Die einzige Lösung: schwarz-gelb

Regierungsbildung Wenn Angela Merkel zu Neuwahlen gezwungen wird, wird sie es dann noch einmal wagen, Leihstimmen für die FDP zu blockieren?

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Eine Situation wie nach dieser Bundestagswahl hat es wohl noch nicht gegeben: SPD wie Grüne sind aufgefordert, mit der Union zu koalieren, und es besteht kein Zweifel, dass wenn die einen nicht wollen, die andern genommen werden – aber sie wollen eigentlich beide nicht! Und das aus gutem Grund. Die SPD fürchtet, unter Angela Merkel noch schwächer zu werden als sie schon ist. Vor allem die Basis verspürt wenig Lust. Für die Grünen käme der bisher immer gefürchtete Bündniswechsel zu plötzlich. Abgesehen davon, dass ein Teil der Basis hier sogar wegbrechen könnte, würden sie sich noch der verlogenen Propaganda der SPD aussetzen: Jetzt sehe man ja, dass die Grünen nicht zuverlässig links seien. Soll heißen, zu(ver)lässig ist nur die SPD als Unions-Notpartner. Weil sie eine Partei höherer Natur ist, die Grünen aber auf ewig subaltern bleiben sollen.

Es ist nicht ausgeschlossen, sondern eher wahrscheinlich, dass schließlich doch einer von beiden in den Apfel beißt. Aber besser wäre es, wenn sie beide gemeinsam die Wiederholung der Wahl, das heißt eine neue Bundestagswahl erzwängen. Wenn dagegen gesagt wird, das würde die SPD und vielleicht auch die Grünen noch weiter schwächen, so mag das zwar richtig sein, ist aber nicht der entscheidende Gesichtspunkt. Entscheidend ist, dass Angela Merkel zum Offenbarungseid gezwungen würde: Wagt sie es noch einmal, Leihstimmen für die FDP zu blockieren? Wird sie sich vielleicht an die FDP-Wähler mit der Bitte wenden, es möchten noch ein paar mehr zu ihr überlaufen, damit sie die absolute Mehrheit erhalte? Das wäre allein schon spannend, wie darauf die FDP unter Christian Lindner reagiert. Vor allem aber würde Merkels Manöver bei der zurückliegenden Wahl entlarvt, für das ihr eigenartigerweise von allen Seiten Lob zufliegt. So stark sei die CDU schon lange nicht mehr gewesen wie jetzt unter ihrer Führung, heißt es. Was für ein Unsinn. Es ging ihr doch offenbar darum, selbst als Person stark zu werden auf Kosten der schwarz-gelben Regierung und damit auf Kosten der Union. Durch Neuwahlen würde Merkel auf Normalmaß zurechtgestutzt. Und wenn dann Schwarz-gelb weiterregiert, müssen sich weder SPD noch Grüne verrenken.

Wenn es Neuwahlen gibt, könnten sich aber auch SPD, Grüne und Linke auf eine gemeinsame Kanzlerkandidatur verständigen. Ohne Neuwahlen einen Kanzler der linken Mehrheit im Bundestag zu wählen, verbietet sich aus vielen Gründen. Aber jetzt haben führende Sozialdemokraten gesagt, bei der nächsten Bundestagswahl werde es keine Ausschließeritis mehr geben. Warum nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass diese nächste Bundestagswahl etwas beschleunigt stattfindet? Die Karten auf den Tisch! Den Wählern sollte man es vermitteln können.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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