Sergei Prokofjews musikalisches Märchen Peter und der Wolf (1936) hatte schon unzählige prominente Sprecher: Loriot, David Bowie, Gregor Gysi, um nur drei zu nennen. An Handlung und Musik rührten sie nicht. Nun ist es modernisiert und amerikanisiert worden.
Spielt es ursprünglich in der Sowjetunion und braucht als gedachte Ausstattung weiter nichts als einen Garten, einen Wald in der Nähe und einen Zoo, so wird Pjotr nun ins Flugzeug gesteckt und nach Los Angeles verfrachtet. Dort wohnt der „alternde Hippie“, zu dem sein Großvater geworden ist, Paparazzi belästigen ihn und er versucht einen Roboter zu steuern. Als Erzähler tritt Campino auf, der Rockstar.
Ist das nötig? Im Studio Giants Are Small in Hollywood glaubt man, das müsse modernen Kindern gefallen, zumal sie die Aufnahme auch als interaktive App präsentiert bekommen. Prokofjews Werk wird aber seines musikalischen Sinns beraubt. Der liegt darin, dass Kinder auf vergnügliche Weise in Orchestermusik eingeführt werden. Die handelnden Figuren, neben Peter, dem Wolf und dem Großvater ein Vogel, eine Ente, eine Katze und ein paar Polizisten, werden jede(r) durch ein Instrument vertreten.
Keine Angst
Der Erzähler stellt die Instrumente zunächst vor, in der Geschichte spielen sie dann auf einfachste Weise zusammen, die dennoch auch erwachsene Musikliebhaber bezaubert. So überlagern sich Oboe und Querflöte, wenn die Ente mit dem Vogel zankt, wobei ihre musikalischen Themen ganz leicht variiert werden. Bald darauf sitzt die Klarinette, will sagen Katze, auf dem Baum und der Vogel in gehöriger Entfernung ebenfalls: Hier spielen die Instrumente getrennt nacheinander. Am Ende bilden Katze und Großvater – natürlich das tiefe Fagott! – sogar einen Kontrapunkt. Die Hauptfiguren aber treten von vornherein als Ensembles auf, Peter mit allen vier Streichern und der Wolf, weil er ja aus dem Wald kommt, als Hörnertrio.
An dieser Musik und der dazugehörigen Handlung – der furchtlose Peter fängt den Wolf, der dann „im Triumphzug“ in den Zoo geleitet wird – kommt zum Glück auch die Hollywoodfassung nicht vorbei. Ihr ist aber nun diese amerikanische Handlung vorgeschaltet, die an die Stelle der Erklärung der Instrumente tritt. Da können Kinder nichts mehr lernen. Werden sie sich freuen, weil die Erwachsenen sich eilfertig ihren iTunes-Gewohnheiten anpassen?
Die Zusatzhandlung geht sicher an ihnen vorbei, weil sie mit Einblendungen aus der Musikgeschichte arbeitet, von denen sie überfordert sein müssen. Das ist nur für Erwachsene interessant, wenn auch nicht überzeugend. Peter wird das Lohengrin-Vorspiel von Richard Wagner zugeordnet, wohl weil auch Lohengrin von weit her kommt, außerdem weil es nur von Streichern gespielt wird. Aber sonst passt da gar nichts zusammen. Der Wolf bekommt das Vorspiel des dritten Tristan-Aufzugs von Wagner, weil man offenbar meinte, diese Musik signalisiere Angst. Das tut sie aber gar nicht. Dass er von Polizeihubschraubern gejagt wird und dazu Wagners Walkürenritt erklingt, na gut, da hat ein Film vorgeschwebt, Apocalypse Now. Doch auch diese Assoziation ist ziemlich daneben. Überzeugend, ja brillant ist wenigstens die Interpretation von Prokofjews Musik durch das Bundesjugendorchester unter Leitung von Alexander Shelley.
Info
Peter und der Wolf in Hollywood Erzählt von Campino Giants Are Small und Deutsche Grammophon 2015
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