Ich setze die gestrige Erörterung fort. Es ging um Debussys Préludes pour piano, die Alexander Melnikov am Freitag voriger Woche mit so wundervoller Präzision gespielt hatte. Übrigens verdient seine Haltung beim Spielen eine Notiz. Er spielte die Stücke nicht „durch“, wie man es von Aufführungen etwa des Wohltemperierten Klaviers gewohnt ist, sondern legte immer mal wieder lange Pausen zwischen den Stücken ein, in denen er sich offenbar besann. Wahrscheinlich kann man diese Stücke anders gar nicht spielen, weil sie so verschieden sind. Sie sind kein „Zyklus“, sondern nur eine Sammlung. Debussy selbst wünschte, dass manche gar nicht im Konzertsaal, sondern „nur unter vier Augen“ gespielt werden sollen. Dazu gehören die Delphischen Tänzerinnen, das von mir gestern erwähnte erste Stück des ersten Buchs. Die Stücke folgen auch nicht so aufeinander, wie sie entstanden sind.
Die Spur, die ich gestern verfolgt habe, war die, dass Debussy Studien über das Verhältnis von Wirklichkeit und Unwirklichkeit sowie über verschiedene Arten des Unwirklichen (sicher dann auch des Wirklichen) aneinander gereiht hat. Natürlich kann das nur ein Zugang von vielen sein. Was man mindestens auch betonen muss: Die „Klänge Debussys [...] sind von der deutschen ‚Tiefe der Empfindung‘, ja vom Gefühl selbst, in dem sich das Stoffliche projiziert, gereinigt“, so Klaus Billing in Reclams Klaviermusikführer II (Stuttgart 1994, S. 594). Davon, dass Debussy für deutsche Ohren gewöhnungsbedürftig ist, war ich ja ausgegangen. Bei einem Stück wie Nebel, dem ersten des zweiten Buchs, braucht man nur an das fast gleichnamige Gedicht (Im Nebel) von Hermann Hesse zu denken, um Billings Urteil bestätigt zu finden. Während Debussy das gelegentliche Hervortreten scharfer Linien aus dem Dämmerlicht kühl seziert, als ob es ihn selbst nichts anginge, spricht der deutsche Dichter von seiner eigenen Umnebelung: „Seltsam, im Nebel zu wandern! / Einsam ist jeder Busch und Stein, / Kein Baum sieht den anderen, / Jeder ist allein. // Voll von Freunden war mir die Welt, / Als noch mein Leben licht war; / Nun, da der Nebel fällt, / Ist keiner mehr sichtbar.“ Und so geht es weiter.
Besonders interessant ist es, die Préludes mit den späten Klavierwerken von Johannes Brahms (op. 116 bis 119) zu vergleichen. Hört man diese zum ersten Mal, möchte man fast meinen, Brahms habe in deutscher Manier auf Debussy reagiert. Aber es war ja umgekehrt, Brahms war früher. Jedenfalls kommen sich beide an mindestens einer Stelle sehr nahe. Auch Spuren / Schritte im Schnee (Des pas sur la neige), das sechste Stück des ersten Buchs, gehört zu denen, die Debussy „unter vier Augen“ gespielt wünschte. Und hier haben wir es mit einer Art von Unwirklichkeit zu tun, die auch in deutscher Musik artikuliert zu werden pflegte, der Träumerei nämlich. Da ist Debussy also einmal durchaus nicht unbeteiligt. Ob das Stück deshalb, in Deutschland jedenfalls, ich weiß nicht ob auch in Frankreich, als eins seiner allerschönsten und –besten gilt? Zu den deutschen Träumereien gehört das vierte Stück der Fantasien op. 116 von Brahms, und hier ist sogar das zugrundeliegende Motiv sehr ähnlich. Genauer gesagt zehrt diese Nr. 4 von einem Motiv, das in der Nr. 2 schon aufgestellt worden war und vor allem dort dem Debussyschen Motiv ähnelt, während die Nr. 4 es variiert, dafür aber im Charakter der Träumerei mit dem Stück von Debussy übereinstimmt.
Die Motive bei Debussy und Brahms bestehen beidemale nur aus zwei Tönen, jedenfalls kann man auch das Brahmssche Motiv hierauf reduzieren, obwohl sich schon in op. 116 Nr. 2 ein dritter Ton kaum hörbar einmischt, der dann in Nr. 4 genauso viel Raum erhält wie die anderen beiden Töne, während erst Nr. 5 ihn ganz weglässt. Von seinem Gesamtwerk her gesehen ist Nr. 5 in seiner kompromisslosen Zweitönigkeit die wichtigste Variante, weil sie einen bei Brahms immer wieder anzutreffenden Signifikanten wiederholt, der manchmal auch gesungene Worte begleitet und von daher recht zuverlässig „gelesen“ werden kann. Es ist eine monotone Kette – poch poch, Pause, poch poch, Pause und so weiter -, die man auch etwa im Deutschen Requiem op. 45 (1866-68) antrifft, zu den Worten „Denn al - les Fleisch, - es ist - wie Gras“, der biblischen Metapher der Sterblichkeit, oder im 11. Lied der Schönen Magelone op. 33 (1861-69) zu einem wundervollen sehr traurigen Gedicht von Ludwig Tieck, das schon als Gedicht diesen formalen Zug aufweist: „Wie schnell – verschwindet / So Licht – als Glanz / Der Morgen – findet / Verwelkt – den Kranz, // Der ge – stern glühte / Mit al – ler Pracht, / Denn er – verblühte / In dunk – ler Nacht.“ Und noch fünf weitere Strophen in dieser Art, ich kann mich kaum enthalten, sie alle zu zitieren (aber man findet sie ja leicht im Internet), und empfehle Brahms‘ kongeniale Vertonung, gesungen etwa von Wolfgang Holzmair (Tudor 1990), welche Einspielung mir besser gefällt als die bekanntere mit Dietrich Fischer-Dieskau.
Man könnte auch den dritten der Vier ernsten Gesänge op. 121 (1896) dazu rechnen, wo allerdings nur der Anfang einschlägig ist, der aber bezeichnenderweise den Gedanken „O Tod, wie bitter bist du“, wiederum aus der Bibel, evoziert; zwar kann „O Tod“ ja kaum anders vertont werden als zweitönig, Brahms liegt aber daran, die Worte zu verdoppeln – „O Tod, o Tod“ -, so dass wir auch hier die Kette haben. Jedenfalls ist der Sinn des Signifikanten hier am klarsten bezeichnet, und man sieht auch, es ist in allen angeführten Beispielen derselbe Sinn. Als letztes Beispiel möchte ich noch die vierte Symphonie op. 98 (1885) benennen, deren erstes Thema zwar nichts vertont, dem aber nicht unpassend die Worte „Mir fällt – nichts ein“, oder „Mir fällt – schon wie – der gar – nichts ein“ unterlegt worden sind, ich glaube von Hugo Wolf. Wolf meinte es spöttisch und hatte sogar das Wesentliche getroffen, ging aber böse darüber hinweg, dass Brahms natürlich nicht selbst an „Einfallslosigkeit“ litt, wohl aber sie darstellte. Die Vierte einfallslos zu finden, wäre ja geradezu lachhaft; Clara Schumann, die spontan erschrocken über sie war, hat sie besser verstanden. Wir haben es wieder mit einem Dokument des Nihilismus zu tun.
Zurück zum Vergleich der Motive bei Brahms und Debussy. Ein Zwei-Ton-Motiv beherrscht auch Debussys Spuren / Schritte im Schnee, es ist dort ein Ostinato. Wir hören vor allem zwei Unterschiede: Zum einen ist das Motiv bei Brahms auf dem zweiten, bei Debussy auf dem ersten Ton betont. Doch auch bei Debussy ist der zweite Ton länger, viel länger sogar als der erste. Und es ist bei beiden die Kette poch poch, Pause, poch poch und so weiter. Zum andern beginnt Debussy beim Grundton, Brahms bei der Terz. Beide komponieren in moll und bewegen sich zunächst um eine große Sekunde nach oben. Das Weitere möge sich jede(r) selbst anhören. Man sieht jedenfalls, das thematische Material ist sehr ähnlich. Um so mehr tritt der Unterschied im Gehalt hervor. Schon die kleinen musikalischen Unterschiede fangen an, ihn merklich zu machen. Brahms geht auf etwas zu, ohne dass (ihm) klar ist, von wo er herkommt. Debussy ist gleichsam an einer Tatsache festgenagelt. Diese Tatsache ist nicht er selbst, wie ja schon der Titel Spuren / Schritte im Schnee aussagt. Traurig ist er wie Brahms. Trauriger sogar, denn bei Brahms klingt es eher versonnen melancholisch. Debussy hat dem Ostinato eine eigene Überschrift gegeben, „D’un fond de paysage triste et glacé“, trauriger und eisiger Landschaftshintergrund.
Doch es gibt eine Gegentendenz. Die Kantilene über dem Ostinato hört Billing als „Ausdruck des Lebens gegenüber den starren Lauten des Todes, ‚Kälte- und Wärmepol‘ (W. Danckert)“. Sie hat allerdings leider dieses Unwirkliche, allein wie im Zusammenklang mit dem Ostinato, und es steigert sich im Verlauf: „Die beiden Hauptteile“ des Stücks „streben zur Verwandlung der d-Moll-Tonalität in Richtung eines Dur-Pols, der erste Teil steigt ab in chromatischen Schritten und versinkt in einem indifferenten Ganztonklang“, der zweite „erhebt sich wieder zu einer ergreifenden Episode in der warmen Tonart Ges-Dur“ – „comme un triste et tendre regret“, schreibt Debussy, wie ein trauriges und zärtliches Bedauern -, „während das starre Ostinato schweigt. Von Neuem einsetzend lässt es die Melodie endgültig verstummen und verliert sich in einem fahlen, schattenhaften d-Moll-Klang.“ (S. 605)
Das Ostinato-Motiv als „starre Laute des Todes“ aufzufassen, ist mir zu ungenau. So gehört, würde die Verschiedenheiten der Sinneffekte bei Brahms und Debussy nivelliert. Besser scheint es, den Titel von Debussys Stück zu berücksichtigen: Da stirbt niemand oder denkt über den Tod nach, sondern wir haben einen Betrachter, der Schuhabdrücke im Schnee sieht. Warum macht ihn das traurig? Doch wohl weil der Mensch nicht mehr da ist, der die Spuren hinterlassen hat. Die Frau? Wenn Debussy ein „zärtliches Bedauern“ fühlt, scheint er von einer Frau zu träumen. Seine Dichtung ohne Worte wäre dann die Steigerung der berühmten Strophen von Baudelaire über eine Frau, die auf der Straße vorübergeht (A une passante) und so für den Betrachter, der sie nicht anspricht, verloren ist, er sie aber doch wenigstens hat ansehen können. „Ein Blitz... und dann die Nacht!“ heißt es da (ich zitiere die Prosaübersetzung von Friedhelm Kemp, Blumen des Bösen, München 1997, S. 199), „- Flüchtige Schönheit, von deren Blick ich plötzlich neu geboren war, soll ich dich in der Ewigkeit erst wiedersehen? // Anderswo, sehr weit von hier! zu spät! niemals vielleicht! Denn ich weiß nicht, wohin du enteilst, du kennst den Weg nicht, den ich gehe, o du, die ich geliebt hätte, o du, die es wusste!“ Eine Frau, ganz wie in Pelléas et Mélisande. Und man sieht, wie schon auch der Tod mitspielt. Der eigene Tod. Diese Frau, weil man ihr „niemals vielleicht“ (wieder) begegnet, lässt an ihn denken.
Aber es ist doch ein anderer Todesgedanke als bei Brahms. Brahms denkt überhaupt nur an sich selber. In op. 116 Nr. 4, wo er träumt wie Debussy, träumt er vielleicht, wie es wäre, wenn er nicht Brahms wäre. So höre ich das Stück. Darüber geht es nicht hinaus. Debussy hingegen träumt von der unbekannten Anderen. Ihre Spuren im Schnee zeigen, dass es sie gibt oder jedenfalls gab. Wenn er sie sich vorstellt, kann er zärtlich werden trotz des eisigen Landschaftshintergrunds. Soweit der es zulässt. Nein, die Kälte, gegen die seine Traurigkeit ankämpft, ist gar nicht das Schlimmste. Denn sie konserviert die Spuren / Schritte im Schnee. Wenn es wärmer wird, werden auch sie noch verschwinden.
Kommentare 5
Zu Prélude I,6
Ist das nicht ein bißchen überinterpretiert? Hier eine etwas profanere Deutung. Ich gehe davon aus, daß der musikalische Einfall primär, seine semantische Assoziation sekundär ist (allerdings auch auf den Kompositionsvorgang rückgewirkt haben könnte). Dann ist d-e; e-f das Eintreten des Schnees mit den zwei Füßen. Komponist oder Hörer gehen; wenn sie nur Spuren sehen würden, warum der doppelte Sekundschritt? Für ein paar Schritte wird der Gang weniger schleppend, dann fällt er auf das ursprüngliche Tempo zurück. An der Stelle „comme un tendre et triste regret“ bleibt der Wanderer durch den Schnee nachdenklich stehen, setzt zögernd seine Bewegung fort. Das etwa würde mir als inhaltliche Füllung reichen, wenn es denn sein muß.
Wenn du es so siehst, klar. Da ist jeder sein eigener Richter. Ich könnte mich deiner Deutung aber nicht anschließen.
Bildvorstellungen hatte ich mir gar nicht gemacht, sondern war nur von meinem Höreindruck und dem, was Debussy über die Partitur und in sie hinein geschrieben hat, ausgegangen. Mein Höreindruck ist, das Stück ist außerordentlich traurig, an der Traurigkeit hat die „Kantilene“ aber nicht teil. Die Rede vom „Kälte- und Wäremepol“ trifft da schon was. Das spräche dafür, daß es um zwei Personen geht, nicht um eine; etwa eine beobachtende und eine vorgestellte Person. Es kann, bis hierhin, natürlich auch eine wandernde und eine vorgestellte Person sein. Daß aber jedenfalls eine zweite Person im Spiel ist, wird durch das „zärtliche (oder weiche) und traurige Bedauern“ doch ziemlich stark nahegelegt. Wiederum kann es sein, daß die wandernde Person durch französischen Schnee stapft und an eine andere denkt, die sich gerade in Costa Rica aufhält. Mit meiner Deutung wäre das alles noch kompatibel, denn es bliebe erhalten erstens die andere Person, die traurigerweise nicht da ist, und zweitens die „eisige“ Umklammerung, in der sich die an sie denkende erste Person (deshalb) befindet.
Ich will mir jetzt mal ebenfalls eine Bildvorstellung machen. Dann sage ich, daß wenn ich im Schnee gehe, es absolut unmöglich ist, daß mir „das Eintreten des Schnees mit den zwei Füßen“ meiner selbst währenddessen vorschweben könnte. Ich spüre mich vielmehr gleichmäßig vorangehen, Schritt für Schritt. Ich gucke vor allem nach vorn und sehe mich in e i n e Richtung gehen. Selbst wenn ich auf den Boden schaue, sehe ich nichts Paarweises, das von mir selbst stammen könnte. Also wenn d e; e f dieses „Eintreten mit zwei Füßen“ ist, dann können das nur von mir beobachtete Gehabdrücke sein.
Nun, daß das d-e; e-f Schritte im Schnee bedeutet, darüber sind wir uns wohl einig. Ich habe ihm eine lautmalerische, Du eine psychologische Bedeutung gegeben, insofern habe ich die einfachere Erklärung zur Hand, und die französischere (auf die Du ja im Vergleich mit Brahms auch eingehst). Wenn ich die musikalische Figur psychologisch deuten wollte, wäre der Schnee nur die Metapher, die Figur der pochende, nicht weichende Schmerz, unterbrochen nur von der kurz aufscheinenden Erinnerung an verpaßte Möglichkeiten oder verlorene bessere Zeiten (regret). Aber die Psychologisierung erlaubt noch ganz andere Interpretationen. ME hat es Debussy nicht auf solche überwältigenden, totalisierenden Emotionen angelegt, es bleibt immer ein wenig spöttisch, unernst, vage, unbestimmt. Flirrende Impression. Melancholie ja, Tragödie nein. Ich glaube nicht, daß Debussy der deutschen Romantik, Wagner, näher stand als der Groupe des Six, auch wenn man vielleicht eine Linie von Schumanns Träumerei zu Clair de Lune ziehen kann. Oder kommt da ein Vorurteil gegen unsere lieben Nachbarn zum Vorschein, daß sie nicht „tief“, sondern nur „konfus“ sein können (kleiner Scherz, besser auf die Neuen Philosophen anwendbar)?
Sorry, ich verstehe Bahnhof. Erstens, ob du das nun psychologisch oder „lautmalerisch“ (?) nennst, die Frage ist, ob sich das Stück um eine Person dreht oder um zwei. Zweitens, ich würde eine Formulierung wie „comme un tendre et triste regret“ allerdings psychologisch nennen, lautmalerisch scheint sie mir nicht zu sein, und was ist dagegen denn auch einzuwenden? Haben die Deutschen eine Psychologie und die Franzosen nicht? Drittens, du schreibst „Melancholie ja, Tragödie nein“, und Melancholie ist dann wohl nicht psychologisch? Viertens, „Melancholie ja“, kann sich aber nicht auf mein Vehältnis zu einer anderen Person beziehen? Ich finde unsere kleine Debatte ehrlich gesagt ein wenig absurd.
Schade, daß Du Dich nicht mit einer anderen Deutung auseinandersetzen willst und die Diskussion darüber für absurd hälst. Vielleicht wäre es dann sinnvoller, ganz aufs Deuten zu verzichten und nur die musikalischen Strukturen zu analysieren. Ich versuche trotzdem noch mal, Deinem Verständnis meiner Auffassung auf die Sprünge zu helfen und möchte, was Du sagst, nicht unbeantwortet stehenlassen.
Die Dir offensichtlich wichtige Frage ist: ist es eine Person, die spricht, oder sind es zwei. Erst einmal ist es Musik, die spricht. Nun gibt es sicher den Kontrapunkt eines kurzen ostinatoartigen Motivs und einer Kantilene und ein paar unabhängigen Akkorden. Ich kann nicht erkennen, was dabei zwingend an zwei Personen denken läßt. Oder muß ich bei jeder Mehrstimmigkeit an Mehrpersonigkeit denken? Ich denke also nur an eine Person, die im Schnee schreitet und Gedanken nachhängt: zwei Ebenen, eine materiale, die lautmalerisch präsentiert wird, in der Parallele der Zweischrittigkeit und in dem Stapfen im Schnee, bei dem die Oberflächeneisschicht bricht und dann erst der Fuß Halt findet; es ist dieser sachliche, lautmalerisch dargestellte Sachverhalt, die das Kurzmotiv als Trittspuren deuten läßt. Dieses Motiv psychologisiere ich nicht, es hat das Monotone und vielleicht die vereiste Behinderung des Gehens. Keineswegs streiche ich die Psychologie vollends, nur nehme ich sie als nicht weiter bestimmten psychischen Vorgang, über den nur die Auskunft des zärtlichen Bedauerns gemacht wird. Daß es sich um eine Person (als physische und psychische Einheit) handelt, schließe ich gerade aus der Stelle, an der die Bewegung stockt und die Gefühle sich intensivieren. Freilich mehr als Melancholie kann ich nicht erkennen.
Daß ich sagen würde, die französische Musik ist insgesamt antipsychologisch, reinste Rationalität, die deutsche umgekehrt reine emotionale Innerlichkeit, ist doch Quatsch. Wenn, dann geht es hier um ein mehr oder weniger. Und ja, Debussy ist etwas französischer, der Sensualismus im Impressionismus ist äußerlicher als die vergrübelte Selbstbefragung. Ich dachte, daß ich das bei Dir auch gelesen habe. Mein erster Kommentar war eine vorsichtige Gegenstimme zu Deiner Interpretation, daß es hier in einem Einzelfall anders sei, Debussy der deutschen Denkweise doch sehr nahe käme. Ich denke, daß man den Impressionismus leicht überinterpretieren kann.