Abgang oder Abgesang

AfD Nun will der Vorstand Björn Höcke plötzlich doch ausschließen. Was steckt dahinter?
Ausgabe 07/2017
Offene Frage: Wie kann der Rechtspopulismus in der Zukunft bekämpft werden?
Offene Frage: Wie kann der Rechtspopulismus in der Zukunft bekämpft werden?

Foto: Ipon/Imago

Zu den eher überraschenden Ereignissen gehört das Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke, den Fraktionsvorsitzenden der AfD im Thüringer Landtag. Nach seiner skandalösen Dresdner Rede vom 17. Januar war es dem Vorstand der Bundespartei zunächst nicht gelungen, sich mit der erforderlichen Mehrheit auf diesen Schritt zu einigen. Höcke hatte polemisiert: „Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Gemeint war das Mahnmal des Judenmords. Es zeige sich darin der Gemütszustand eines „brutal besiegten Volkes“, dessen „Umerziehung“ weg vom Nationalsozialismus Höcke offenbar bedauert. Einen knappen Monat später war die Öffentlichkeit schon wieder mit anderen Themen beschäftigt – warum erinnert nun die AfD selber an den Fall? Sie kann nicht sicher sein, dass es ihr nützt.

Ein Strategiepapier, das sich der Bundesvorstand im Dezember zu eigen gemacht hat, gibt über die Motive keinen hinreichenden Aufschluss. Man kann da lesen, dass die Partei bewusst auf Provokation und Verstöße gegen die „political correctness“ setzt, zugleich aber schon davon träumt, aus dem 20-Prozent-Turm ihres derzeitigen Wählerpotenzials ausbrechen und also auch „die Mitte“ für sich interessieren zu können. Das ist an sich kein unüberbrückbarer Widerspruch. Gerade Höckes Rede könnte das Exempel sein: NS-nahe Töne für den harten Kern der Anhängerschaft, für die Mitte dann die Behauptung, es sei nicht so gemeint gewesen. Indem Höcke hinterher beteuerte, für ihn sei Auschwitz und nicht das Denkmal die deutsche Schande, konnte er ziemlich erfolgreich vom eindeutig braunen Rest seiner Rede ablenken. Was war so anders, wenn die Parteivorsitzende Frauke Petry empfohlen hatte, das Adjektiv „völkisch“ in den deutschen Sprachschatz, statt die Flüchtlinge ins deutsche Volk zu integrieren? Und doch ist sie jetzt nervös geworden.

Der Vorstand geht den Weg des französischen Front National. Dessen Gründer und erster Parteivorsitzender Jean-Marie Le Pen hatte Auschwitz verharmlost, seine Tochter, die jetzige Parteivorsitzende Marine Le Pen, ließ ihn deshalb aus der Partei ausschließen. Vielleicht hat sie nur Kreide gefressen? In diesem Fall funktionierte die Zuwendung zur Mitte, denn der Front National hat inzwischen um 30 Prozent Wählerzustimmung erlangt. Imitieren lässt sich das Manöver hierzulande indessen nicht – es müsste denn eine AfD-Vorsitzende geben, die Höckes Tochter wäre. Nein, in Deutschland bedeutet der Beschluss des Vorstands unmittelbare Spaltungsgefahr. Denn Höcke hat starken Anhang in den ostdeutschen Landesverbänden der AfD.

Am wahrscheinstlichen ist, dass der Vorstand die Folgen der US-amerikanischen Wahl fürchtet. Donald Trump, der neue US-Präsident, wurde zunächst als Hoffnungsträger aller Rechtspopulisten begrüßt. Aber schnell hat sich gezeigt, dass er zum Bumerang werden könnte, oder es sogar schon geworden ist. Die Wählerzustimmung zur AfD ist in wenigen Wochen von 16 auf 12 Prozentpunkte gefallen – den erhofften Marsch in die Mitte der Gesellschaft kann die Partei erst einmal abblasen. Sie versucht zurückzurudern, aber nimmt man es ihr noch ab? Ist es schon so weit, dass alles falsch ist, was sie nur tun kann?

Nicht einmal darauf, dass der Parteiausschluss scheitert, kann sie hoffen. Das wäre für sie noch erträglich: Der Bundesvorstand behauptet, Höcke entfernen zu wollen, und der macht einfach weiter. Das wäre Zweideutigkeit as usual. Der Vorstand meint vielleicht, er könne den Fall Thilo Sarrazin nachahmen. Dem SPD-Vorstand war es nicht gelungen, ihn ausschließen zu lassen, obwohl man ihm rassistisches Denken unterstellen kann und er jedenfalls von den „Werten“ der Sozialdemokratie weit abweicht. Aber Höcke ist nicht Sarrazin. Wenn einer es bedauert, dass Deutsche, die für Hitler gekämpft und gemordet haben, „brutal besiegt“ worden sind, ist die braune Linie denn doch überschritten. Wenn der Ausschluss parteiintern scheitert, wird es der AfD im Ganzen und auch ihrem Vorstand anhängen.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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