Bedingungslose Dichotomie

Analyse Wolfgang Storz hat versucht die neue Querfront-Bewegung zu erklären. Einige nehmen das wohlwollend zur Kenntnis, doch es hagelt auch Kritik
Ausgabe 37/2015

Wolfgang Storz, früherer Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, hat ein „Arbeitspapier“ mit dem Titel Querfront – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks für die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung verfasst. Überregionale Zeitungen wie Zeit und taz haben es mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, doch gibt es auch wütende Kritik etwa von Albrecht Müller, dem Mitherausgeber der NachDenkSeiten. Der Streit ist also da. Wolfgang Storz selbst fühlt sich von seinen Kritikern missverstanden. Diese Gemengelage ist so verwirrend wie das Thema, an das er sich gewagt hat.

Im Zentrum steht ein Sachverhalt, den niemand bestreiten kann: Publizisten wie Ken Jebsen und Jürgen Elsässer, die seit ein paar Jahren viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, äußern Positionen quer zur Links-rechts-Dichotomie, von der das Parteiensystem beherrscht wird, und vertreten dies offensiv. Die „Mahnwachen für den Frieden“, bei denen sie gelegentlich auftreten, tun das ebenfalls. Wie Storz zitiert, lässt sich Elsässer als Redner von Aufrufen wie diesem ankündigen: „Antifa, Pegida, Mahnwache, Linke, Rechte, marschiert zusammen, ihr braucht euch nicht zu lieben, ihr habt jetzt nur eine Bürgerpflicht: denen da oben eine Grenze aufzuzeigen.“ Doch schon einmal waren links und rechts zusammengezogen, im Ausdruck „Nationalsozialismus“ nämlich. Und darin liegt das Problem.

Man kann Storz nicht vorwerfen, dass er sich nicht um Differenzierung mühte. Er räumt ein, dass die „Vielfalt“ der Positionen, für die in der neuen links-rechten Bewegung demonstriert wird, verwirrend ist: Kritik an der Ukraine-Politik des Westens, Empörung über die Berichterstattung der Leitmedien, Distanzierung vom Euro wie überhaupt von „denen da oben“, Schutz der Familie vor Gender-Mainstreaming ... Eine Methode, schreibt er, „mit diesen Unterschieden angemessen und politisch klärend umzugehen“, sei „noch nicht gefunden“. Für ihn ist freilich klar, dass „ein Demokrat nicht mit einem bekennenden Rechtsradikalen für härtere Finanzmarktregulierung demonstriert, weil Werte und Ziele sie grundsätzlich trennen.“ Was spricht denn gegen Wolfgang Storz?

Nur eines, und da hat Albrecht Müller recht: Die Methode, mit der er ein publizistisches „Netzwerk“ konstruiert, ist fragwürdig. Im Kopp-Verlag werden keine linken Inhalte vertreten, sondern nur rechte. Gleichwohl soll er zum „Netzwerk“ gehören, weil sowohl Kopp als auch Elsässer bei Pegida aufgetreten sind. Da ist es kein Wunder, dass nun auch Müller meint, er werde zum „Netzwerk“ gezählt, weil er sich von Jebsen hat interviewen lassen. Storz kann noch so sehr beteuern, das sei nicht der Fall, er hat in Müllers Augen ein „Machwerk“ fabriziert.

Schade, dass die Debatte dadurch behindert wird. Es trägt dazu bei, dass man den Kern der Konfusion nicht erkennt: Leute wie Elsässer und Jebsen kombinieren eingestandenermaßen linke und rechte Inhalte, während eine neue Partei wie Podemos beansprucht, das Links-rechts-Schema zu verlassen. Von Elsässer über Storz bis Müller glauben alle, das sei dasselbe. Dabei gibt es ein Kriterium zur Auflösung dieser Konfusion. Jemand wie Elsässer wendet sich gegen Gender-Mainstreaming. Verlässt er das Rechts-links-Schema? Schwerlich, denn warum will er dann das Mann-Frau-Schema festschreiben? Ist doch das Problem hier wie da das gleiche: die bedingungslose Dichotomie.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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