Die Erde als Feind - Jesco von Puttkamer

Raumfahrtpionier Erinnerung an einen Mann, dem einmal der Mund überlief, weil das Herz so voll war

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De mortuis nil nisi bene – im Fall Jesco von Puttkamers, der vorgestern im Alter von 79 Jahren gestorben ist, möchte ich mich daran nicht halten. Es gibt einen traurigen Zusammenhang, in den er verstrickt war: dass man sich fragt, warum und wozu wir eigentlich die Klimakatastrophe aufhalten sollen, wenn es ohnehin möglich ist und vielleicht sogar wünschenswert erscheint, die Menschheit auf andere Planeten zu verfrachten. Anders gesagt, es mag Kräfte geben, die von solchen Wünschen so erfüllt sind, dass es ihnen unnötig vorkommt, in Ökologie allzuviel Geld, Forschungs- und Arbeitsfleiß zu investieren, und es mag sein, dass solche Kräfte mächtiger sind als man glaubt. Damit will ich nicht gegen Raumfahrt polemisieren; Raumfahrt ist eine gute Sache. Aber deshalb müssen nicht alle Strategien der Raumfahrt gut sein.

Statt viele Worte zu verlieren, will ich einfach zuerst den Nachruf zitieren, den die FAZ heute brachte - auch in der Tagesschau ist Puttkamer gestern gewürdigt worden -, und dann ihn selbst.

Die FAZ schreibt:

„Der deutschamerikanische Raumfahrtpionier und Publizist Jesco von Puttkamer ist am Donnerstag im Alter von 79 Jahren gestorben. ‚Er war ein großer Streiter für die bemannte Raumfahrt‘, sagte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR), Johann-Dietrich Wörner. ‚Der Mond war sein großes Lebensmotto, der Mars seine große Zukunftshoffnung‘, sagte der Luft- und Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung, Peter Hintze, in einer ersten Reaktion.

Von Puttkamer, 1933 in Leipzig geboren wurde, wanderte nach seinem Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule Aachen 1962 im Alter von 29 Jahren in die Vereinigten Staaten aus, nachdem er einen Brief von Wernher von Braun erhalten hatte, der ihn für seine ehrgeizigen Raumfahrtpläne gewinnen wollte. Puttkamer nahm das Angebot freudig an und arbeitete fortan am Apollo-Programm der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa. Nach dem Ende des Programms leitete er im Nasa-Hauptquartier in Washington eine Arbeitsgruppe, die sich der Erschließung des Weltraums widmete. Als dienstältester Mitarbeiter war er bis zuletzt für die Internationale Raumstation ISS und seit 2004 für die Verwirklichung der Mond- und Marsmissionen der Nasa mitverantwortlich. Neben seiner Ingenieur- und Beratertätigkeit war von Puttkamer auch Autor von Sachbüchern und Sciencefiction-Romanen, die von seinen Lieblingsthemen – der Raumfahrt und der Reise zu fernen Planeten – handelten.“

Und nun Puttkamer selbst:

"Die Umweltschützer - und das sind wir ja auch mit dem Weltraumprogramm, mit Mission 'Planet Earth' - sprechen an sich noch von einer Ökologie des 19. Jahrhunderts, wenn sie den Weltraum ignorieren. Die Erde ist aber nicht allein da. Es gehört dazu nun auch das All mit den Menschen, die im All funktionieren und konstruieren. Es müssen aus dieser Zusammenführung von All und Erde neue Wechselwirkungen entstehen, die mir das geschlossene System der Erde - das unser zukünftiges Wachstum behindert - öffnen und eine Alternative zur geschlossenen Zukunft mit ihren Verknappungen, mit ihren Umweltbeschädigungen, mit ihren möglicherweise Kriegen und Atompilzen liefern. Die Weltraumfahrt ist die Hoffnung, die wir haben müssen, um der Menschheit der Zukunft alternative Lebensmöglichkeiten zu geben. Man muss bedenken, dass wir mit unserer eigenen Biosphäre hier auf der Erde nicht mehr zu Rande kommen, dass die natürliche Umwelt nicht für eine Rasse von Wesen geeignet zu sein scheint, die so dynamisch wächst wie der Mensch - mit der Industrie, mit den Abfällen, mit seinem Energieverbrauch. Irgendwie sind die natürliche Biosphäre der Erde und der Mensch nicht miteinander vereinbar. Ja, es scheint sogar, als ob wir in einer feindlichen Umwelt leben, sonst würden wir nicht in einem solchen Konflikt mit ihr stehen. Es ist aber durchaus möglich, dass wir eines Tages im Weltraum künstliche Biosphären von Grund auf neu bauen können, geschlossene Kreisläufe, die für den Menschen optimiert sind - die also so gebaut sind, dass sie für den Menschen ideal geschaffen sind und nicht mehr in einem Konflikt mit einer dynamisch wachsenden Entität namens Menschheit stehen."

Puttkamer sagt das vor laufender Kamera in dem Film Gestern war heute noch morgen der Wendländischen Filmkooperative. Das Zitat ist dem Buch Sonnen-Strategie. Politik ohne Alternative von Hermann Scheer entnommen (München 1993, S. 77).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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