Der Sündenfall

Montagsmahnwachen Links oder rechts, so lautet die Frage. Die Antworten einer kürzlich vorgestellten Studie bleiben unklar
Ausgabe 25/2014

Was von den „Montagsdemos“ zu halten ist, hat sich jetzt auch das Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung gefragt. Mehr als über die Ergebnisse staunt man über deren divergente Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Zeit-Online berichtet, dass „kaum rechte Positionen“ festgestellt worden seien, hätten doch die Teilnehmer „sowohl bei der Verharmlosung von NS-Verbrechen, als auch bei chauvinistischen und antisemitischen Ansichten niedrigere Zustimmungswerte als die Gesamtbevölkerung“. Laut Huffington Post glauben aber 27,3 Prozent, die „Zionisten“ säßen weltweit an den Hebeln der Macht, und fast 34 Prozent meinen, Deutschland solle von einem Führer regiert werden. Aber am wichtigsten bleibt eine Zahl, die beide Medien mitteilen: 51,6 Prozent stimmen der Aussage zu, die USA und ihr Militär seien „nur der Knüppel“ der US-Notenbank Fed.

Was bedeutet es, dass diese Idee aufgetaucht ist, von der bis vor ein paar Monaten niemals in der Öffentlichkeit die Rede war? Diese Frage ist entscheidend bei der Beurteilung der „Montagsdemos“. Wie ist es möglich, dass der Initiator der Berliner „Montagsdemos“ als Ursache „aller Kriege in der Geschichte der letzten hundert Jahre“ die Fed hat angeben können? Dann hätte also nicht Hitler den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen? Ja, hat nicht schon Hitler der Fed die Schuld gegeben? Sie war die Zentrale der zionistischen Weltverschwörung! Unnötig zu sagen, dass Letzteres auf den Demos nicht wiederholt wird. Nur Plakate gegen die Fed gibt es viele und die Redner fragen immer wieder, warum denn nicht auch Fed-Kritiker mitmachen dürfen sollten. „Wir sind für den Frieden“, sagt einer, „der fängt aber zwischen uns selber an.“

Das scheint die Hauptbotschaft zu sein. Und wenn es stimmt, was 52,6 Prozent angaben, sie seien Wähler der Linkspartei, dann ist sie auf fruchtbaren Boden gefallen. Dass jetzt manche Linke bereit sind, mit extrem Rechten zu paktieren, ist eine der von der Ukraine-Krise ausgelösten Katastrophen. Es ist im Grunde deren Fortsetzung, denn schon auf dem Majdan-Platz war der Pakt mit den Faschisten der Sündenfall.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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