Die nervösen Beschwichtiger

Banken Europas Regierungen behaupten zwar immerzu, die Krise sei bewältigt. Die Debatte um die Stresstests zeigt aber, wie groß die Angst noch ist

Die "Stresstests" für 91 europäische Banken, deren Ergebnis am Freitagabend veröffentlicht werden, sind eine Show, die der Vertrauensbildung dienen sollte. Solche Tests werden regelmäßig von der europäischen Bankenaufsicht durchgeführt. Neu ist nur, dass diesmal Ergebnisse veröffentlicht werden, eben damit das Vertrauen ins Bankensystem wieder zunimmt. Geprüft wird, wie Banken mit simulierten Krisen fertig würden. Worin diese bestehen könnten, muss freilich jedes mal neu prognostiziert werden. Nicht immer wird das simuliert, was später tatsächlich eintritt. Ein früherer Aufseher sagte, er könne sich nicht erinnern, "dass schon einmal etwas getestet wurde, was in der Zukunft wirklich Stress gemacht hätte". Zum Beispiel habe vor einem Jahr niemand den Verfall von Staatsanleihen erwartet, zu dem es im Mai 2010 gekommen sei. Diesmal wird nun gerade geprüft, was bei einer weiteren Vertiefung der europäischen Staatsschuldenkrise passieren könnte. Außerdem geht es um Auswirkungen eines möglichen Konjunktureinbruchs, den die EU in ihren offiziellen Prognosen ausschließt. Simuliert wird der Zeitraum bis Ende 2011.

Der Test gilt als bestanden, wenn eine Bank nach Kreditausfällen, zu denen es in der simulierten Krise käme, noch immer über mindestens sechs Prozent "harten" Eigenkapitals, so genannten Kernkapitals verfügt. Kernkapital unterscheidet sich als eingezahltes Eigenkapital, das einem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung steht, von anderen Eigenmitteln mit geringerer Haftungsqualität. Das ist die technische Seite, die als solche noch nichts darüber sagt, ob eine Bank den Test dann auch in der Wirklichkeit bestanden hätte, ob nämlich der Hinweis auf sechs Prozent Kernkapital die Anleger zufrieden stellen würde. In der deutschen Bankenaufsicht wird das bezweifelt. Das Problem ist ja gerade, dass Anleger in einer Krise aus Sicht des Staates zu vorsichtig werden und die Krise eben dadurch verschärfen oder überhaupt erst hervorbringen. Aber irgendeinen Wert musste man zugrunde legen, sonst hätte man sich das Ganze sparen können.

Wenn die wichtigsten Banken als krisenfest erscheinen, entsteht wieder Vertrauen, so hatte man simpel gerechnet. Aber von Anfang an war die Nervosität groß und wurde die Gelassenheit, die man zur Schau stellen wollte, eher dementiert. Erst sollten weniger Banken getestet werden, dann mehr, um die Anleger wirklich zu beeindrucken. Dass Ergebnisse veröffentlicht werden, war ausgerechnet von der spanischen Regierung gefordert worden, die demonstrieren will, dass die spanischen börsennotierten Großbanken Santander und BBVA gut dastehen. Wenn man aber heute bei Reuters nachschaut, so wird umgekehrt gemeldet, dass "mehrere spanische Sparkassen durch den Stresstest fallen", weiter nichts. Dass die Testergebnisse aber möglichst schon vor 18 Uhr veröffentlicht werden, hatte die französische Regierung deshalb angeregt, weil sie die Interpretation der Ergebnisse nicht den amerikanischen Aktienmärkten überlassen will (die New Yorker Börse schließt erst um 22 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit). Und das soll Anleger beschwichtigen?

Der allgemeine Eindruck, der sich aufdrängt, ist der, dass die europäischen Regierungen zwar immerzu behaupten, die Wirtschaftskrise sei bewältigt, in Wahrheit aber selbst fürchten, dass sie sich fortsetzen und wohl gar noch steigern kann.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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