann aber in der Form geschehen, dass die Gesellschaft zugleich mit der Höhe des Grundeinkommens die uranfängliche Lohnerhöhung festlegt, ein differenziertes System von Mindestlöhnen schafft. Den untersten Mindestlohn wird sie so festlegen, dass er die Aussicht auf spürbar mehr Konsum eröffnet, die Unternehmen aber nicht über Gebühr belastet. Nach meiner Vorstellung, auf der ich nicht beharre, liegt er um 100 oder 200 Euro höher als das Grundeinkommen.
Auf Lohnfragen gehen wir später ein. Hier geht es nur erst ums Grundeinkommen. Es wird gesenkt im Fall eines Arbeitsengpasses, der trotz Lohnerhöhungen fortdauert. Aber nur bis zu seinem Minimum. Das Minimum muss immer noch groß genug sein, um die würdige Lebensführung zu ermöglichen. Die Gesellschaft nähert sich ihm ja nicht, weil sie Schuldige zu bestrafen hätte, sondern weil sie in einen Engpass geraten ist. Es geht nur darum, dass alle helfen müssen, auch die Grundeinkommens-Empfänger, wenn versucht wird, den Engpass zu überwinden. Das Minimum selbst greift die Gesellschaft nicht an. Wäre sie nicht reich genug, das garantieren zu können, wäre es nicht die Andere Gesellschaft, von der wir reden. Was kann sie garantieren? Das vielleicht, was heute schon möglich ist, also wohl etwa 1000 Euro nach Auskunft unserer Sozialverbände (wenn man alle Leistungen zusammenzählt, die sie den Behörden abfordern). Es ist nicht an mir, die Zahlen festzulegen, sondern der ermittelte Wille der Gesellschaft wird es tun.
Wichtig ist mir an dieser Stelle dreierlei. Erstens, es gibt ein minimales Grundeinkommen, das sich vom tatsächlichen unterscheidet. Das minimale ermöglicht bereits den "schönen Lebenszustand", wenn auch in verknapptester Form. Das tatsächliche ist größer und erlaubt einen schon bequemeren, obgleich immer noch knappen "schönen Lebenszustand". Zweitens, die Andere Gesellschaft zahlt von Anfang an das höhere, nicht das minimale Grundeinkommen. Diese Dinge werden drittens in einer gesellschaftliche Urwahl beschlossen. Man wird sie abhalten, sobald die Dinge möglich geworden sind in politischer und ökonomischer Hinsicht.
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Lieber Michael Jäger,
da ich letztlich so oft an einzelnen Begriffen rumgemäkelt habe, bekommst du heute ein Zitat. Aus meiner inneren Bücherschatzkiste. Von Martin Buber, aus seinem Buch "Pfade in Utopia - Über Gemeinschaft und deren Verwirklichung" [1950].
Seit mehreren Jahrzehnten empfinden wir, daß wir am Anfang der größten Krisis des Menschengeschlechtes leben. Sie ist keineswegs bloß die Krisis eines wirtschaftlichen und sozialen Systems, das durch ein anderes gewissermaßen schon bereitstehendes abgelöst wird, sondern a l l e Systeme, die alten und die neuen, stehen gleicherweise in der Krisis. Was durch sie in Frage gestellt wird, ist nicht weniger als das Sein des Menschen in der Welt überhaupt.
Eine Krisis solcher Art kann nicht überwunden werden, indem man an einen früheren Punkt des Weges zurückstrebt, sondern nur indem man die gegebene Problematik ohne Abstriche zu bewältigen sucht. Ein Zurück gibt es für uns nicht, nur ein Hindurch. Hindurch aber werden wir nur dringen, wenn wir wissen, WOHIN wir wollen.
Ob es in einer anderen Gesellschaft auch so gnadenlose Penetrationsroutinen geben wird? Mit diesen Akteuren gewiss.
Lieber Michael Jäger,
Sie schreiben zwar, daß Sie die Löhne erst im nächsten Abschnitt behandeln wollen, aber die Grundfrage dazu kann ich wohl jetzt schon stellen:
Wenn ich Ihren Ansatz durchdenke, dann ist mir überhaupt nicht klar, weshalb die Löhne überhaupt steigen sollen.
Der historische Hintergrund für diese Überlegung stammt aus England (vgl. Speenhamland). Da wurde nämlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein ähnliches Existenzgeld (in Verbund mit etwas, was wir heute als Kombilohn bezeichnen würden) versucht mit dem dann allerdings (scheinbar) paradoxen Effekt, daß die Löhne nicht gestiegen sind (weil, so das Kalkül, nämlich zunächst niemand mehr gezwungen wäre, für die basale Subsistenz jeden noch so abgründigen Lohn statt überhaupt keinen zu akzeptieren; genau das macht ja den unbestreitbaren Reiz des BGE aus), sondern im Gegenteil ins Bodenlose gefallen sind.
Warum? (Ich will versuchen, tunlichst wenig Ökonomen-Sprech zu verwenden.)
Sehen wir uns an, was geschehen könnte, wenn beispielsweise die Müllmänner in der Anderen Gesellschaft aufhören, zu arbeiten, weil man ihnen zu wenig Lohn bezahlt. Zuerst würde, das liegt ja auf der Hand, die Müllabfuhr gar nicht mehr oder mindestens nicht mehr ausreichend funktionieren. In der Folge würden der Theorie nach natürlich die Löhne steigen müssen, damit wieder mehr Leute bereit sind, bei der Müllabfuhr zu arbeiten.
Soweit, so gut.
Nur: Woher kommen die dann steigenden Löhne? Da Löhne auch in der Anderen Gesellschaft Kosten sind, müssen sie bezahlt werden durch in diesem Fall höhere Mullabfuhrpreise. Diese gestiegenen Müllabfuhrpreise schlagen dann in Form gestiegener Lebenshaltungskosten zu Buche — will sagen: die Kaufkraft nimmt entsprechend ab, und zwar relativ am stärksten ausgerechnet bei denjenigen, deren Einkommen in der Nähe des BGE-Satzes liegt. Sprich: Diejenigen, deren Einkommen auf BGE-Höhe liegt, sind über die Hintertür dann doch wieder gezwungen, zu faktisch jedem auch noch so niedrigen Lohn zu arbeiten, um über das BGE hinaus noch Einkommen zu erzielen und ihren Kaufkraftverlust zu kompensieren, genau wie das bei Speenhamland der (eben deshalb auch nur scheinbar absurde) Fall war.
Das mag bei der Müllentsorgung allein noch nicht so sehr ins Gewicht fallen, aber schließlich ist auch nicht die Müllabfuhr allein davon betroffen, sondern alle Bereiche der Anderen Gesellschaft. Wenn man mal an Pflegekräfte, Ärzte oder die Nahrungsmittelversorgung denkt, dann ist klar, wohin das führt.
Ihr Ansatz lindert das, indem er einen Mindestlohn vorsieht. Allerdings behebt der dieses Problem nicht tatsächlich, sondern verschiebt es nur (in monetären Einheiten gerechnet: nach oben; in Zeiteinheiten gerechnet: nach hinten).
Dieser Einwand spricht wohlgemerkt nicht per se gegen Ihren Ansatz, Herr Jäger, sondern nur dafür, ihn wesentlich grundsätzlicher anzugehen.
Viele Grüße
Josef Allensteyn-Puch
Lieber J.A.-P.,
genau das ist es, was ich letztlich kritisierte. Obigen Text erwarte ich von einem alten, senilen Professor, der seinen Studenten im Grundstudium Futter gibt. Dazu noch recht einseitig.
Wo ist der eigene, frische Gedanke zum Thema? Der zündende Funke, ohne Mariechen. Nur Mut. Es muss ja nicht immer perfekt und durch vorgestanzte Denke abgesichert sein.
Wie schön einfach die Welt sein kann in Ihren Augen, schwarz und weiß, die guten und die bösen, und das trotz Globalisierung usw. Ground control to you. Utopie ist kein Ort, sondern eine Zeit, das paßt hier wie die Faust aufs Auge. Manchmal frage ich mich, was wohl ein armer Schlucker in Südamerika denken muß, wenn er solche Debatten hier liest, der nicht das Glück hat in einem Sozialstaat zu leben, in dem man das als uch noch als menschenunwürdig empfindet und dann auch noch fordert alles sollte bedingungslos sein (weil die Menschen sich mit Bedingungen ja schon so toll verhalten). Wie undankbar oder realitätsfern ist man=Sie hier eigentlich? Verzeihung, das ist gnadenloser und purer Populismus. Da wird mir ganz anders. Anstatt den Wert Arbeit hervor zu heben wird hier was von Grundeinkommen gefaselt. Bravo. Bitte, gründen Sie so etwas, bezahlen Sie es, wenn es funktioniert und alle ihr Ding machen können und noch dafür bezahlt werden, bestens. Der FREITAG soll ja an manchen Orten als Spinnerblatt gelten, nun weiß ich warum.
Lieber Streifzug,
es war mir klar, daß dieser Einwand kommen würde, weil ich hier gewißermaßen den »Spielverderber« gebe.
Nur halte ich eben den Gedanken, den Herr Jäger hier auffächert und ausfaltet und der ja in gewissem Sinn der linke schlechthin ist: nämlich ein besseres Leben für alle, für viel zu wertvoll, um ihn durch eine einzige Spielverderberei, die ich halt in diesem Fall selber gebe, ad acta gelegt zu sehen; oder anders formuliert: die Andere Gesellschaft ist zu wichtig, um sie nur dann funktionieren zu lassen, wenn niemand etwas dagegen sagt.
Grüße
J. A.-P.
@milohansen,
nicht dich fragen, sondern den armen Schlucker in Südamerika. Aber Achtung, Südamerika liegt in nicht in Hinterbayern.
[M.J., hier haben wir so einen Fall bezüglich der Gedankengänge zur Interpretation von "gescheitert" usw.]
Lieber J.A.-P.,
... den »Spielverderber« geben...
Warum vom Rande des Spielfelds rufen, warum sich nicht auch mal als Spieler schmutzig machen? Ist es eine Frage der Konstitution?
Richtig, ein besseres Leben für alle, nicht das Minimum für jeden.
Dann mal los. Einwurf ...
... obwohl, wenn ich das jetzt so lese, dann müsste es heißen:
Richtig, ein besseres Leben für jeden, nicht das Minimum für alle.
@ milohansen
Es ist schon jetzt genug für jeden da, zumindest besteht die praktische Möglichkeit. Ist aber nicht. Trotz der Tatsache, dass die meisten Leute schon lange Zeit hart arbeiten. Den "Wert der Arbeit" hervorzuheben kann es also nicht bringen.
Diese "Arbeit" produziert viel Unfug: Waffen, Porsches, Mercedes S-Klasse, 1000m³ Motorräder, 2m Bildschirme, private Hallenbäder, private Yachten,... Diese Technik entsteht nicht durch einen demokratischen Prozess, die entsteht zur Herrschaftsicherung und zur Herrschaftsdemonstration.
Wenn hinterbayrische Ingenieurskunst stattdessen Ressourcen schont, relaxte Technik baut und Elend nicht hinnimmt. sondern abschafft, dann kann jeder "sein Ding machen" und muss nicht molochend, den "Wert der Arbeit hervorhebend" den Knecht geben.
»Den "Wert der Arbeit" hervorzuheben kann es also nicht bringen.«
Der »Wert [sic!] der Arbeit« ist schon als Vokabel nichts anderes als der zum Eigentumsfetisch äquivalente Arbeitsfetisch und als proleteraisches Naturrecht die Korrespondenz zur real existierenden bürgerlichen Rechtsform.
Daher wäre für die Andere Gesellschaft die Arbeit weder als solche zu loben noch aufzuwerten noch besser zu entgelten und schon gar nicht anders zu verteilen usw. usf., sondern schlicht und ergreifend: abzuschaffen.
[Spielberichterstattung]
... da, eine geniale Flanke von J.A.-P., quer über den ganzen Platz, direkt auf den Fuß - wenn denn der richtige Spielpartner zur Stelle ist ...
Klar, solche statements finden hier Zuflucht. Was aber viel wesentlicher ist ist der Schrei nach mehr Geld und sich gleichzeitig über wirkliche Armut in der Welt amüsieren. Würde sagen es ist widerlich. Klar, solche Leute wie Sie können nur im Netz leben.
Hallo J-AP,
"milohansen" dürfte es schwer fallen, sich vorzustellen was passiert, wenn die "Arbeit abgeschafft würde".
Wie würden Sie den Prozess bezeichnen, in dem die "Dinge" hergestellt werden, die jeder zum guten Leben benötigt? Woher bekommen die Leute die Ressourcen? Wie werden die Ressourcen verteilt? Wie organisieren die Menschen ihre Produktion?
Wie also sagen Sie dem stolzen Automobil-Ingenieur, dass sein technisch hervorragend ausgestattetes Auto, welches er im "Arbeitsfetischismus" produziert und als "Eigentumsfetischismus" besitzt - kein "gutes Leben" ist, sondern Ausdruck seiner Knechtschaft.
Was nur was macht der Mann ohne seinen Fetisch? Sinn wird knapp.
Ein hübsches Bild. Das scheue statement, gejagt, verfolgt, geschunden, findet hier, beim Freitag Zuflucht und Unterschlupf.
@ Streifzug
Es ist aber auch ein kleines "statement", da sollten Sie etwas Rührung empfinden und ihm die Pulle an die Bambilippe führen.
Ganz übel aber ist das richtige, große "Statement", dies trampelte unseren schönen "Freitag Spinnerladen" zu Klump.
Aus den Fußstapfen großer Statements sprießt das Neue :)
Lieber Streifzug, hier glaube ich Dir doch mal widersprechen zu müssen. Ich finde die Frage von j-ap berechtigt und hilfreich, obwohl sie in diesem Fall nicht zu denen gehört, die ich mir nicht selbst stellen würde. Ich bitte dringend darum, solche Fragen zu stellen, wie das zu meiner Freude auch unter (57) haufenweise geschehen ist. Und um ganz grundsätzlich zu sprechen: Was ich hier mache, in diesem Vierten Teil, also nicht nur speziell im gegenwärtigen Kapitel über das Grundeinkommen, verfolgt vor allem die Absicht, e i n e F r a g e s t e l l u n g z u e t a b l i e r e n , die mit dem, was ich im Einzelnen konkret vorschlage, mt dem also, worin ich sie beantworte, hauptsächlich sozusagen nur illustriert werden soll. Warum sollen gerade meine Einzelantworten so richtig sein? Ich wünsche mir natürlich, daß sie es sind, wer wollte nicht gern glänzen! Aber worin ich mir wirklich sicher bin, das ist, daß d i e F r a g e s t e l l u n g richtig ist, für sie möchte ich werben und möglichst vielen Mut machen, sich auch in ihr zu bewegen.
Bei j-ap, um das auch gleich hier zu sagen, irritiert mich die Aussage weiter unten über die Arbeit. Ich habe ja oben geschrieben, daß immer gearbeitet werden muß, und sei es nur, um die Maschinen zu warten. Ist das eine Frage der Terminologie, lieber j-ap? Sollen wir "Arbeit" und "Tätigkeit" unterscheiden, wie schon verschiedentlich vorgeschlagen wurde? Darüber ließe sich ja diskutieren.
Weiter kann ich erst morgen abend hierher zurückkommen, falls die Diskussion bis dahin fortdauern sollte. Unten sage ich noch was zu milohansen.
Lieber milohansen, ich glaube, Sie haben nicht gründlich gelesen. Erstens hebe ich den Wert der Arbeit ganz eindeutig hervor. Immer wieder betone ich, daß die Möglichkeit des Grundeinkommens davon abhängt, daß gearbeitet wird und daher der gesellschaftliche Reichtum kommt. Auch sogar, daß das Grundeinkommen gesenkt werden muß, wenn eine Arbeitssituation es erzwingt. Zweitens müßte, wer lesen kann, sehen, daß die Frage des "armen Schluckers in Südamerika", bei mir in Bangla Desh - stellen Sie sich vor! da ist es nämlich noch schlimmer -, für mich leitend ist. Wie stellen Sie sich das denn vor, daß den Schluckern geholfen wird? Ich stelle es mir so vor, daß die reichen Nationen ihnen von ihrem Reichtum abgeben, viel abgeben. Und jetzt kommt's, passen Sie auf: Ich stelle mir vor, daß die reichen Nationen Demokratien sind u n d a u c h b l e i b e n , daß es also freiwillig geschieht, von Mehrheiten beschlossen wird.
Man kann durchaus über den Begriff Arbeit diskutieren. Der Arbeitsbegriff wird zur Zeit nicht selten überstrapaziert. Es gibt neben der Erwerbsarbeit die Trauerarbeit, die Beziehungsarbeit, die Erziehungsarbeit, die Arbeit an sich selbst (bspw. in therapeutischen Arbeitsbündnissen), die Lebensarbeit usw.
Ich beschäftige mich zur Zeit mit der Idee eines emanzipatorischen Konzepts eines bGe's. Was die Grundeinkommensdiskussion zum Arbeitsbegriff beiträgt ist im wesentlichen genau diese Ausweitung des Arbeits- (oder Tätigkeit-) begriffes auf sämtliche Lebensbereiche.
Eine anregende Idee zu diesem Thema brachte der Philosoph Wilhelm Schmid ein, der dafür plädiert den Begriff der Arbeit durch die Kunst, die Lebenskunst im allgemeinen zu ersetzen.
@ j-ap
Was die Auswirkungen eines bGe auf die Löhne angeht sind sich die meisten Teilnehmer der Diskussion einig, dass diese sehr inhomogen wären. Unbeliebte Tätigekeiten würden unter Umständen besser bezahlt, beliebte schlechter. Das Beispiel mit der Müllabfuhr macht auch nochmal deutlich, dass eine gewisse öffentlich bereit gestellte Infrastruktur ein wesentlicher Bestandteil eines emanzipatorischen Konzeptes eines bGe's sein müsste.
Also hätte ich nun ein anderes Beispiel an Armut bringen sollen? Na ja. Herr Jäger, Ihre Utopie in allen Ehren, wenn man Ihren Gedanken wirklich zu Ende bringen wollte hießes das die Erde erstmal vollkommen demokratich zu machen, es gäbe keine Despoten usw., da bin ich dabei (meine aber hier Blogs gefunden zu haben, die das Regime im Iran mehr oder weniger subtil untertsützten, da ist ein Widerspruch, auch wenn Sie selbst wohl nichts dafür können), weiter, dann sind alle Menschen denokratisch und nett und das mit dem Grundeinkommen funktioniert. Ja, aber Menschen sind nicht so, hier im (linken) Forum gibt es dich genug Beispiele von Unnettigkeiten. Ich würde da begrüßen, aber es ist nicht machbar, und daher empfinde ich alles dahin gehend als populistisch. Und wenn hier ein user es auch noch lustig findet, wenn ich das Beispiel eines armen Schluckers in Südamerika bringe dann verschlägt es einem fast die Sprache.
Damit Sie das nicht falsch verstehen, ich finde Utopien wichtig, aber wenn sie der menschlichen Natur so widersprechen (sonst wäre die Welt eine viel bessere) und sich eher kontraproduktiv auswirken würden sind bestimmte laut geäußerte Utopien gefährlich. Unabhängig ob sie überhaupt bezahlbar wären, für alle Menschen, nicht nur für die Deutschen. Wenn ein Grundeinkommen ein Menschenrecht ist wie Sie es sagen, was wäre denn dann mit Mördern beispielsweise, haben die dann noch Rechte? Was ist mit Menschen, die nicht arbeiten wollen, die ihr Ding machen wollen und das finanziert haben wollen? Ihr Grundeinkommen ist ein Luftschloß in meinen Augen, dem nicht nur die richtigen zujubeln. Gruß
Lieber Michael Jäger,
Widerspruch bringt mich nicht um, will ich hoffen ;)
Was meine "Kritik" bezüglich J.A.-P. betrifft, nun die ist ein eigenes Kapitel und weniger negativ gemeint, als es möglicherweise den Anschein hat.
@ Michael Jäger
>>>Lieber milohansen, ich glaube, Sie haben nicht gründlich gelesen.
"Milohansen" hat nicht gründlich gelesen. Seine Anmerkungen gehen von einem Vorurteil aus und suchen nur Bestätigung. Beispiel? >>>Ja, aber Menschen sind nicht so, hier im (linken) Forum gibt es dich genug Beispiele von Unnettigkeiten. Das ist nun sein Argument. Oder: >>>es gäbe keine Despoten usw., da bin ich dabei (meine aber hier Blogs gefunden zu haben, die das Regime im Iran mehr oder weniger subtil untertsützten, Auch das ist sein Argument.
Interessant ist "Milohansen" als "Typ" deshalb, weil er Ihnen im "Spinnerblatt Freitag" per Tat nachweisen kann, dass Sie unrecht haben. Er will sich eine Solidarität, ein "Schenken" mit "armen Schluckern" nicht vorstellen und beweist Ihnen in der Tat, dass er demokratische Kräfte die dies tun wollen, einfach nicht wählt. Damit bleiben Sie der "Spinner" und Milohansen ein "Realist".
Es ist dies das praktische Problem, welches ich oben am "Automobil-Ingenieur" darstellte. Der meint doch, dass er nützliche Produkte herstellt und dafür einen adäquaten Lohn erhält. Wie sollte der denn davon einem "armen Schlucker" etwas abgeben können, der nicht einmal etwas "Nützliches" produziert. Der gesellschaftliche Reichtum aber wird von "Automobil-Ingenieuren" produziert, nur diese schaffen die technischen Grundlagen für ein gutes Leben.
Dass diese Technik anders aussehen muss, ist klar. Ein leichtes Auto, ein leises Auto, ein sparsames Auto, eines für mehr Insassen, ein billiges Auto - mit den so eingesparten Ressourcen, können wir schenken - ohne dass der "Automobilingenieur" einen Verlust an Lebensstandard reklamiert und politisch gegen das "Schenken" interveniert.
Vorerst müsste er weiter 8...10 Stunden pro Tag arbeiten und davon würden 2...4 Stunden nicht an Mehrwert für den Kapitaleigner verschenkt, sondern an Bangla Desh. Hier nun steigt J-AP aus dem revolutionären Prozess aus, weil ich "umverteile" und die "Arbeit" nicht "abschaffe".
Nur, wie sonst soll es gehen. Wie sonst bleiben die entwickelten Ländern Demokratien, in denen sich der aufgehetzte "Automobil-Ingenieur" nicht mit dem "Mehrwert-Pack" verbündet und gegen die "armen Schlucker" vorgeht? Wie sonst sollen die "armen Schlucker" die nichts anderes können, um Ihre Existenz zu sichern, als in unserem Müll zu wühlen und als Sklaven unsere T-Shirts zu weben, jemals "Automobil-Ingenieure" werden?
Rapanui: jemand, der sich über einen armen Schlucker in Südamerika lustig macht und mir hier gleichzeitig erzählen will er trete für Menschenrechte ein hat sich selbst als ernsthaften Diskurspartner rausgeschossen.
@ Milohansen
Wo habe ich mich über "einen armen Schlucker in Südamerika lustig" gemacht?
Wenn ich die Kommentare hier lese, fällt mir eines auf...ein seltsames Verständnis von "Arbeit". Dazu gibt es folgendes anzumerken:
1. "Arbeit" repräsentiert sowohl betrieblich als auch gesamtgesellschaftlich den notwendigen Aufwand (an Zeit), um "Wert" zu produzieren. Jeder Manager, Ingenieur und Arbeiter strebt daher an, Aufwand zu senken. "Mehr Jobs" (also mehr "Arbeit") zu fordern oder damit "eine bessere Arbeitsteilung" zu rechtfertigen ist daher widersinnig und gegen die Natur und Logik des Universums. Allein diese Tatsache ist schon ein deutlicher Indikator dafür, dass Kapitalismus/Marktwirtschaft nicht im Einklang mit der Natur steht. Die Produkte als auch die Arbeitsteilung sind in Märkten tendenziell eine Folge des Geldes und nicht etwa umgekehrt, was aber dennoch gerne aus ideologischen Gründen behauptet wird. Der Stand der Kapitalverwertung bestimmt die Qualifikation und Einbeziehung der Arbeitskräfte. Der Verweis auf den "armen Schlucker" greift also nicht, denn das wird er wohl in den seltesten Fällen "selbstbestimmt", "freiwillig" und "bewusst" gewählt haben. Das Kapital braucht ihn nur entweder nicht (mehr) zu eigenen Verwertung und hat ihn übrig gelassen oder ausgespuckt oder ihm schlichtweg von Grund auf elementare Chancen und Rechte verwehrt. Das anders zu interpretieren, insbesondere "Faulheit" zu unterstellen, halte ich für höchst problematisch. Das würde eher auf das typisch bürgerlich negative Menschenbild hinweisen. Menschen werden in der Regel jedoch durch die Gesellschaft und durch deren dominierende Werte konditioniert und geformt. Extremausnahmen wie "Mörder" als Gegenbeweis anführen zu wollen ist genauso "gehaltvoll" wie das Produkt "Mona Lisa" gegen die Kritik der kapitalistischen Durchschnittsware zum Leben anführen zu wollen (was ich an anderer Stelle schon wiederholt gesehen habe). Es greift nicht.
2. Dennoch macht die Gesellschaft in ihrer Produktivitätsentwicklung eine Evolution durch, die zeitweise zur Erhöhung des Arbeitsaufwandes führt. Einerseits, weil der Mensch neue Erkenntnisse über die Natur sammelt und versucht diese in Form von technischen Innovationen zu nutzen. Er fängt also an sehr agil zu werden, wenn er seine eigenen Möglichkeiten zu begreifen beginnt. Anderseits, weil der Prozess der Verbesserung seiner Lebensbedingung zu einer stetigen Vergrößerung seiner Populationsgrössen und zu längerer Lebenszeit führt. Ein Dorf ermöglicht beispielsweise einen viel kleineren Reproduktionsprozess als eine Stadt, wenn man nur mal an Müllabfuhr und Kanalisation denkt.
3. Irgendwann steigt die Produktivität jedoch so an, dass der notwendige Aufwand wieder sinkt, weil der Mensch gelernt hat, das Verhältnis "Mensch-Natur" so weit zu beherrschen, dass eine mehr als 100%ige Versorgung aller erreicht wird. Kreativität, intrinsische Motivation, Neugier und Freude am Tätigsein sind die eigentlichen Triebkräfte für eine stetige Entwicklung. Es gilt vielmehr die Ressourcen gut einzusetzen und die Energieformen zu schonen, um den Planeten nicht sinnlos auszubeuten und seine eigenen physischen Rahmenbedingungen zu verschlechtern.
4. Irgendwann könnte die Technik so weit entwickelt sein (was plausibel ist anzunehmen), dass der Mensch hinaus ins All kann, viel viel weiter als heutzutage. Dann steigt der Aufwand höchstwahrscheinlich wieder etwas an, weil im All neue Ressourcen zu Verfügung stehen, die den Vorgang des Expandierens ins All aus Entdeckerneugier beflügeln und dazu anregen, diese Ressourcen auch in Technik, Nahrung und nutzbare Energie zu verwandeln (Terraforming, ganze Raumschiffflotten, Stationen auf Planeten usw.).
5. Die Aussagen 1., 2., 3. und 4. gelten auch dann, wenn sich in der Geschichte andere Reproduktionsformen als Kapitalismus/Marktwirtschaft herausgebildet und durchgesetzt hätten. Sie gelten also folglich auch in der "Anderen Gesellschaft" nach dem Kapitalismus.
6. Speziell im Kapitalismus ist jedoch etwas anders. Es kommt etwas hinzu. Im Kapitalismus hat "Arbeit" einen Doppelcharakter. "Arbeit" ist einerseits "konkrete" (s. die aussagen 1. bis 5.) und andererseits "abstrakte Arbeit". Konkret in Bezug auf das Verhältnis "Mensch-Natur/Umwelt". In diesem Verhältnis greift der Mensch stofflich und energetisch wie oben beschrieben in die Natur ein und formt sie um. Abstrakt, weil alle konkreten Vorgänge (inkl. Verteilung der Ressourcen und Personaleinsatz) kaufmännisch begleitet werden, wobei die verausgabte Lebensenergie des Menschen in abstrakten (Mehr)Wert verwandelt wird und abstrakte Märkte die Steuerung übernehmen sollen (reglementiert über die "unsichtbare Hand" - ein Fetischverhältnis). Das ist der Teil, der nicht "naturgegeben" ist, sondern als Kapital (Bildung von Wertaggregaten) Ausdruck des Verhältnisses "Mensch-Mensch" ist (erklärt sich also allein aus dem Ablauf der Geschichte). Nur dadurch ist "Arbeit" nicht nur Ursprung von "Wert", sondern auch zugleich "Erwerbsquelle", also "Erwerbsarbeit". Das ist in den Punkten 1. bis 5. aber nicht zwangsläufig der Fall.
7. "Wert" ensteht in beiden Varianten. Was jedoch "Wert" ist, unterscheidet sich drastisch!!!!! Außerdem bindet sich der Mensch wie gesagt, anstatt die Punkte 1. bis 5. in freier, selbstbestimmter Bewusstheit zu handeln , an einen äußeren Fetisch, der ihm nun seinerseits vorgibt, was als "effektiv" oder "effizient" zu gelten hat, selbst wenn es noch zu widersinnig ist (man denke an all die Beispiele aus der Globalisierung wie Nordseekrabbenpuhlen in Marokko usw.).
[[Anzumerken ist an dieser Stelle, dass es vor dem Kapitalismus andere Fetischverhältnisse als das Kapital gab (weltliche und religiöse Herrscher, Feudaladel usw.). Es gab jedoch auch natürliche Formen der Reproduktion mit erstaunlich demokratisierten Formen (z.B. Indianer in Nordamerika - da geht die Reise zukünftig tendenziell auch wieder hin).]]
8. Der Aufwand "Arbeit(szeit)" bildet speziell im Kapitalismus mit seiner kaufmännischen Begleitung und Umrechnung in "abstrakten Wert" eine Kostenstruktur. Das Senken des Aufwandes äußert sich an dieser Stelle in einem Weniger an Kosten. Selbst das spricht für das Verringern von Aufwand. Dennoch werden bürgerliche Politiker bekanntermaßen nicht müde, "mehr Jobs", also mehr "Arbeit" zu fordern - weil siehe Punkt. 6. Sie fordern also damit das unnatürliche Zwangsverhältnis aufrecht zu erhalten.
9. Alle Widersprüche auf der Ebene des "stofflichen Reichtums" (z.B. die Energie verschwende Bauart von Autos, unsinnige Konsumartikel etc.) als auch auf der kaufmännische Ebene (z.B. Arbeitslosigkeit, Inflation, Krisen usw.) gehen auf das Spannungsverhältnis zum "wertmäßigen Reichtum" zurück (inkl. Diskussion um das Grundeinkommen, seine Finanzierbarkeit, Auswirkungen auf Lohn usw.).
10. Will man diese Widersprüche auflösen, geht das logischerweise nicht auf nur einer dieser beiden Seiten, sondern nur, indem ich die Seite auflöse/abschaffe, die rein gesellschaftlich-historisch geschaffen wurde und keine objektive Naturbedingung darstellt - also die spezifisch-geschichtliche Form des "wertmäßigen Reichtums". Das deckt sich auch mit den Erkenntnissen und Schlussforgerungen der "modernen Wertetheorie", die ich deshalb für am fortschrittlichsten und konsequentesten halte, weil sie beide Verhältnisse des Menschen in unserer Form gesellschaftlicher Konstitution (s. Pkt. 6.) richtig charakterisiert.
11. Daraus lässt sich konsequent als logische Schlussfolgerung ableiten, dass selbstverständlich "Arbeit" radikal abzuschaffen ist, sowohl in ihrer "konkreten" Form im Sinne der Aufwandsminderung (ganz ohne den Menschen geht es nie, weil nur wir wissen, was unsere Bedürfnisse sind und was somit produzieren ist - eine Maschine, egal wie gut sie ist, kann das wohl kaum wissen), als auch und ganz besonders in ihrer "abstrakten" Form als Erwerbsarbeit. Es spricht sachlich überhaupt gar nichts dagegen. Ganz im Gegenteil. Es war nie in der Geschichte so einfach wie heute, wo Internet und soziale Netzwerke zur Verfügung stehen um Bedarf blitzschnell zu ermitteln und Raum für Kreativität einzuräumen, Ressourcen zu verteilen usw., anstatt das abstrakten Märkten und der Jagd nach Profit zu überlassen. Selbst jeder Schlagerwettbewerb wird heute per TED entschieden...also wo ist das Hindernis???
12. Den größten Teil des heutigen Aufwandes betreibt unsere Gesellschaft bekanntlich, um den Geldkreislauf selbst aufrecht zu erhalten bzw. die Folgen der Kapitalverwertung (Kriege, Umweltzerstörung, Atommüll, Mobbing, Burnout, Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Flüchtlingsströme, Hunger...die Liste ist endlos...) zu handhaben. Dieses "Handhaben" besteht größtenteils noch nicht mal im "Beseitigen" oder "Bekämpfen", wie man meinen könnte, sondern im Verwalten und Reglementieren, also im Versuch dieses unsinnige System sogar mit Gesetzgebung und notfalls mit Gewalt am Leben zu erhalten - gegen die Natur des Universums und jeder Logik zum Trotz!).
13. Würde Pkt. 12. entfallen, würden der Gesamtaufwand so drastisch sinken, dass wir nur noch 5 Stunden/pro Woche tätig sein müssten (also was wir heute als Arbeit bezeichnen) und wären dennoch viel effektiver und effizienter und hätten einen größeren Grad der Eigenversorgung, weil dann alle Menschen produktiv tätig sein könnten, anstatt Pkt. 12. zu dienen. Dieser Zusammenhang ist auch seit langem bekannt (man google mal das Thema "5 Stunden Woche").
14. Gleichzeitig würde ein Großteil der unsinnigen Produkte entfallen. Man braucht einfach nur kapitalistische Werbung verbieten. Jeder mag selbst darüber nachdenken, was dann passieren würde... (Stichwort Energieverbrauch)!!!
Fazit: ich stimme @j-ap absolut zu. @milohansen hat hoffentlich etwas Anregung bekommen, nochmal einige alte, festgefahrene Gedankenmuster zu überprüfen. Auch ihn brauchen wir als wertvollen Menschen, sich in der neuen anderen Gesellschaft ausprobieren zu dürfen. Wenn wir es denken können, ist es auch machbar. Das Universum hält alles dafür bereit. Nur wir selbst stehen uns manchmal noch im Weg dort dorthin.
[Spielberichterstattung]
... die Flanke von J.A.-P., direkt auf den Fuß von Tiefendenker. Tiefendenker dribbelt, elegant, ballverliebt, wenig Raumgewinn. Macht er das Tor? Nein, er bleibt in der gegnerischen Abwehr hängen. Da, aus dem Gedränge noch der Schuss - Latte. Aber welch ein Spielzug. Wunderbar. Der Gegner ist verwirrt. Ausnutzen. Nachlegen. Diese neue Strategie revolutioniert das Spiel.
@Streifzug
Witziger Kommentar. Ich hoffe ich lern hier noch was dazu, wie man richtig flankt und vor allem nicht nur die Latte trifft! :o)
Freu mich ebenfalls auf Anregungen.
Lieber j-ap, wenn Sie auf das von Ihnen aufgeworfene Problem selbst antworten, die Dinge müßten eben "wesentlich grundsätzlicher" angegangen werden, so haben Sie vollkommen recht. Zusammen mit dem Grundeinkommen müssen auch andere ökonomische Strukturen verändert werden. Würde es heute isoliert eingeführt und wären dann höhere Löhne die Folge, würden die Unternehmer sie in der Tat auf die Preise aufschlagen. Wir werden die Dinge aber so einrichten, daß die höheren Löhne stattdessen die Gewinne verringern (profit squeeze). Außerdem braucht dies nicht isoliert pro Unternehmen zu geschehen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Umverteilung der Profitklemmen-Lasten ist denkbar.
Lieber j-ap, wenn Sie auf das von Ihnen aufgeworfene Problem selbst antworten, die Dinge müßten eben "wesentlich grundsätzlicher" angegangen werden, so haben Sie vollkommen recht. Zusammen mit dem Grundeinkommen müssen auch andere ökonomische Strukturen verändert werden. Würde es heute isoliert eingeführt und wären dann höhere Löhne die Folge, würden die Unternehmer sie in der Tat auf die Preise aufschlagen. Wir werden die Dinge aber so einrichten, daß die höheren Löhne stattdessen die Gewinne verringern (profit squeeze). Außerdem braucht dies nicht isoliert pro Unternehmen zu geschehen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Umverteilung der Profitklemmen-Lasten ist denkbar.
Lieber j-ap, wenn Sie auf das von Ihnen aufgeworfene Problem selbst antworten, die Dinge müßten eben "wesentlich grundsätzlicher" angegangen werden, so haben Sie vollkommen recht. Zusammen mit dem Grundeinkommen müssen auch andere ökonomische Strukturen verändert werden. Würde es heute isoliert eingeführt und wären dann höhere Löhne die Folge, würden die Unternehmer sie in der Tat auf die Preise aufschlagen. Wir werden die Dinge aber so einrichten, daß die höheren Löhne stattdessen die Gewinne verringern (profit squeeze). Außerdem braucht dies nicht isoliert pro Unternehmen zu geschehen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Umverteilung der Profitklemmen-Lasten ist denkbar.
Lieber Michael Jäger,
ich habe bislang hier noch nicht geantwortet, eben weil die Sache 1. diffizil ist und nicht en passant erledigt werden kann und 2. in der Tat grundsätzlicher angegangen werden muß.
Das schreibt sich recht einfach hin, ist es aber nicht; das ist mir bewußt und ist es auch Ihnen, wenn ich Sie richtig gelesen habe: entscheidend ist, daß die Frage danach überhaupt einmal gestellt wird, sagen Sie — sehr richtig!
Ich habe notiert, daß die »Arbeit abgeschafft« werden solle. Auch das ist recht schnell behauptet, aber meines Erachtens führt kein Weg daran vorbei.
Und zwar aus dem einfachen Grund, daß die real existierenden Verhältnisse ja nicht nur irgendwie sind, sondern an jedem einzelnen Tag, in jeder Stunde und Minute so hergestellt werden: durch den Opelaner, der jeden Tag wieder am Band in Rüsselsheim erscheint nicht anders wie durch den Bankier, der jeden Morgen wieder am Schalter steht oder den unfreiwillig Arbeitslosen, der aufs Amt muß.
Das bedeutet zum einen für uns, die wir über Alternativen nachdenken, berechtigte Hoffnung darauf, daß es auch anders geht (denn was von Menschen gemacht wird, das kann von Menschen auch anders gemacht werden), allerdings sehen wir uns zugleich der eminenten Schwierigkeit ausgesetzt, übers Kapital hinausdenken zu müssen (weil das Kapital bekanntlich seine eigene Voraussetzung zum Ergebnis hat — das kompliziert die Sache noch einmal).
Ich schreibe noch daran, wobei ich wohl ohnehin fürs erste nicht über die knappe Thesenform hinauskommen dürfte.
Viele Grüße
J. A.-P.
Lieber milohansen, nun warten Sie doch erst mal ab, was geschieht, "wenn man Ihren [meinen] Gedanken zu Ende bringt"! Daß Sie das gleich schon nach einer halben Sekunde zu wissen glauben, ist typisch - eine Folge der nihilistischen TINA-Ideologie. Ich selbst denke, der Gedanke wird frühestens Ende 2011 zuendegebracht sein, denn es ist ja wirklich allerhand zu überlegen und zu bedenken. Jetzt schon kann ich Ihnen übrigens versichern, daß ich keine Gesellschaft aus "netten Menschen" unterstellen werde.
Ansonsten scheint mir, daß sich der Stellenwert des "armen Schluckers in Südamerika" in Ihrer Argumentation verändert hat. Zuerst sah es so aus, als ob Sie sagen wollten, das Grundeinkommen wäre eine Art egoistische Hybris vor dem Hintergrund, daß es doch diesen armen Menschen gibt. Jetzt aber, wo ich geantwortet habe, daß es natürlich genau darum geht, ihm zu helfen, scheint es, daß Sie darauf hinauswollen, daß man ihn seinem Schicksal überlassen muß, weil die Arbeiter bei uns so sind, wie sie sind, und ihnen das eigene Hemd näher ist als der fremde Rock? Ihr Mitleid mit dem Schlucker würde sich also darauf reduzieren, daß Sie ihm einen Arbeitsplatz wünschen? Nun, in der Tat wird man zum Beispiel in Paraguay kein Grundeinkommen einführen können. Das ist aber keine große Erkenntnis von Ihnen, es steht vielmehr schon oben in meinem Text
Liebe(r) rapunai, die Frage, die Sie stellen, stelle ich mir auch. Sie wird in den folgenden Notizen eine Rolle spielen. Grundsätzlich werden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß die Existenz unsolidarischer Menschen nicht schlechthin die Existenz von Solidarsystemen verhindert. Denn wenn das so wäre, hätten wir nicht einmal die, die es jetzt schon gibt. Bei denen, die es gibt, sieht man ja e i n e n Punkt, auf den es immer ankommt: Menschen sind bereit, andere zu unterstützen, wenn und im Maß wie sie begreifen, daß sie sich auf diesem Umweg selbst unterstützen.
Lieber Tiefendenker, Widerspruch vorerst in einem Punkt: Wenn der Mensch "hinaus ins All kann", heißt das noch nicht, daß er es auch muß. Die "Neugierde" könnte sich auch auf ganz andere Dinge richten. Wenn wir uns vor etwas zu hüten haben, dann vor der Vorstellung, daß etwas, was geschehen kann, deshalb auch geschehen muß und so ein unendlicher "Vorgang des Expandierens" in Gang kommt. Denn gerade das ist die Kapitallogik. Ich frage nach einem System, in dem die Menschen genau dann ins All gehen, wenn sie das wollen, weil sie irgendwelche Gründe haben, und es genau dann nicht tun, wenn sie es nicht wollen. In dem es also k e i n e a u t o m a t i s c h e E x p a n s i o n gibt.
@Michael Jäger
Ja, da stimm ich Ihnen voll zu.
Ich hatte das auch eher als einen Prozess aufgefasst in dem Sinne, wie die Neugier auch einst Menschen hinaus aufs Meer zog, um zu erkunden, was wohl in der Ferne auf sie wartet, also quasi als Bestandteil der Evolution der geistigen Entwicklung.
Finden wir jedoch schon bei den ersten Schritten heraus, es gibt dort draußen in der Galaxis nichts außer kalten Lavasteine, dann ist es daheim auf der Erde sicher gemütlicher.
Hallo Michael Jäger,
ich schätze solidarische Systeme sehr und halte den Ausbau solcher Systeme für einen praktischen Weg der Veränderung. Natürlich auch dann, wenn "milohansen" nicht mitzieht.
J-AP argumentiert immer wieder grundsätzlich: "Arbeit abschaffen", "über das Kapital hinausdenken". Mir ist völlig unklar, was das praktisch bedeutet.
J-AP ist das, was mir an solidarischen Systemen wertvoll scheint, sozialreformerisch. Es reproduziert lediglich die bestehenden Verhältnisse. Da halte ich es lieber mit der Dialektik - die Verhältnisse, werden an einer bestimmten "Quantität" von solidarischen Projekten in eine neue "Qualität umschlagen".
Da als Kommentar etwas zu lang, poste ich hier mal einen Link zu einem Text, in dem ich ein paar Überlegungen zum emanzipatorischen Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens formuliert habe.
www.freitag.de/community/blogs/mabli/emanzipatorisches-konzept-eines-bedingungslosen-grundeinkommens-
@ j-ap schrieb am 20.02.2011 um 12:43
Hallo Josef,
du denkst in schnellen Sprüngen statt Schritten, und es wäre schön, sich zur Abwechslung mal allgemein verständlich auszudrücken. Was genau ist mit "Eigentumsfetisch" gemeint? Ist das dasselbe wie Warenfetisch oder Geldfetisch? Verdinglichung? Eigentum vorgestellt als dingliche Eigenschaft? von was?
Soweit ich sehe, ist hier nicht von einer utopisch-kommunistischen Gesellschaft und Ökonomie die Rede, sondern von einer spezifischen sozialstaatlich-kapitalistischen. Die Begriffe "Lohnarbeit" und "Unternehmergewinne" deuten unmittelbar darauf hin. Selbstverständlich hat die Arbeit(skraft) unter diesen Bedingungen Wert, was denn sonst? Das ist keine Fetischierung der Arbeit, sondern umgekehrt ist die Vorstellung eine ideologische Verschleierung, der Lohn sei nicht das Äquivalent für die verkaufte Arbeit, sondern für das geschaffene Produkt.
Was ein proletarisches Naturrecht sein soll, real oder fiktiv, entzieht sich meiner Vorstellungskraft, ebenso, wie ein solches Naturrecht mit der bürgerlichen Rechtsform korrespondieren könnte. Da erhebe ich mal als schlichter Leser den ebenso schlichten Anspruch, die Gedanken erklärt zu bekommen, die sich aus der benützten Begrifflichkeit nicht unmittelbar erschließen (zumindest mir nicht).
Arbeit zu loben entspräche einer ethischen Wertung, sie höher oder niedriger zu entgelten einem ökonomischen Kalkül. Zwei ganz unterschiedliche Kategoriensysteme, die sich nicht einfach mit "und", "oder" oder "weder-noch" summieren lassen.
Die Arbeit abschaffen zu wollen innerhalb einer "anderen", aber, wie gesagt, gleichwohl kapitalistischen Ökonomie, die ja auf Lohnarbeit beruht, ist ein durchaus paradoxer Gedanke. Soll aber eine Gesellschaft und Ökonomie vorgestellt werden, welche die kapitalistische Formbestimmtheit der Arbeit transzendierte, das überhistorische Wesen der Arbeit also gegen ihre entfremdete Form zur Geltung brächte, dann wäre sie mitnichten abzuschaffen, sondern würde die Bedingung zur Entfaltung der menschlichen Wesenskräfte darstellen, denn der Mensch ist in seinem Wesen, materialistisch betrachtet, nicht in erster Linie das Zoon noun echon oder das Zoon politikon des Aristoteles, sondern das animal laborans oder das tool making animal von Marx und Engels.
Aber selbst den antiken Begriff der Sklavenhalter, ponos und labor, und den mittelalterlichen der Feudalherren, arebeit, von der Arbeit als Mühe, Not, Plage und Krankheit vorausgesetzt, welche der Würde des Freien Herrn nicht angemessen wäre und deshalb abzuschaffen, so wäre es doch wohl funktional, sie vor dem Erreichen des Reichs der Freiheit zur rechten Organisation des hier vorgestellten kombinierten Modells von Grundsicherung und Lohnarbeit gleichmäßiger zu verteilen, oder?
@ Michael
Der oben angerissenen Wertbestimmtheit der Arbeit wie des Produkts widerspricht deine Auffassung, dass Lohnerhöhungen automatisch Preiserhöhungen zur Folge hätten. Diese orientieren sich, jenseits von Marktschwankungen, im Kern am Wert des geschaffenen Produkts, nicht am Kostpreis der Arbeit.
Alles so alte und senile professorale Gedanken, aber ein bisschen Konsistenz sollte doch sein, oder?
Grüße
oranier
Lieber Oranier, ich finde, daß Du diesmal ziemlich ungenau denkst. Erstens besteht die Alternative zum utopischen Kommunismus nicht in einer "spezifisch sozialstaatlich-kapitalistischen Ökonomie", bei mir jedenfalls nicht. Ich habe mich hier schon oft genug festgelegt: Das Kapital und der Kapitalismus sollen r e s t l o s verschwinden. Zweitens beruht die hier angedachte Ökonomie nicht auf Lohnarbeit, sondern der Substanz nach auf Arbeit und der Form nach auf Grundeinkommen und Lohnarbeit. Wobei ich bisher nur davon gesprochen habe, wie es am Anfang der Anderen Gesellschaft aussieht, nach dem unmittelbaren Übergang zu ihr. Was danach aus der Lohnarbeit wird, davon ist noch gar keine Rede gewesen, ich habe aber bereits angekündigt, daß das nächste Thema nach dem Grundeinkommen die fungierende Arbeit sein wird. Und drittens, wenn Lohnerhöhungen auf Preise aufgeschlgen werden - ich habe keineswegs behauptet, daß dies immer geschehe, sondern nur gefragt, was die unmittelbaren Folgen der Einführung des Grundeinkommens sein werden -, ändert das an der Wertbestimmtheit der Arbeit überhaupt nichts, da man zwischen Nominal- und Reallöhnen unterscheiden muß und ich hier ersichtlich nur von ersteren gesprochen habe.
Hallo Oranier,
Ihnen geht es mit J-AP so wie mir. Es ist eine Diskussion um Begriffe, wenig anschaulich und fern dessen, was mich an Politik und Ökonomie interessiert: lebendige Praxis.
Noch ein Nachtwort, besser ein Nachsang.
@ J-AP
Der Song von Stoppok geht natürlich an J-AP, der die "Arbeit abschaffen" will.
>>>Daher wäre für die Andere Gesellschaft die Arbeit weder als solche zu loben noch aufzuwerten noch besser zu entgelten und schon gar nicht anders zu verteilen usw. usf., sondern schlicht und ergreifend: abzuschaffen.