Corona hört sich schön an, entspannend geradezu, „beruhigend“, wenn man die Schwingungen der Proteinstrukturen des Virus in Klänge übersetzt – kurz vor dem Karfreitag gemeldet, war die neue Entdeckung aus dem Massachusetts Institute of Technology auch schon gleich im Internet verfügbar, fast zwei Stunden Musik, und wirklich, wie warme Wellen des Mittelmeers plätschert es über die nackten Füße! Da habe ich zum ersten Mal den Sinn des Wortes „Euthanasie“ richtig verstanden.
Genau genommen handelt es sich um die sogenannten Spike-Proteine, die dicht an dicht in Form „gekrönter Stacheln“ – deshalb wohl der Name „Corona“, deutsch Krone – aus der Virenhülle brechen; mit ihrer Hilfe dockt das Virus an die Wirtszellen an. Es ist gar nicht zu fassen: Wie kann es sein, dass dieser Fremdling in gefälligen Harmonien zu uns spricht, in Dur-Tonleitern sogar? Die Erklärung ist aber einfach. Der MIT-Forscher Markus Buehler, dem wir die Musik verdanken, hat sein Musikverständnis eingebracht. Wie einem Bericht zu entnehmen ist, gibt es „extrem viele Möglichkeiten, Aminosäuren zu Proteinen und ihren dreidimensionalen Strukturen zusammenzusetzen. Selbst Supercomputer stoßen da schnell an ihre Grenzen“, es muss also eine Auswahl getroffen werden; wenn es dann auch heißt, Buehler und sein Team hätten „ein künstliches neuronales Netz mit den Frequenzdaten gefüttert und ihm ein Grundverständnis der darin enthaltenen Harmonien beigebracht“, darf man wohl schließen, dass der Forscher sich zuerst für die Musik entscheidet, die er schön findet, und sie dann als Kriterium einsetzt, um eine bestimmte Möglichkeit der Zusammensetzung auszuwählen. Heraus kommt jedenfalls, wie ein anderer Bericht formuliert, eine Interpretation des Virus „als japanische Saitenmusik“. Es ist der Blick aus der Ferne, vor dem Hannah Arendt erschrickt – der einen US-Astronauten sagen ließ, vom Mond aus gesehen verschwinde die Erde hinter dem Daumen. Die Entfernung vom Virus zum Menschen ist genauso groß.
Buehlers Verfahren hat aber wissenschaftlichen Sinn. Wie er erzählt, erlaubt es seine musikalische Komplexitätsreduktion, verschiedene Proteine nach ihrem Klang zu unterscheiden. In einem späteren Forschungsstadium soll es möglich sein, so hofft er, „aus der Aminosäuren-Sequenz auf die Funktion des Proteins zu schließen“. Buehler gehört somit zur langen Reihe von Naturforschern, die Schönheit als Prüfstein des Entdeckens und der Theoriegenerierung einsetzen; der Philosoph Olaf L. Müller hat ein interessantes Buch darüber geschrieben (Zu schön, um falsch zu sein: Über die Ästhetik in der Naturwissenschaft, Frankfurt a. M. 2019). Schon Platon und Aristoteles sind Beispiele. Sie glaubten ja, das Schöne sei die Kehrseite des Wahren, daher konnten sie gar nicht anders, als in der „idealen“ geometrischen Figur, dem Kreis, das Gesetz der Bahnen der Himmelskörper zu sehen. Noch Kopernikus folgte ihnen und noch Kepler hatte größte Bauchschmerzen, als die Daten ihn zwangen, elliptische statt kreisförmiger Planetenbahnen anzunehmen. Aber wenn schon nicht mehr „die ideale“, so war die Ellipse doch die einfachste Figur, die nach Lage der Dinge unterstellt werden konnte, und genügte auch so noch dem Schönheitsbedürfnis. Wie Müller zeigen kann, folgen Physiker ihm noch heute.
Die Musik allerdings wird keineswegs immer einfacher, vielmehr immer komplexer. Da stimmt also etwas nicht. Sollte Buehler nicht mit einem modernen Künstler zusammenarbeiten? Der würde keine Wohlfühlmusik wie im Supermarkt empfehlen, sondern eher etwas wie Rituel (1975), die Trauermusik auf Bruno Maderna von dessen Komponistenkollegen Pierre Boulez.
Kommentare 25
Schön. :-)
Auf diese Art den Blick zu wenden und das auch mal durchzuhalten, kann mehr verändern, als wir oft denken.
Es ist ja sicher kein Zufall, dass wir immer wieder bei der Betrachtung von nahezu allem dies auf Wahrheit, wie Sie schrieben, und obendrein noch auf eine verkürzte Form der Wahrheit: die Nützlichkeit, den Funktionalismus beziehen.
Wir gehen von Anfang an so an die Welt heran, indem wir uns fragen, was etwas 'bringt', also wozu es dient, mit dem theoretischen Bild, was wir uns von der Evolution gegeben haben. Denn diese ist, so glauben wir, streng auf den Nutzen fixiert. Sicher, die Natur ist mitunter auch atemberaubend schön, aber ihre Schönheit, so klären wir uns auf, ist keineswegs Selbstzweck, sondern erfüllt eine Funktion. Sie soll biologische Fitness signalisieren, heißt es. Schönheit, liest man dann und wann, sei eigentlich Symmetrie und Symmetrie, wenigstens auf der biologischen Ebene, eine Indiz für Gesundheit. Wo eine Seite hängt oder jemand humpelt, da stimmt was nicht, wenn wir uns necken und balgen oder miteinander tanzen checken wir 'eigentlich' nur unsere Fitness, liest man dann.
Selbst bei den Theorien erlegen wir uns einen Sparzwang auf. Große Wahrheiten seien kurz und knapp, alles andere irgendwie zu schön, um wahr zu sein. Ockham hat sein Rasiermesser stets gezückt, die kurze, knappe, sparsame Theorie, gilt uns als die bessere und manche halten das fast schon für ein Naturgesetz und haben vergessen, dass wir es uns gegeben haben – und jederzeit ändern könnten – so wie man bis heute nicht weiß, ob und in welchen Maße es überhaupt Naturgesetze gibt.
'Die Natur' könnte aber durchaus auch üppig und verschwenderisch sein. Einfach so, weil sie will, auch wenn wir sie ökonomisch reduziert haben. Sie hat kein Interesse zu haben, sie ist dumm und tot, Teleologie ist komplett daneben. Wer klug ist, hat sich der Erkenntnis zu beugen auf einer zufällig entstandenen zwischenzeitlichen Insel, in einem sehr sehr großen, sehr sehr leeren und komplett sinnfreien Universum (vielleicht sind es aber auch 10 hoch 500 Multiversen, so ganz genau weiß man es noch nicht) dahinzutreiben, in Richtung gelegentlicher Restgase, Gesteinsbrocken und viel kaltem Eisen, das nach und nach komplett erkaltet.
Der Trend zu mehr Komplexität und Verschwendung (oder Ordnung?) und zu mehr verschwenderischer Schönheit wird zwar durchaus gesehen, aber on the long run von der eisernen Entropie überragt. Stabilität ist das oberste Gebot und Stabilität ist das geringste Energieniveau. In unbeschwerter Analogiebildung (vor der man sonst die Nase rümpft) hat man dieses Prinzip von der Thermodynamik auf die Psyche übertragen. Faul sei der Mensch, wie alles in der funktionalistisch-physkalisch ausgedeuteten Natur und so strebt auch er das geringste Energieniveau an: Sonne, Hängematte, Longdink. So isser, weil die Natur eben so ist, weil die Natur eben Physik ist. Schönheit also solche ist sinnlos, wenn man ihr keine Funktion zuordnen kann.
Den unterkühlten Traum hat man längst kassiert. Heruntergefahren auf den paradiesischen Zustand der eisernen Ruhe machen Organismen, vor allem menschliche, etwas ganz anderes. Sie werden neugierig, suchen Bindungen, Tendieren (bei sogenannter Außenreizverarmung) zur Eigenreizung und ein mittleres Reizniveau hat sich als unser Optimalzustand heraus gestellt.
Doch sei eins mit der Physik, der grundlegendsten aller Wissenschaften, dann erkennst du Schönheit endlich als das was sie in Wahrheit ist. Eine zufällige Konsequenz energiesparender Anordnungen der Natur, die nichts weiter als die Zunahme der Entropie in einem thermodynamischen System ist. Die Benutzeroberfläche zufällig entstandener Wesen mit höheren neuronalen Funktionen brachte illusionäre Zuschreibungen mit sich: funktionelle Ausdifferenzierungen, wie das Wahre, Schöne und Gute. Was aber nur ein Gespräch über Illusionen ist, irgendein Kollateraleffekt, der ökonomischen Funktion, der sich aus der zufälligen evolutionären Strategie höherer Säugetiere ergab, die auf Komplexität statt auf die hohe Zahl der Nachkommen setzten. Es erwies sich wohl als hilfreich, dass sich überlebensnützliche Funktionen mit dem lustvollen Affekten verschränkten. Das ist der Nutzen der Schönheit.
Wie schön.
"Sollte Buehler nicht mit einem modernen Künstler zusammenarbeiten? Der würde keine Wohlfühlmusik wie im Supermarkt empfehlen [...]"
In der Tat, mich erinnerte das molekulare Musizieren eher an die Beschallung in einem Chinarestaurant, aber man kann den Proteinen ja schlecht vorwerfen, dass sie Pierre Boulez nicht das Wasser reichen können...
Mich hätte interessiert, wie genau Markus J. Buehler die Schwingungen in die jetzt zu hörenden Töne umgewandelt hat.
Offensichtlich liegen die gemessenen Klänge nach oben hin um einiges außerhalb des menschlichen Hörbereichs. Es musste also um einiges nach unten oktaviert werden.
Das verändert auch den Klang. Wie nun das zu hörende Klangergebnis genau zustande kam, wird in den mir von mir gelesenen Erläuterungen nicht erklärt. Es scheint mir, als seien mittels eines Sequencers die -herunteroktavierten- Frequenzen in Klänge umgesetzt worden.
Die Rhythmisierung soll sich ebenfalls aus der Art der Schwingungen ergeben haben.
Interessant ist, dass Buehler in den hier zur Debatte stehenden Molekularstrukturen auch den Kontrapunkt repräsentiert sieht und dies auch seiner Musik zuschreibt. Er sagt dazu, dass Menschen sich schon seit Jahrhunderten mit dem Kontrapunkt befasst hätten und es faszinierend sei, dies in den Proteinstrukturen gleichfalls abgebildet zu sehen.
Im übrigen ist er der Ansicht, dass seine Vorgehensweise größeren Erkenntnisgewinn (auch in Hinsicht auf einen kommenden Impfstoff) verspreche ("[The] musical representation of the virus is more accurate than classical static diagrams that fail to show the virus' constant movement and vibration. They don't actually look like they look in a chemistry textbook because atoms and molecules are continuously moving. They kind of look like a vibrating string.")
https://www.weforum.org/agenda/2020/04/if-a-virus-could-sing-covid-coronavirus-music-mit-composition/
Wie er genau umgewandelt hat, läßt sich dem Veröffentlichten nicht entnehmen, wohl aber, denke ich, daß es mehrere bzw. viele Möglichkeiten gegeben hat, es zu tun, und das heißt doch, keineswegs nur diese simpel tonale. Ich weiß auch nicht, wie Buehler das obige Foto gemacht hat, aber es selber zeigt doch schon, scheint mir, daß man auch in serielle Musik à la Boulez hätte übersetzen können. Unabhängig davon scheint mir die Annahme, daß sein Verfahren Erkenntnisgewinn verspricht - bzw. –erleichterung, wohl das nur, wenn ich recht verstehe -, plausibel zu sein, das habe ich auch geschrieben. Aber wiederum den „Kontrapunkt“ als solchen finde ich gar nicht so überraschend. Jede zusammenwirkende Vielfalt kann doch als „Kontrapunkt“ metaphorisiert werden. Z.B. könnten Sie auch die verschiedenen Teile und Funktionen Ihres Fahrrads, wenn es fährt, in kontrapunktische Musik übersetzen, sogar ganz unabhängig von seiner Hörbarkeit für unsere Ohren oder akustischen Maschinen.
Atome schwingen, und so klingt im Grunde jedes Stück Holz und jedes Wasserstoffatom. Ob man das als Musik bezeichnen will, nunja ...
Schon lange gibt es Freaks aus der Technoten-Szene mit parawissenschaftlichen und esoterischen Anwandlungen, die H-Atome oder auch, na klar, LSD-Moleküle vertonen. Für die Atome musst du ja nicht einmal messen - findet sich ja in Tafelwerken. Dann wird in's hörbare Fenster oktaviert und auch Tempi und Rhythmen aus den gleichen Werten gewonnen. Also quasi serielles Arbeiten.
Planetenbahnen-Vertonung gehört auch dazu. Und in den "singenden Kosmos" haben sich ja schon Pythagoras, Platon ... (Aristoteles ausdrücklich nicht) oktaviert. Ab dem Mittelalter sang man dann von der Erde aus die Tonleitern bis hoch zum letzten Himmelskörper durch. Kepler hatte dann als erster ein bisschen quantitative Genauigkeit hineingebracht ... Aber gut jetzt.
Wenn die Rückung der Corona-Strukturen ins Akustische der wissenschaftlichen Untersuchbarkeit der Viren dient, ist das eine tolle Sache und sicher sehr richtig. Unser Primat des Visuellen muss stets hinterfragt werden. Und wenn es um Bereiche geht, wo man auch schlecht sehen kann ... Die Vertonung, Musik aus SARS-Cov2 machen, ist wohl eher so ein Spaß, der nebenbei abgefallen ist. Und ja, warum auch nicht. Es ist doch gut, Wissenschaft auch zu popularisieren.
Was könnte der Hintergrund der "Sonification" sein, die vielleicht einmal zu einer Art "Melophorese" oder "Melospektrometrie" führt?
Das Spike- Protein von SARS-CoV-2, oben abgebildet in seiner, mit dem Computer modellierten Form im Cryo- Elektronenmikroskop, der derzeit gängigen Konkurrenzmethode zur NMR- Spektroskopie, muss ja mit anderen Protein- Molekülen, z.B. jenen der für Tiere und Menschen weniger gefährlichen Stämme, verglichen werden, um Fragen nach seiner (plötzlichen) Virulenz zu beantworten (minimale Abweichungen in der Faltung und der Präsentation von Oberflächen) oder um ein antivirales Gegenmittel zu finden.
Dazu ist es sinnvoll, sich "Bibliotheken" anzulegen, mit deren Hilfe man die gefundenen ("Spike"-)Proteine vergleichen kann.
"Musikbibliotheken", besser Soundbibliotheken, könnten in Zukunft einfacher zu durchforsten sein, als die dreidimensionalen Modellierungen aus den Cryo-EMs.
Die Cryo- EM Technik funktioniert im Grunde mit jeder biologischen Nanostruktur, die sich in Wasser ultraschnell ein- und tieffrieren lässt. Wichtig ist dabei, dass sich bei diesem Gefrierprozess keine Kristallstrukturen im Eis bilden (Jawohl, amorphes, nicht kristallines Eis)! - So tastet der Elektronenstrahl sehr exakt und "ungetrübt", die atomaren Oberflächenstrukturen der Biomoleküle ab.
Trotzdem wirkt das Bild der am Computer eingefärbten Protein- Untereinheiten, siehe oben, auch nach Bearbeitung, eher wie ein Haufen farbiger Bandnudeln für den Kindergeburtstag aus. Der Vergleich und die Suche nach feinen Unterschieden, ist nicht nur in der Visualisierung für den menschlichen Betrachter schwierig, sondern erfordert auch hohen Rechenaufwand.
Transponiere ich nun alle Cryo- Protein Abtastungen, mittels Algorhithmen, in Töne und behalte das Verfahren bei - sehr wichtig- entstehen leichter vergleichbare "Melodien".
Beste Grüße
Christoph Leusch
Falls man auf den entsprechenden Frequenzen lauscht, dann singen auch die Wälder.
So ungefähr habe ichs mir vorgestellt, aber Sie machen es präzise greifbar, vielen Dank.
Ich weiß gar nicht, ob irgendwer hier im Thread irgendwas daran "gerne sieht", es ist nur, daß wir einem kleinen Phänomen unserer Zeitgeschichte begegnen und es nicht unbeachtet lassen.
Sehr interessant! Es gibt nicht-kristallines Eis?
Was mir an Ihren Vorstellungen zur Sonifikation nur nicht plausibel ist: Warum sollte eine Codierung in Toenen leichter auswertbar sein?
Ja, schoen!
John Cage hat auch hochsensible Mikrofone an Pflanzen montiert ...
Leichter auswertbar, weil erst einmal leichter auswertbar, sie verstehge ich es.
Leichter auswertbar, weil erst einmal leichter wahrnehmbar, falls man musikaffin ist, so versteh ich es.
Leichter auswertbar, weil erst einmal leichter wahrnehmbar, falls man musikaffin ist, so versteh ich es.
Dafür ist wohl auch Galileis berühte Experimentalanordnung, die schiefe Ebene, ein Beispiel. Galileis Vater als Theoretiker, der aber natürluch auch musikalischder Liebhaber („Dilettant“) war, war neben Monteverdi als Praktiker wohl der wichtigste Neuerer der „tonalen Musik“ in dem Sinn, den wir heute mit dem Begriff verbinden. Das folgende hab ich hier schon mal geschrieben: „Galilei der Sohn aber bediente sich einer musikalischen Anordnung, um zu seinem Fallgesetz vorstoßen zu können, das die gleichmäßig unendliche Beschleunigung erfasst. Sein berühmtes Experiment der schiefen Ebene, drei Jahre vor dem Orfeo unternommen, ist nämlich etwas wie eine schräg gestellte Laute, über deren verschiebbare Saiten ein Ball rollt. Bei jeder Saitenberührung gibt der Ball einen Ton von sich. Während das geschieht, schlägt oder singt der Experimentator den Marschtakt und bemerkt dadurch die Abweichungen zwischen den Tönen des Balls und den eigenen Tönen. Fällt der Ball hinreichend langsam, ist es möglich, bei mehrmaliger Wiederholung des Falls die Saiten nach und nach so zu verschieben, dass Ball- und Eigenton zusammenfallen. Galilei hat offenbar zunächst nicht angenommen, dass der Fall in gleichen Zeitabständen, eben als wenn man marschiert, sich gleichmäßig beschleunigt, so dass also, damit Saiten- und Eigenton zusammenfallen, die Saiten in den Abständen 1, 4, 9, 16 aufgespannt werden müssen. Er hatte sie erst anders aufgespannt. In diesem Sinn ist die ‚schiefe Ebene‘ auch noch kein modernes Experiment, in dem ein fertiges Theorem nur geprüft würde. Galilei war vielmehr noch auf der Suche, als er zur Laute griff. Was ihm half, war ein musikalisches Gerät und übrigens auch seine für den kompetenten Flötenspieler, der er war, nachvollziehbare, sonst gar nicht selbstverständliche Fähigkeit, gleiche Zeitabstände mit einer Fehlertoleranz von nur 1/32 bis 1/64 Sekunden hörend wahrzunehmen (in diesem Bereich liegen die Irrtümer seiner aufgefundenen Tabelle). (Vgl. Stillman Drake, Galileo At Work. His Scientific Biography, Chicago u.a. 1978, S. 90)“
Ein Ton ist eine diskrete Schwingung, mit einigen Obertönen und/oder einer Geräuschkomponente, Miauxx
Für die Computeranalyse, wie auch für uns Hörende, bedeutet das eine starke Vereinfachung, gegenüber einer dreidimensionalen optischen Modellierung und deren Analyse.
Es geht um die Mustererkennung, die abweichende oder ähnliche Muster aufzeigt. Schließlich will Markus Buehler zukünftig nicht persönlich stundenlang transformierte Proteinklangbilder anhören, sondern seine MIT- Computer damit beschäftigen, die Änderungen der Tonhöhe zu interpretieren. Hat er erst einmal eine große Mustersammlung bekannter Strukturen angelegt, erkennt er (sein Computer) Abweichungen und Analogien auch an neuem Bio-Material.
Ich glaube, dass daran auch Herrn Jägers Vorschlag, er könne dabei doch mit einem Klangkünstler zusammenarbeiten, scheitern muss. Denn die Analysebedingungen, die Transformationsalgorithmen, müssen, um sie physikochemisch nutzen/auswerten zu können, immer gleich bleiben (Standardisierung).
Amorphes Eis:
Tatsächlich gelingt es nur mit diesem amorphen, nicht- kristallinen, "glasartigen" Eis, die molekularbiologischen Strukturen unbeschädigt/unverändert zu untersuchen.
Grüße
Christoph Leusch
Das verstehe ich nicht: Standardisierung ist klar, aber er könnte sich ja auch seriell im Boulezschen Sinn standardisieren. Abgesehen davon sehe ich natürliuch selbst, daß es für seinen wissenschaftlichen Zweck sinnvoller ist, einen einfacheren Standard zugrundezulegen. Weil um in Boulez' Welt die signifikanten Unterschiede herauszuhören, dafür braucht es ein ganzes Leben. So gesehen unterstütze ich also Buehlers Simplizität. Nur wenn man das dann der Öffentlichkeit übergibt und sagt, "so klingt Corona", dann wirds fatal, eben supermarktmäßig.
Was ein Ton ist, weiß ich recht gut, lieber Columbus.
Kann man eigenlich mehr erfahren, was der Buehler da macht? Ich hatte zunächst erst mal nicht was Handhabbares gefunden. Ehrlich gesagt zweifel ich nämlich daran, was Sie vermuten. Eine komplexe Struktur kann sich nun ja nicht in einer einfachen Tonfolge oder einem Ton mit recht armem Obertonspektrum abbilden lassen - zumindest nicht ohne enormem Informationsverlust. Die Leute werden nicht im MIT dasitzen und der eine meint, er höre COV 1 während der andere COV 2 hört. Vielleicht mache ich mir ja jetzt auch ganz falsche Vorstellungen ... Ich stelle mir jedenfalls vor, dass es um kleinste Abweichungen und eine unglaublich hohe Zahl an Möglichkeiten geht - Buehler spricht ja davon -, so dass ich mir wiederum lieber nicht vorstellen möchte, dass da ein menschliches Ohr Entscheidungen trifft. Und das wird auch nicht der Fall und höchstens eine naive Vorstellung sein. Natürlich kommt der Computer zum Einsatz. Nur braucht für den nichts klingen. Ob die Darstellung für uns visuell oder auditiv ist - der Computer wertet nur Zahlen aus.
Die Klangspielerei wird als Lockerungsübung im Labor und für die Leute draußen an den Bildschirmen abgefallen sein. Mit dem, was tatsächlich im Labor geschieht, wird sie ziemlich wenig zu tun haben.
Ja.
Infantile Nerd-Spiele. Zur Demonstration des Verfahrens, Naturstrukturen in musikalischen Strukturen abzubilden, hätte eine halbe Minute dieser Klanginstallation genügt, der Rest bringt nichts Neues. Warum man sich das anhören soll, ist schleierhaft, der Erkenntnisgewinn solcher Transformation (bislang jedenfalls) reine Behauptung.
Nun gut, einen nachvollziehbaren Gedanken hat der Techniker als Künstler gehabt, dem erklingenden asiatischen Virus einen gamelanartigen Klangraum zuzuordnen. Und dazu passend auch die Abbildung auf eine 7-stufige (Ganz-)Tonleiter, die aufgrund der unterschiedlichen Häufigkeiten der vorkommenden Töne als unsere normale Dur-Tonleiter zu hören ist. Möglicherweise sind es nicht einmal die unterschiedlichen Tonhäufigkeiten, sondern nur die Gewohnheit, in einem Vexierhörbild die Dur-Version zu favorisieren (man müßte mal Katzen wild durcheinander über die weiße Klaviatur laufen lassen: vermutlich würden wir C-Dur hören, nicht a-Moll, ganz zu schweigen von einer modalen Tonart).
Nein, der/die Wissenschaftler vom MIT versteht/en nichts von Schönheit, Kunst, und das Verständnis der griechischen Philosophen ist bestenfalls assoziativ. Selbstverständlich kann man den Computer als Hilfsmittel zur Erzeugung von Kunst einsetzen, hier sei nur im Bereich der Musik auf Klarenz Barlow und Luc Ferrari verwiesen (Conlon Nancarrow hat ohne Computer gearbeitet, er hätte die Maschine hervorragend nutzen können). Daß man in der Kreation eines Kunstwerks von einem gegebenen Material und Formen ausgeht, ist nicht ungewöhnlich, warum nicht von der Coronastruktur? Aber die künstlerische Schöpfung, die Ästhetisierung dieses Materials ist Sinn- und Formgebung. Mit Musik/Kunst hat diese Vertonung also nichts zu tun.
Hat sie was mit Wissenschaft zu tun? Nein, denn es findet eine Abbildung (wie gesagt ohne Sinn und Verstand) aus einem unbekannten Strukturuniversum auf ein sehr naives musikalisches Universum statt. Das widerspricht von Anbeginn der Idee der überkomplexen Mustererkennung. Deren Sinn ist das Sicht- oder Hörbarmachen einer realen abstraktiven Vereinfachung eines scheinbaren realen Chaos. Wissenschaft deckt die einfachen Zusammenhänge auf, die sich so überlagern, daß sie auf der Oberfläche nicht mehr gesehen werden können. Aber die Abstraktionsformel muß gefunden werden (Columbus hat Galileo erwähnt). Hier wird nicht hypothetisch abstrahiert, sondern eine heterogene Abstraktion auf das Material gedrückt. Das Ergebnis ist eine zusammenhanglose Projektion der musikalischen Bausteine in den Klangraum. In diesem Sinn stimme ich der Formulierung zu: „Der MIT-Forscher Markus Buehler, dem wir die Musik verdanken, hat sein Musikverständnis eingebracht.“ Buehler ist ein Musikbanause, hoffen wir, daß er ein seriöser Wissenschaftler und diese Demonstration der „Naturschönheit“ der Virenwelt ein hinterlistiges Mittel der Mittelbeschaffung für die Forschung ist.
Ja, da würde ich Buehler auch nicht folgen. Die von ihm, bzw. von seinem, mit den Grundgesetzen der Tonsetzerkunst vertrauten, Computer- Algorithmus gewählte, tonale Repräsentation des Virusproteins ist erst einmal eine Setzung, mit der er und sein Programm, in der Zukunft leichter vergleichen und differenzieren können. Allgemein ginge dies nur, wenn eine Standardisierung erfolgt.
Am Ende soll die KI in der Lage sein, selbstständig neue (Protein-)Strukturen zu "komponieren", die auch funktionieren. Z.B., neue Seidenproteine herstellen, die antibakteriell wirken und so Lebensmittel haltbarer machen. - Das ist zumindest sein Anspruch.
Ich habe in der Antwort an Miauxx schon geschrieben, dass der Schönheits- und Kunstanspruch wohl nicht so einfach damit zu verbinden ist. Buehler wählte als Instrument eine digitale Koto-Zither und Dur als Tonart, weil das Virusprotein mit einer Moll- Tonart wohl doch nur gefährlich oder düster klänge.
Ihn fasziniert das Virusprotein, das in aufbereiteten elektronenmikroskopischen Aufnahmen, wie die meisten seiner harmlosen oder gefährlichen "Kollegen", erstaunlich geordnet und tatsächlich auch schön wirkt.
Heute ist färbetechnisch alles digital. Zum Anbeginn der modernen Zellforschung und Bakteriologie musste erst einmal eine Färbung des Präparates her, um der mikroskopischen "Wahrheit" näherzukommen.
Selbst die neuronalen Netzwerke, über die heute fast jeder etwas weiß, die Computer simulieren, verdanken sich guter alter Färbetechnik, Golgi und Cajal sei Dank, für den Lidstrich (kleiner Scherz).
Daher, so glaube ich, haben auch Naturwissenschaftler einen (künstlerischen, besser kreativen) Hang, eine Sehnsucht, ihre Modelle von der Natur schön vorzustellen. Den Physikern gelingt das manchmal sogar mit einer Formel, einem Graphen oder einer Skizze, Chemiker wollen Strukturen und ihre Bau-Elemente anschaulich und angenehm, besser wohl anregend, darstellen, usw.
Die Natur ist, vom kleinsten Teilchen, bis zum Universum, schön. Das aber, ist ein, allerdings notwendiges, menschliches Gespür, eine Emotion, eine Stimmung, die nicht aus der Natur selbst abzuleiten ist, sondern subjektiv aus ihrer Betrachtung, aus ihrer sinnlichen Einwirkung erwächst. Ob die KI- Analyse Boulezscher Musik einer lebenslangen menschlichen Beschäftigung damit gleichkommen wird, steht in den Sternen. Allerdings ist Buehler erst einmal nur so weit, nach akustischen Repräsentationen zu suchen, mit denen sich später eine Doppelnatur analog der biologischen Vorgabe und darüber hinaus, aufbauen ließe.
Um auch gleich noch auf Miauxxs Antwort einzugehen:
Was Buehler mit seiner akustischen Repräsentation will, hat er der MIT- Pressestelle in einem Interview mitgeteilt. Offenbar ist man bei den Sponsoren seiner Forschung nicht abgeneigt, ihn zu finanzieren. Nur ein Spaß, dürfte es nicht sein, denn das Team in dem Buehler mitarbeitet, möchte mit künstlicher Intelligenz, lernenden Programmen, neue, nichtnatürliche Proteine zusammenbauen, strukturieren und falten, die neue erwünschte Eigenschaften haben.
Dass diese Forschungen nicht reine Spielerei, also eine Kunst, wären, glauben die Sponsoren wohl nicht: "Buehler’s sonification work is supported by MIT’s Center for Art, Science and Technology (CAST) and the Mellon Foundation".
Was Buehler alles "sonifiziert" hat, kann man sich auf Soundcloud anhören. Da gibt es auch ein Soundmodell des Corona- Spikes, mit einer ganz anderen Klang- und Geräuschcharakteristik, die bedrohlich und mechanisch wirkt, die nichts von den Koto- Klängen hat und gleich zu Beginn die Koto- Repräsentation eines Seeschlangen- Toxins.- Ich musste gleich an die Fugu-Kugelfischarten denken, die für Japaner eine Delikatesse sind und von jahrelang spezialisierten Köchen zubereitet werden müssen, damit niemand an den tödlichen, Tetrodotoxin- haltigen Innereien und giftiger Haut stirbt. Usw.
Schönen Sonntag
Christoph Leusch
PS:
Mir fiel, in meinem hauseigenen und falschgeschriebenen Algorithmus, noch ein Musiker, Komponist und Komiker vor die Füße, der sich für die Verbindung von Wissenschaften, Technik und Musik immer einsetzt und zudem ein perfekter Pädagoge ist:
Peter Schickele, ein Enkel René Schickeles, bekannt durch "Schickele´s Mix", die Musik zu "Silent Running", "P.D.Q. Bach" und die Erfindung des "Pastaphone" aus "Manicotto"- Nudeln.
"Infantile Nerd- Spiele". Ich finde, damit gehen Sie nun zu weit, Herr Endemann.
Immerhin wird er vom MIT- Institut CAST unterstützt. Dass da keine artistische Kompetenz vorhanden wäre, wage ich doch zu bezweifeln. - Buehler betreibt seine Versuche zum Zwecke der KI-Wissenschaft und der makromolekularbiologischen Forschung. Das ist richtig und wird auch von ihm nicht anders behauptet.
Wenn Sie ihn als "Musikbanausen" abstempeln, er kann und wird sich nicht wehren, er kann nichts gegen ihren Geschmack, ihre Ästhetik einwenden, wäre das nicht auch ein Sprachspiel, das eine gewisse Nerdhaftigkeit ausdrückt?
Grüße
Christoph Leusch
Zu Buehlers wissenschaftlichem Programm gehört auch, daß er mit der mathematischen Kategorientheorie arbeitet; vermutlich hat sie auch bei seiner "Musik"-Generierung eine Rolle gespielt. Vielleicht gibt es hier jemanden, der uns Laien diese Theorie mit ein paar wenigen Worten etwas näher bringen kann? Mir fehlt dazu jegliche Kompetenz.
<"Infantile Nerd- Spiele". Ich finde, damit gehen Sie nun zu weit.>
Und ich finde, das sollten Sie ein wenig begründen. Daß man ton- wie bildgebende Verfahren entwickelt, ist ja durchaus sinnvoll und wurde von mir nicht bestritten. Genauso wenig wie der Nutzen von Mustererkennung durch die quantitativ nahezu unbeschränkten Zählmaschinen. Hier war meine Kritik spezifisch auf die Rückprojektion der Sonifikation auf den traditionellen Musikraum bezogen. Mit dem gleichen Erkenntnisgewinn, nämlich 0, könnte man das Telefonbuch sonofizieren.
Halten Sie das CAST für eine oder gar DIE künstlerische Kompetenzelite?
Was heißt bei Ihnen „artistische Kompetenz“, ist Kunst für Sie so etwas wie Zirkus? Ist virtuose Technik Kunst?
Nun, mit Musikbanause bin ich zu weit gegangen. Denn ich weiß nicht, welcher Musik Herr Buehler in seiner Freizeit seine Ohren öffnet. Der Musikbanause stimmt nur, insofern man das zweistündige Abtropfen von Tönen, die auch ein undichtes Dach hörbar machen könnten, als Musik oder gar Kunst deutet.
Und ich wundere mich, daß bei Ihnen musikalische Kunst nur eine Frage des (individuellen, kollektiven) Geschmacks ist (?). Oder haben Sie ein objektivierteres Urteil über künstlerische Qualität, unter dem meine Urteile sich als heiße Luft prätentiöser Meinung entlarven. Na, dann kritisieren Sie mich ohne falsche Rücksichtnahme.
Sorry, nee. Die Kategorienlehre ist ein Zweig der Mathematik. Aber lassen wir das, ich hätte die Frage nicht aufwerfen sollen. Wollte auch nur unterstreichen, daß Buehler, mag man sich überf seine "Musik" ärgern, jedenfalls wissenschaftlich arbeitet
Mir auch. Das ist ein eigenes Notationssystem, mit vielen Anleihen aus der Topologie.
Aber bezüglich der konkreten Absichten Buehlers, die er mit der Kategorientheorie im Sinne Spivaks und Chomskys verwirklichen will, kann Ihnen vielleicht der folgende Artikel weiterhelfen:
https://web.mit.edu/mbuehler/www/papers/BioNanoScience_2011_3.pdf
Im Prinzip geht es um hierarchische Systeme, die Analogien aufweisen und sich, mithilfe mathematischer Kategorien, den "Ologs" (Chomsky, Linguistik) und "Functors", so beschreiben lassen, dass damit Computerprogramme Strukturmuster erkennen können und demnächst, entsprechend aus einer Datenbank mit den kleinsten funktionalen Einheiten gespeist ("Notenwerte"), neue funktionierende Proteine zusammenbauen können. Ähnliche Entwicklungen gibt es schon länger in der Genomforschung. Vollautomatische Biosynthese- Generatoren erzeugen funktionale DNA- Fragmente und ganze Gene. Auf Proteinebene wird das nun auch möglich.
Für die Bioforschung mit der Cryo- EM- Methode, die derzeit schon in der Lage ist einzelne atomare Strukturen sichtbar zu machen, indem, einem MRT oder einer Computertomografie ähnlich, extrem viele 2-D Mikroskop-Schnitte durch eine zu untersuchende Proteinstruktur gelegt werden, die dann über Wochen und Monate, mittles des Computers, in einer "realistischen" 3- D- Struktur modelliert werden, besteht die Schwierigkeit in der Unübersichtlichkeit der Großstrukturen (Protein- Untereinheiten) und der Erkennung ihrer Funktion.
Die Funktion ist wohl an jene Stellen gebunden, die eine signifikante Abweichung aufweisen, von den repetitiven Strukturen. Diese Abweichungen erlauben die Faltung und bedingen die aktiven Bindungsstellen an den Makromolekülen.
Die Mustererkennung, so Buehlers- Ansatz, wird vereinfacht, wenn sich z.b. wiederholende Muster in Analogie zu "Riffs" in der Musik verstehen lassen. Das macht es, unter Umständen, auch dem Kollegen Computer einfacher. Derzeit wird noch viel mit Brute force gearbeitet.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Telefonbuch, klar, wenn Sie ein passendes Erkenntnisinteresse formulieren können oder einfach Spaß daran haben. Vielleicht brauchen Sie noch einen Sponsor.
Offensichtlich bevorzugt Herr Buehler Kontrapunktik, Bach, Koto- Musik, Barockmusik, etc., deren Teilchen er seinem Computersystem, das Biostrukturen analysiert, überlassen/eingespeichert hat.
Offenbar findet das Computerprogramm Analogien in den Proteinstrukturen und macht diese hörbar. Die Ergebnisse können Sie auf Buehlers "Soundcloud" (siehe oben) anhören. Einförmig ist das nicht. Zumal das Prinzip am Anfang seiner Anwendung steht. In den 1970ern hatte man in Kalifornien die Power in den Flowers entdeckt und an fast jede Biostruktur Analogwandler angelegt um Pflanzen durch ihren Saftstrom sprechen zu lassen. Da begann die "Sonification". Wir haben von dort auch die "Californication".
CAST ist multidisziplinär. Das finde sich schon einmal kreativ. Virtuose Technik ist eine der besseren, wenn auch nicht notwendigen Voraussetzungen, um Kunst zu schaffen oder künstlerisch tätig zu sein. Ich bin bestimmt nicht so streng, wie die ollen Griechen. Zirkus gehört für mich unbedingt zur Kunst. Kunsthandwerk kann Kunst sein, wie Architektur.
Ich weiß nicht, wie weit Sie mit "objektivierteres Urteil über künstlerische Qualität" kommen. Ich finde diese Frage nicht so spannend.
Schönen Restsonntag und gute Woche
Christoph Leusch
Danke.
Bezugnehmend auf den Link „BioNanoScience“ muß man Buehler zugute halten, daß jedenfalls in diesem Text nicht von einem kategorialen Vergleich bzw einer Kategorie (@ Jäger: die abstrakteste Form einer strukturellen, genauer struktural-funktionalen algebraischen Identität) von molekularen und musikalischen, geschweige künstlerischen Strukturen die Rede ist. Es geht um eine Analogie von chemophysikalischer und sprachsyntaktischer Hierarchiebildung. Unter der Voraussetzung, daß unsere Chemie eine korrekte Wissenschaft ist, ist die algebraisch-mathematische Beschreibungssprache ähnlich gebildet wie die natürliche oder eben die Musiksprache. Es ist nach wie vor offen, ob es eine Universalgrammatik gibt, die die Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Soziologie, alle Wissenschaften vereinheitlicht. Wenn ich nur diesen Text heranziehe, anderes kenne ich nicht, kommt mir das Programm zwar etwas naiv vor, aber es ist als Arbeitshypothese nicht zu beanstanden. Nur sollte man zumindest nicht mehr daraus machen wollen.
Wie ich in meinem ersten Kommentar sagte, hat das mit der ästhetischen Ordnung der Kunst nichts zu tun. Gegen den hermeneutischen Wert, Strukturkonzepte über ihre gegenständlichen Grenzen hinweg zu übertragen, ist auch nichts einzuwenden. Im vorliegenden Fall ist allerdings die Analogiebildung sehr gekünstelt, ziemlich unergiebig, in beide Richtungen des Morphismenvergleichs. Hier kann man sich schon fragen, wie seriös dieses wissenschaftliche Arbeiten ist.
Wie meinen Sie denn, werter Columbus, daß der Kontrapunkt in der Molekularstruktur präsent ist? Hören Sie das in den zwei Stunden?
Übrigens, um einem Mißverständnis vorzubeugen, ein musikalisches Urteil, das man nicht hört, ist paradox; die Musikerfahrung muß primär sein, ich würde nie mit einem Urteil an bislang Ungehörtes herangehen, das nachträgliche Urteilen ist eine nicht gegen Irren immune reflektierende Objektivierung. Darauf kann man verzichten, wenn man auf das intuitive Bewerten verzichtet, steht allerdings der Klangteppich gleichwertig neben der Sinfonie. Wenn Sie damit zufrieden sind, gehen Sie paradiesischen Zeiten entgegen, denn in ein paar Jahren wird der private und öffentliche Raum vermutlich voll von computergenerierter Musik sein.
Nicht ich will das Telefonbuch vertonen, manche Schlaumeier sind von der genialen Idee überzeugt, alles vertonen zu müssen, um so der Wahrheit auf die Spur zu kommen; die Wahrheit ist die Plattitüde, daß alles Klang ist (mit geeigneten Substitutionen). Alles ist jedoch äquivalent zu nichts.