Die Entlassung des Inquisitors

Vatikan Dass Papst Franziskus die Amtszeit von Kardinal Ludwig Müller in der Glaubenskongregation nicht verlängert hat, ist ein wichtiger Schritt. Aber er geht nicht weit genug
Ausgabe 27/2017
Franziskus hat nicht nur Kardinal Müller entlassen, er hat die Glaubenskongregation selbst herabgestuft
Franziskus hat nicht nur Kardinal Müller entlassen, er hat die Glaubenskongregation selbst herabgestuft

Foto: Johannes Simon/Getty Images

Kardinal Ludwig Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation, muss gehen. Das ist ein starkes Signal eines Papstes, der seine Kirche zur Welt hin öffnen will. Franziskus und Müller waren über die Rolle der kirchlichen Dogmen sichtlich uneins. Gerade die Sichtbarkeit der Differenz hat den Papst nun bewogen, sich von der Nummer zwei im Vatikan zu trennen. Schon um dem Gerede über seinen „schleichenden Autoritätsverlust“ entgegenzutreten, musste er das tun – also verlängerte er die Amtszeit des Chefs der früheren Inquisition nicht.

Die Uneinigkeit hatte sich auf die wohl wichtigste Öffnung erstreckt, die Franziskus bisher gewagt hat: geschiedene und wiederverheiratete Katholiken zur Kommunion zuzulassen. Dieses Ergebnis der Familiensynode von 2015 wollte Müller verhindern. Er ließ sich dann zunächst in den Kompromiss einbinden, dass die Kirche fallweise über die Zulassung entscheide, um dem Einzelfall gerecht zu werden. Doch hat er sich über den bloß gesichtswahrenden Charakter der Sprachregelung keine Illusionen gemacht. Als vier Kardinäle den päpstlichen Weg öffentlich kritisierten, rügte er nur die Veröffentlichung und nicht die Kritik selber.

Franziskus hat nicht bloß den deutschen Müller entlassen, er hat die Glaubenskongregation als solche herabgestuft. Müllers Nachfolger, der spanische Erzbischof Luis Ferrer, ist ein Mann der zweiten Reihe. Das Amt wird nun alle fünf Jahre neu besetzt. Trotzdem sollte man die Bedeutung solcher Schritte des Papstes nicht überschätzen. Denn worin bestand seine Uneinigkeit mit Müller? Nicht darin, dass er die Dogmen in Frage stellt. Das zeigt gerade jener Kompromiss, der die Zulassung zur Kommunion als Spezialfall ihrer Verweigerung zu tarnen versucht. Der Papst glaubt, er könne die Dogmen mit dem Leben versöhnen. Wenn Kardinal Müller ihn für einen Abweichler hält, ist das leider ein Irrtum.

Was Franziskus tut, ist zu wenig. Doch könnte er mehr tun? Er ist ja ein Einzelgänger. Wenn die Kirchenverfassung ihn mit absurder Machtfülle ausstattet, erlaubt sie ihm kühne Vorstöße, hemmt ihn aber auch, denn die Gesamtorganisation ist riesig und über deren Schatten kann er nicht springen. Für Franziskus spricht, dass er es nachfolgenden Päpsten leichter macht, den Paradigmenwechsel wirklich zu vollziehen.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur (FM)

studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. an der Universität Innsbruck für poststrukturalistische Philosophie inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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